# taz.de -- Polizeigewalt in den USA: Das FBI will endlich richtig zählen | |
> Der „Guardian“ und die „Washington Post“ dokumentieren Gewalt von | |
> Polizisten gegen Bürger. Jetzt will auch das FBI besser Daten sammeln. | |
Bild: Protest in Chicago am 11. Dezember 2015: 16 Kugeln aus einer Polizeiwaffe… | |
Berlin taz | Ryan McMillan, 21 Jahre alt, gestorben an Schusswunden. David | |
Winesett, 52 Jahre alt, getötet durch Waffengewalt. Eric Garner, 43 Jahre | |
alt, erstickt. Laquan McDonald, 17 Jahre alt, getötet durch 16 Kugeln aus | |
einer Polizeiwaffe. Die Auflistung von US-AmerikanerInnen, die durch | |
Polizeigewalt sterben, ließe sich beliebig fortsetzen. | |
Seit der junge Afro-Amerikaner Michael Brown im August 2014 von einem | |
Beamten auf der Straße von Ferguson erschossen wurde, kumulieren zwei Dinge | |
in den USA: öffentliche Aufmerksamkeit gepaart mit Protest und immer neue | |
Ereignisse tödlicher Gewalt von Polizeibeamten gegen Bürger. | |
Die britische Tageszeitung The Guardian und die US-amerikanische Washington | |
Post machen seit diesem Jahr das, was den Behörden in den USA bislang nicht | |
gelingt: Sie versuchen, die Fälle von Gewalt zu dokumentieren. Seit Juni | |
gibt es beim Guardian das Projekt [1][“The Counted“], das jeden tödlichen | |
Vorfall erfasst, in den Polizisten involviert sind. Die Post startete ihr | |
[2][Projekt] Anfang des Jahres und versucht nach eigenen Angaben, zu jedem | |
Vorfall etwa ein Dutzend Details zu recherchieren. Von der Biografie des | |
Opfers bis zu den Umständen, die zu seinem Tod führten. | |
Die Zahlen der beiden Zeitungen variieren – beim Guardian sind es am | |
Montagnachmittag 1.077 Fälle, bei der Washington Post 921. Das zeigt, wie | |
schwer es ist, eine allumfassende Statistik zu führen. Das Land ist groß, | |
die Vorfälle häufig und die Recherche mühsam. Beide Zeitungen verarbeiten | |
für ihre Daten auch Hinweise von LeserInnen. Die Arbeit der Journalisten | |
ist trotz der abweichenden Zahlen immer noch sehr viel akkurater als die | |
offizielle Zählung des FBI, weshalb sich die Behörde nun genötigt sieht, | |
ihre Statistik zu verbessern. | |
## „Lächerlich und peinlich“ | |
Zwar räumte FBI-Direktor James Comey schon im Oktober ein, dass es | |
[3][“lächerlich und peinlich“ sei], dass die beiden Medienunternehmen | |
bessere Daten erheben als seine eigene Behörde. Doch änderte sich zunächst | |
nichts. Bei einer Anhörung vor dem Justiz-Ausschuss des Senats kündigte | |
Comey dann in der vergangenen Woche an: [4][“Wir brauchen mehr und bessere | |
Daten, wenn es um Schießereien geht, in die Polizisten involviert sind.“] | |
Nur mehr Daten könnten zu einem besseren Umgang mit dem Thema führen, so | |
Comey. Details, in welcher Form die Statistiken verbessert werden sollen, | |
nannte Comey nicht. Bis dato werden vom FBI allerdings nur „gerechtfertigte | |
Tötungen“ in der Statistik erfasst. | |
Also nicht Fälle wie Eric Garner, der im Juli 2014 in New York bei seiner | |
gewaltsamen Festnahme nicht atmen konnte und noch am selben Tag starb. Die | |
nachfolgende Entscheidung der Geschworenen, dass der weiße Polizist Daniel | |
Pantaleo, der den Afroamerikaner Garner tödlich gewürgt hat, nicht vor | |
Gericht muss, löste landesweite Proteste gegen Polizeigewalt aus. | |
Beim Guardian und der Washington Post würde ein solcher Fall in der | |
Statistik geführt. Beide Datenprojekte gehen in ihrer Auflistung auf die | |
Umstände der Schießereien ein – von unbewaffneten Opfern bis hin zu Toten | |
bei Geiselnahmen oder Überfällen. | |
## Problem der Freiwilligkeit | |
[5][Laut Guardian] soll die neue Methode des FBI dem eigenen Projekt „The | |
Counted“ ähneln. Ein Problem bleibt jedoch für die Behörde: Die | |
Polizeistationen und -bezirke sind „nicht verpflichtet, die Vorfälle zu | |
melden“, so Comey bei der Anhörung. Selbst wenn das FBI künftig bessere | |
Daten rund um Vorfälle von Polizeigewalt erheben will, ist es weiterhin | |
darauf angewiesen, dass diese Vorfälle auch berichtet werden. | |
Doch würde ein Todesfall wie der von Eric Garner, der nicht durch eine | |
Waffe starb, Eingang in die Statistik finden? Oder wäre der Tod von Michael | |
Brown aus Sicht derer, die die Daten in ein System einpflegen, eine | |
„gerechtfertigte Tötung“, weil sich der Polizist bedroht fühlte und spät… | |
auch keine Anklage gegen ihn erhoben wurde? Fragen, die das FBI mit der | |
Veröffentlichung ihrer ersten, verbesserten Zahlen, wird beantworten | |
müssen. | |
Die Ankündigung des FBI ist nicht die erste offizielle Reaktion auf die | |
andauernde Polizeigewalt im Land und die Debatte darüber. Im Oktober | |
[6][kündigte Generalstaatsanwältin Loretta Lynch an], dass die | |
Statistikabteilung des Justizministeriums mit Hilfe von Berichten nicht nur | |
von Polizeistationen, sondern auch von anderen Ermittlungsbehörden und | |
Pathologien allumfassendere Statistiken über Polizeigewalt erheben will. | |
Die dadurch gewonnenen neuen Zahlen sollen Anfang 2016 erstmals | |
veröffentlicht werden, um „mehr Transparenz“ zu gewinnen. Transparenz, die | |
für die Opfer zu spät kommt – aber angesichts der andauernden Gewalt in den | |
USA lange überfällig ist. | |
14 Dec 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://www.theguardian.com/us-news/ng-interactive/2015/jun/01/the-counted-p… | |
[2] http://www.washingtonpost.com/graphics/national/police-shootings/ | |
[3] http://www.washingtonpost.com/national/fbi-director-calls-lack-of-data-on-p… | |
[4] http://www.fbi.gov/news/testimony/oversight-of-the-federal-bureau-of-invest… | |
[5] http://www.theguardian.com/us-news/2015/dec/13/justice-department-database-… | |
[6] http://www.justice.gov/opa/pr/attorney-general-lynchuse-force-data-vital-tr… | |
## AUTOREN | |
Rieke Havertz | |
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