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# taz.de -- Polizeigewalt gegen Schwarze in den USA: Polizei. Schüsse. Tote.
> In Chicago sind erneut zwei Schwarze von Polizisten getötet worden.
> Dahinter steckt Rassismus. Der ist aber nicht das einzige Problem.
Bild: Szenen der Trauer: Zwei Brüder der am 26.12.2015 getöteten Bettie J. um…
Freddie Gray. Walter Lamer Scott. Laquan McDonald. Eric Garner. Michael
Brown. Und der jüngste Fall von Samstag: Quintonio L. und Bettie J.
Am zweiten Weihnachtstag kamen der 19 Jahre alte Student und die 55 Jahre
alte Frau bei einem [1][Polizeieinsatz] in Chicago ums Leben. Warum? Das
muss noch geklärt werden. Klar ist nur, dass sieben Kugeln Quintonio L.
trafen. Ihm galten wohl die Schüsse. Er sei „streitlustig“ gewesen, sagt
die Polizei. Dass auch die Nachbarin Bettie J. getötet wurde, sei
„versehentlich“ passiert, heißt es weiter. Und eines ist auch klar: Beide
Opfer sind Schwarze.
Die Vereinigten Staaten haben ein furchtbares Jahr der Gewalt hinter sich.
Wieder einmal. Die Toten und die Waffen sind dort schon lange Alltag. Doch
Scott, Brown und die anderen starben nicht alle durch Schüsse, aber alle
starben durch Polizeigewalt – und alle Fälle bekamen große Aufmerksamkeit.
Das war vor 2015 kein Alltag. Es ist neu, dass so genau auf die Gewalt
durch Beamte in Uniform geschaut wird.
Polizisten werden in Amerika gerne mit einer geradezu heldenhaften
Verehrung bedacht, eine Stütze der Gesellschaft und quasi unantastbar. Das
ist vorbei. Die Washington Post und der britische Guardian dokumentieren in
aufwändigen Rechercheprojekten (Guardian [2][hier], Washington Post
[3][hier]) jedes Opfer, das durch die Polizei getötet wurde. Das [4][FBI]
möchte seine Statistiken verbessern und zeigt sich beschämt, bis dato nicht
besser auf diesen dunklen Fleck geschaut zu haben.
## Strukturelles Problem
Erstmals findet eine öffentliche Debatte über Polizeigewalt statt, und die
am häufigsten formulierte Antwort auf die Frage des Warum ist stets:
Rassismus. Die US-Gesellschaft ist rassistisch, ja, aber das als einziges
Problem zu benennen, greift zu kurz. Es übersieht ein strukturelles
Problem.
Beispiel Chicago. Kaum eine Stadt ist segregierter, Schwarze, Latinos und
Weiße leben in hübsch voneinander abgegrenzten Vierteln, die Mordrate ist
hoch, die Polizei ständig im Fokus. [5][Laquan McDonald] wurde hier
getötet, 16 Mal schoss ein Polizist auf ihn. Das war bereits 2014, die
Videoaufnahmen des brutalen Vorfalls wurden erst jetzt veröffentlicht. Der
Polizist wurde wegen Mordes angeklagt und der Bürgermeister Rahm Emanuel
feuerte öffentlichkeitswirksam seinen Polizeichef Garry McCarthy. Der Fisch
stinkt vom Kopf her und so. Doch in der Struktur der Polizei stinkt einiges
mehr als nur die Führung.
Die Ausbildung von Polizisten ist oft erschreckend dürftig. Jeder
Bundesstaat regelt sie selbst. In Chicago sind Anwärter mit knapp sieben
Monaten Training dabei, bevor sie als „Rookies“ – als Anfänger – bewaf…
auf den Straßen patrouillieren. Zwar gemeinsam mit einem erfahreneren
Kollegen, aber die Waffe im Holster trägt der Neuling allein.
## Ausbildung veraltet
Wie ruhig und souverän kann jemand sein, der nicht einmal ein Jahr
Vorbereitung hatte, bevor er in einem Land Dienst schiebt, in dem so viele
Waffen im Umlauf sind, wie Menschen dort leben? In New York dauert die
Ausbildung sechs Monate, das Einstiegsgehalt beträgt 44.744 Dollar. Gefühlt
könnte man auch gleich den Sicherheitsmann einer Supermarktkette auf
Streife schicken. Um die knappe Kohle in einem gefährlichen Job
aufzubessern, arbeiten viele Polizisten Extraschichten, auch weil es oft
überhaupt nicht genug Beamte gibt. Dazu kommt, dass die Ausbildung auf
veralteten Strukturen beruht. Die „21-Fuß-Regel“ gilt immer noch als
Standard: Wenn ein Angreifer sich auf 21 Fuß (6,4 Meter) nähert, dann
sollte die Waffe benutzt werden. Weil es einen Polizisten ungefähr so viel
Zeit kostet zu schießen, wie ein Angreifer braucht, um die 6,4 Meter
Distanz zurückzulegen. Die Regel stammt aus den 80er Jahren und macht
deutlich, was im Mittelpunkt des Trainings und der Anleitung steht: das
Schießen. Das Wann und Wie. Nicht, wie das vermieden werden könnte.
Alles keine brillanten Voraussetzungen dafür, kompetente und umsichtige
Beamte auf der Straße zu haben. Einen Polizeichef zu feuern oder nur
„Rassismus“ zu rufen – auch wenn das immanenter Teil der Debatte sein muss
– löst diese Probleme nicht. Eine sorgfältigere Ausbildung könnte helfen,
mehr Geld nicht nur für die Polizei, sondern für Bildung (Stichwort
Rassismus) und Sozialprogramme auch. Aber wenn Waffen bald entspannt im
Homeshoppingkanal „Gun TV“ geordert werden können, ist das Training zur
Vermeidung von Konfliktsituationen vielleicht auch nur vergebene
Trainingsmüh.
27 Dec 2015
## LINKS
[1] /Polizeigewalt-in-Chicago/!5264055/
[2] http://www.theguardian.com/us-news/ng-interactive/2015/jun/01/the-counted-p…
[3] https://www.washingtonpost.com/graphics/national/police-shootings/
[4] /Polizeigewalt-in-den-USA/!5261752/
[5] /Polizeigewalt-in-den-USA/!5257673/
## AUTOREN
Rieke Havertz
## TAGS
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