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# taz.de -- Kolumne Apocalypse Now: Ich möchte nicht alles richtig machen
> Mach das Licht aus! Fahr kein Auto! Iss kein Fleisch! Agitation und
> Propaganda werden nicht besser, nur weil sie einer guten Sache dienen.
Bild: Voll umweltfreundlich: Selbst Batman hat sein Batmobil schon abgerüstet
Um Klima soll es also gehen. Dieser Tage, da in Paris am Weltklima
herumgeschraubt wird, sollen die KolumnistInnen mal zeigen, wie es um ihre
ökologische Verfasstheit steht. Wie sie den gedanklichen Zusammenhang
herzustellen in der Lage sind zwischen dem drohenden Untergang des Blauen
Planeten und dem Kerosin-Ausstoß ihres Neuseeland-Flugs zum Beispiel. Denn
untergehen werden wir alle, und Schuld daran tragen wir nicht zu knapp.
Jede und jeder Einzelne.
Ich muss zugeben, dass derlei – also Agitation und Propaganda auch für die
allerbeste Sache (die der ökologische Transformationsprozess zweifellos
sein mag) –, dass derlei in mir heftigen Widerwillen weckt. Auch
Widerstand. Als ideologisch ungefestigte Person tue ich dumme Dinge: zum
Beispiel den Neustart-Knopf am PC drücken, um dann, den Ruhemodus
antizipierend, feierabendlich gestimmt meinen Schreibtisch zu verlassen.
Oder das Licht im Flur anlassen, obwohl ich im Wohnzimmer fernsehe. Oder
einen Diesel fahren, weil er schön ist und schnell.
Ich könnte den Aus-Knopf drücken, das Licht löschen, das Auto abschaffen,
ja. Ich könnte mehr Rad fahren, vegetarisch essen, Energiesparlampen
kaufen. Aber danke, nein, ich möchte das nicht. Alles richtig zu machen
erzeugt in mir das ungute Gefühl, mich in die Hände von unlustigen
Besserwissern zu begeben. Leuten, die mir Tag für Tag klarzumachen
versuchen, dass ich im Rahmen eines wie auch immer gearteten ökologischen
Ablassverfahrens doch noch zu den Guten gehören könnte.
Die aber, zeige ich mich nicht einsichtig, leider nur ein Plätzchen im
Höllensegment für mich bereithalten. Mein Rebellentum in Form von
brennenden Lampen mit alten Glühlampen ist ja an Lächerlichkeit kaum zu
überbieten. Glühbirnen als Ausweis persönlicher Risikobereitschaft – wie
tief kann man sinken im 21. Jahrhundert?
Was in diesem Zusammenhang auch gar nicht funktioniert, ist Ironie. Als ich
kürzlich im Café nebenan an der Theke auf meinen Kuhmilch-Cappuccino
wartete, wurde ich Zeugin, wie die Kellnerin von einer Kundin in recht
barschem Tonfall um Laugenbrezn angegangen wurde. Wie, die habe sie nicht?,
insistierte die Kundin, sie sei Veganerin. Ob denn in diesem Etablissement
rein gar nichts für Veganerinnen vorgehalten würde? Während die Kellnerin
die Auslagen nach Veganem scannte, wandte ich mich an die Kundin und fragte
sie: „Wie wäre es denn mit einem Ei-Baguette?“
Gut, ja, das war so hihi. Ei! Da hätte ich auch Formschinken vorschlagen
können. Aber he, einen Witz wird man noch machen können, oder? Seit der
Begegnung im Café weiß ich: Nein, kann man nicht. Die Bürgerin Veganerin
drehte sich zu mir um, taxierte mich und duzte mich folgendermaßen an:
„Glaubst du wirklich, ich esse das Menstruationsprodukt eines Huhns?
Glaubst du das? Einfach mal ein bisschen nachdenken, ja?!“
Dann stapfte sie hinaus, bestieg ihr lichtloses Manufakturfahrrad und
entschwand in jene Gefilde, wo der sozialökologische Transformationsprozess
in vollem Gange ist und wo sich – das vor allem – eine einfache Veganerin
nicht erklären muss.
2 Dec 2015
## AUTOREN
Anja Maier
## TAGS
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