# taz.de -- Grünen-Landesparteitag in BaWü: Everybody‘s Darling | |
> Drei Monate vor der Wahl hat keines der Lager in Baden-Württemberg eine | |
> Mehrheit. Nur Winfried Kretschmann wird von allen geliebt. | |
Bild: Kretschmann hat es geschafft, parteiübergreifend zu einem der beliebtest… | |
Reutlingen taz | Wahlen waren schon mal wesentlich langweiliger in | |
Baden-Württemberg. Drei Monate vor der Entscheidung haben nach aktuellen | |
Umfragen weder die jetzige grün-rote Regierung noch die Opposition aus FDP | |
und CDU eine Mehrheit. Es scheinen sich da zwei entgegengesetzte | |
Kraftfelder zu neutralisieren. Kretschmann und die CDU. | |
Der grüne Ministerpräsident, den der Streit über das Stuttgarter | |
Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 und die Atomkatastrophe von Fukushima vor fünf | |
Jahren unverhofft ins Amt gehoben hatte, hat es geschafft, | |
parteiübergreifend zu einem der beliebtesten Ministerpräsidenten jemals zu | |
werden. Sogar unter den CDU-Anhängern wünscht sich eine Mehrheit | |
Kretschmann zum Ministerpräsidenten. | |
Der eigene Kandidat – wie hieß der noch gleich? –, Guido Wolf, ehemaliger | |
Landtagspräsident, hat es in dem Jahr seit seiner parteiinternen Wahl nicht | |
geschafft, seine Anhänger geschlossen hinter sich zu versammeln. Inzwischen | |
greift ihm programmatisch immer öfter sein einstiger Konkurrent um die | |
Spitzenkandidatur unter die Arme, der Landesvorsitzende Thomas Strobl. | |
Dennoch, die CDU, über 58 Jahre Regierungspartei, hat ihre Machtbasis im | |
Land noch lange nicht verloren. Mit 37 Prozent wäre sie nach den aktuellen | |
Umfragen weiterhin stärkste Partei (siehe Kasten). Doch zu einer Koalition | |
mit der FDP würde es nach den aktuellen Zahlen nicht reichen, sofern die | |
Liberalen es überhaupt in den Landtag schaffen. Umfragen sehen sie bei | |
derzeit 5 Prozent. Damit ist vieles möglich und nur eins scheint klar: Mit | |
der AfD, die nach den aktuellen Zahlen mit 6 Prozent im Landtag wäre, will | |
niemand, auch Guido Wolf nicht, der sich dazu einmal zu einer selten | |
eindeutigen Aussage hinreißen ließ. | |
## Mögliche Koalitionen | |
Wären die Grünen bereit, als Juniorpartner mit der Union zu regieren, | |
nachdem sie eben noch den Regierungschef gestellt haben? Als Mann für die | |
Schwarzen bei den Grünen gilt der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, | |
der seit seinen Wortmeldungen gegen die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin | |
auch bei konservativen CDUlern als vermittelbar gilt. Einfacher wäre wohl | |
gerade unter einem Ministerpräsidenten Wolf, eine Koalition mit der SPD zu | |
schmieden. Gibt es doch in der Landtagsfraktion lautes Murren, dass die SPD | |
in Kretschmanns Koalition die Arbeit mache, während der Ministerpräsident | |
den Ruhm dafür einfährt. | |
Der Haken dieser Überlegungen: Kretschmann wäre nicht mehr dabei. Er will | |
nur als Ministerpräsident weitermachen. Deshalb wird gerade die Variante | |
der umgedrehten Ampel unter Kretschmann diskutiert: grün, rot, gelb – | |
jedoch nur, wenn die FDP in den Landtag kommt. Andererseits gilt das | |
Verhältnis der Grünen zur FDP, dank des wirtschaftsliberalen | |
Spitzenkandidaten Hans-Ulrich Rülke, als besonders schwierig. Allerdings | |
hat die FDP diesmal den Fehler vermieden, sich bereits im Wahlkampf auf | |
Gedeih und Verderb an die CDU zu binden. | |
Kretschmann will sich mit so was nicht belasten. „Wir kämpfen für eine | |
Fortsetzung der grün-roten Koalition“, sagte er auf dem Parteitag. Mal | |
sehen, ob das reicht. | |
14 Dec 2015 | |
## AUTOREN | |
Benno Stieber | |
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