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# taz.de -- Prozess gegen LKA-Beamte: Im Auftrag grauer Männer
> In Nürnberg stehen sechs LKA-Beamte vor Gericht. Sie sollen sich über das
> Gesetz hinweggesetzt und einen V-Mann auf Raubzug geschickt haben.
Bild: Polizeibeamte, verheiratet, deutsche Staatsbürger: Drei der sechs Angekl…
Nürnberg taz | Es ist eng im Saal 600 des Landgerichts Nürnberg-Fürth.
Sechs Angeklagte haben am Dienstag an Einzeltischen vis-à-vis der
Richterbank Platz genommen – zwei links, vier rechts. Flankiert werden sie
von ihren 13 Anwälten. Die Anzüge der Angeklagten sind grau, das Haar ist
es größtenteils auch. Die Angaben zur Person sind wenig abwechslungsreich,
ab dem dritten Angeklagten fragt Richter Ulrich Flechtner nur noch: „Auch
Polizeibeamter, verheiratet, deutscher Staatsbürger?“
Dann verlesen die Staatsanwälte eine 25 Seiten lange Anklageschrift. Der
Sachverhalt ist kompliziert. Was den sechs Männern, allesamt Beamten des
bayerischen Landeskriminalamts, vorgeworfen wird, hat es jedoch in sich.
Sollte die Verteidigung die Vorwürfe nicht entkräften können, kann man
getrost von einem LKA-Skandal sprechen.
Die Vorwürfe reichen bis ins Jahr 2011 zurück: Es ist September, die
Bandidos sind mal wieder auf Beutezug, diesmal in Dänemark. Einige Rocker
aus Regensburg haben in Padborg mehrere Minibagger und andere Nutzmaschinen
gestohlen. Die Beute soll einen Wert von 50.000 Euro haben. Mit gefälschten
Frachtbriefen bringen die Bandidos die Maschinen auf zwei Lkws über die
Grenze. Mutmaßliches Ziel: der Kosovo. Eingebaute GPS-Sender ermöglichen es
der Polizei jedoch, das Diebesgut zu orten, auf einer Autobahnraststätte in
der Oberpfalz endet die Fahrt.
Der Raubzug der Rocker ist gewiss keine Bagatelle. Besondere Brisanz erhält
er dadurch, dass auch die sechs LKA-Beamten in ihn verwickelt sein sollen,
die nun in Nürnberg vor Gericht stehen. Denn der Mann, der einen Großteil
der Beute transportierte, war V-Mann des LKA. Und glaubt man ihm, handelte
er im Auftrag seiner dortigen Kontaktleute. Am Ende soll er sogar eine
Aufwandsentschädigung vom Landeskriminalamt bekommen haben: 1.110 Euro. Die
Staatsanwaltschaft Nürnberg glaubt ihm.
Den grauen Männern werden nun Diebstahl, Strafvereitelung im Amt,
uneidliche Falschaussage und Betrug vorgeworfen. Die konkreten
Anklagepunkte variieren jedoch. Zwei Angeklagte sollen ihren V-Mann
explizit mit der Teilnahme an dem Diebstahl beauftragt haben, die anderen
sollen zumindest von der Aktion gewusst und die Ermittlungen verhindert
haben, indem sie der Polizei falsche oder unvollständige Informationen
weitergaben. Dabei sollen auch mehrere Akten gefälscht worden sein.
## Auch Führungskräfte unter den Angeklagten
Unter den 48 bis 59 Jahre alten Angeklagten sind auch Führungskräfte. Einer
von ihnen wurde sogar noch – als die Vorwürfe bereits bekannt waren – zum
Leiter der Sonderkommission zum Oktoberfestattentat ernannt. Mittlerweile
sind alle sechs Beamten vom Dienst suspendiert.
Vorausgegangen sind dem jetzigen Prozess bereits zwei Gerichtsverfahren.
Damals, 2013 und 2016, saß jedoch Mario F., besagter V-Mann, auf der
Anklagebank. Zunächst sah man in ihm nicht viel mehr als ein ehemaliges
Mitglied der Regensburger Bandidos, das mit Drogen handelte. Seine Aussage,
er habe als V-Mann und mit Wissen und Billigung des LKA gehandelt, wurde
als Spinnerei abgetan.
Entsprechende Zeugenaussagen der nun angeklagten BKA-Leute sowie ein
Gutachten, das F. Wahnvorstellungen attestierte, taten ein Übriges. F.
wurde im Sommer 2013 zu einer Haftstrafe von fast sieben Jahren wegen
Drogenhandels und -schmuggels verurteilt. Weil das Gericht jedoch Details
nicht genügend berücksichtigt habe, befand der Bundesgerichtshof, das
Verfahren müsse neu aufgerollt werden.
Glück für Mario F. Denn im zweiten Verfahren ging es dann plötzlich um viel
mehr als um die 10 Gramm Crystal Meth, die er am 23. November 2011 für den
Boss seiner Bandidos-Gang aus Tschechien nach Bayern geschmuggelt haben
soll.
## „Alles im Auftrag des Freistaates Bayern“
Nun ist Mario F. kein Mann, dem man Unschuldsbeteuerungen so ohne Weiteres
abnimmt. Sein Vorstrafenregister ist lang: Drogendelikte, Körperverletzung,
Schmuggel, Betrug. Zweifel sind daher verständlich, wenn dieser Mann
behauptet: „Alles, was ich getan habe, tat ich im Auftrag des Freistaates
Bayern.“ Doch im Laufe des Prozesses zeigte sich, dass F.s Aussage wohl
doch nicht aus der Luft gegriffen war.
Die LKA-Beamten verstrickten sich in Widersprüche, das Gericht wurde
hellhörig. Schließlich ließ es als strafmildernd gelten, dass F. in der Tat
den Eindruck gehabt haben müsse, er könne sich so ziemlich alles
herausnehmen, ohne dafür strafrechtlich belangt zu werden. Statt der
ursprünglichen knapp sieben Jahren Haft bekam der Exrocker im
Revisionsprozess nur noch eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei
Monaten.
Kripo und Staatsanwaltschaft begannen nun zu ermitteln. In Büros und
Wohnungen der LKAler wurden Razzien durchgeführt, wo die Ermittler auch auf
Details zu dem Bagger-Diebstahl stießen.
Lange sollen sie Mario F. immer wieder gedeckt, seine Strafverfolgung
verhindert haben – auch als er auf der Autobahnraststätte mit den
Minibaggern aufgegriffen wurde. Einer der LKA-Männer soll sogar veranlasst
haben, dass der Kilometerzähler eines für F. geleasten Autos zurückgesetzt
wurde, um dem LKA Kosten für Zusatzkilometer zu sparen. Erst als F.
schließlich bei seiner Drogenfahrt geschnappt wurde und in
Untersuchungshaft landete, ließ man ihn fallen. Das ist der
Ermittlungsstand der Staatsanwaltschaft.
## Urteil frühestens im März
Nach Verlesung der Anklage wurde das Verfahren am Dienstag wieder
unterbrochen. „Das überrascht uns jetzt natürlich ein bisschen“, meinte d…
Richter, nachdem die beiden Hauptangeklagten sich nicht zur Sache äußern
wollten. In einem Vorgespräch hätten sie anderes signalisiert. Auf die
Befragung der übrigen Angeklagten müsse sich das Gericht nun erst mal
vorbereiten.
29 Verhandlungstage hat Richter Flechtner schon mal angesetzt. Ein Urteil
dürfte frühestens im März fallen. Allen Angeklagten drohen Haftstrafen von
bis zu fünf Jahren. Worauf sie sich bei ihrer Verteidigung stützen werden,
ließen die Anwälte zunächst offen. Von einer „mutigen Anklage“ sprach Fr…
Heinz, Verteidiger eines der Hauptangeklagten. „Mir fehlen aber noch 500
Blatt Akten.“ Da könne sich sein Mandant noch nicht einlassen.
Ex-V-Mann Mario F. ist dem Vernehmen nach mittlerweile wieder auf freiem
Fuß und befindet sich im Zeugenschutz. Im Dezember soll er vor Gericht auf
seine ehemaligen Kontaktleute treffen – diesmal mit vertauschten Rollen.
7 Nov 2017
## AUTOREN
Dominik Baur
## TAGS
Bandidos
LKA
Landeskriminalamt
Beamte
V-Mann
Schwerpunkt Rechter Terror
LKA
Polizei
Bandidos
Bayern
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