| # taz.de -- Bandidos-Prozess in Würzburg: Ein bisschen Meth für den Freistaat | |
| > Ein Rocker wird mit Crystal Meth und einem Messer erwischt. Handelte er | |
| > im staatlichen Auftrag für das LKA? Er behauptet das. | |
| Bild: Bisschen Haare, keine Haare, lange Haare. Vielfalt bei den Bandidos. | |
| WÜRZBURG taz | Würzburg, Landgericht, Sitzungssaal C 017, Montagmittag: Ein | |
| Mann greift zu einem Klappmesser, macht eine kräftige Handbewegung, das | |
| Messer springt auf, und – der Mann ist erstaunt. Von seiner Konstruktion | |
| her, so meint er, sei dieses Messer eigentlich nicht darauf angelegt, sich | |
| auf diese Weise öffnen zu lassen. Er versucht es noch ein paar weitere | |
| Male, jetzt vergeblich. Der Herr heißt Dieter Stiefel und ist | |
| Waffenexperte. Heute erklärt er dem Gericht die Funktionsweise dieses | |
| Einhandmessers der Firma Fox Knives, Typ Trendy. | |
| Das Messer ist ein wesentliches Detail im Prozess gegen Mario F., einem | |
| ehemaligen Mitglied der Regensburger Rockergang Bandidos. Denn genau wegen | |
| dieses Messers wurde der Fall wieder aufgerollt, der schon vor zwei Jahren | |
| hier verhandelt wurde. F. wurde im Sommer 2013 zu einer Haftstrafe von fast | |
| sieben Jahren Haft wegen Drogenhandels und -schmuggels verurteilt. Doch | |
| damals, so befand der Bundesgerichtshof, habe das Gericht nicht genügend | |
| berücksichtigt, dass F. bei einer Schmuggelfahrt von Tschechien nach | |
| Deutschland eben dieses Messer bei sich gehabt habe. | |
| Aber längst geht es bei diesem Prozess um weit mehr als um ein Messer und | |
| zehn Gramm Crystal, die F. am 23. November 2011 für den Boss seiner | |
| Bandido-Gang aus Tschechien nach Bayern geschmuggelt haben soll. Neue | |
| Erkenntnisse lassen die Taten des Rockers in einem ganz anderen Licht | |
| erscheinen. Nicht dass Mario F. nicht dem Bild eines multiplen Straftäters | |
| entsprochen hätte: Drogendelikte, Körperverletzung, Schmuggel, Betrug und | |
| und und... Der Mann hat reichlich auf dem Kerbholz, man möchte ihm nicht | |
| unbedingt nächtens auf der Straße begegnen. Seine stattliche Statur, die | |
| kurzgeschorenen Haare – sie tun das Ihrige, um Mario F. respekt-, wenn | |
| nicht gar furchteinflößend erscheinen zu lassen. | |
| Und doch: Interessanter noch als die Rolle, die F. in dem Fall spielte, mit | |
| dem sich das Landgericht Würzburg nun wieder beschäftigt, ist die von sechs | |
| anderen Herren aus F.s Umfeld. Keine Bandidos – sondern LKA-Beamte. Sie | |
| sollen, so der gewichtige Vorwurf, nicht nur auf die Dienste des Rockers | |
| als V-Mann zurückgegriffen haben, sondern fortlaufend über sein illegales | |
| Treiben informiert gewesen sein, ja ihn sogar zu Straftaten angestiftet | |
| haben. „Alles, was ich getan habe, tat ich im Auftrag des Freistaates | |
| Bayern“, sagte F. gleich zu Prozessbeginn vor vier Wochen. | |
| ## Schmuggeltipps vom LKA | |
| Am Montag legte er noch einmal nach: Auch in dem speziellen Fall habe er | |
| seinem V-Mann-Führer bescheid gegeben. „Ich soll noch für Ralf zum Treffen | |
| zehn Gramm Stoff mitbringen“, habe er ihm in einer E-Mail geschrieben. Vor | |
| der Fahrt nach Tschechien habe er den LKA-Beamten auch noch am Telefon | |
| informiert. Der habe ihn noch gebeten, die Drogen in der Stoßstange oder | |
| unter dem Tankdeckel zu verstecken, damit er bei einer Kontrolle | |
| gegebenenfalls behaupten könne, sie seien ihm untergeschoben worden. | |
| Ganz aus der Luft gegriffen scheinen die Anschuldigungen jedenfalls nicht | |
| zu sein, immerhin wird jetzt gegen die Beamten ermittelt. Auch F.s | |
| Verteidiger machen sich diesen Umstand zunutze: Auch am Montag stellten sie | |
| wieder Beweisantrag um Beweisantrag. So wollen sie interne LKA-Berichte als | |
| Beweise ins Verfahren einführen, LKA-Beamte erneut als Zeugen hören und am | |
| Ende eine Einstellung des Verfahrens erreichen. Ihre Argumentation, die sie | |
| mit Akten aus dem laufenden Ermittlungsverfahren gegen die LKA-Beamten | |
| unterfüttern: F. muss tatsächlich immer geglaubt haben, im Auftrag des | |
| Landeskriminalamts und damit straffrei gehandelt zu haben. | |
| F. hatte zwar auch im ersten Prozess immer wieder betont, das LKA habe von | |
| seinen Straftaten gewusst und ihn mitunter dazu angestiftet. Die Beamten | |
| bestritten diese Darstellung, das Gericht glaubte ihnen. | |
| ## „Ein bisschen Räuberpistole“ | |
| Am Montag waren auch die beiden Polizisten als Zeugen geladen, die F.s | |
| Mercedes im Rahmen einer Schleierfahndung vor vier Jahren im grenznahen | |
| Waldsassen angehalten und kontrolliert haben. Ihnen sei es schon komisch | |
| vorgekommen, dass F. telefoniert habe, als sie an sein Auto herangetreten | |
| seien, sagte der eine Beamte. Er habe dann auch sehr schnell erzählt, dass | |
| er V-Mann sei – was sie allerdings nicht weiter beeindruckt habe. „Das war | |
| ein bisschen Räuberpistole, wenn ich das mal so sagen darf.“ | |
| Inzwischen hat der Fall auch den Landtag in München erreicht. Vor allem | |
| Innenstaatssekretär Gerhard Eck gerät in Bedrängnis. So verlangten die | |
| Grünen in der vergangenen Woche Aufklärung: „Wie haben möglicherweise | |
| namhafte CSU-Politiker Einfluss genommen auf die zunächst versuchte | |
| Vertuschung der Querverweise ins LKA“, fragte die rechtspolitische | |
| Sprecherin, Ulrike Gote. „Gab es hier einen Vorsatz des Staatssekretärs Eck | |
| oder ist ihm das tatsächlich in der Alltagsroutine durchgerutscht?“ Eck, | |
| der auch Chef der Unterfranken-CSU ist, hatte bei dem Prozess vor zwei | |
| Jahren eine Sperrerklärung unterzeichnet, mit der die Weitergabe der | |
| Ermittlungsakte an das Landgericht verhindert wurde. Warum, ist bislang | |
| unklar. Der Landtagsopposition zufolge soll Eck jedoch F.s V-Mann-Führer | |
| persönlich kennen, dessen Frau eine wichtige CSU-Politikerin in | |
| Unterfranken sei. | |
| 7 Dec 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| dominik baur | |
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