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# taz.de -- Nervende Möchtegern-Umweltschützer: Die Ritter der Stoffbeutel
> Facebook ist schuld! An Ökohipstern – Besserwissern, die meinen, als
> Einzige die Umwelt zu schützen. Dabei sind sie vor allem eines:
> Opportunisten.
Bild: Sind bei Ökohipstern beliebt: Stoffbeutel mit Aufdruck.
Als Frau ist man ja immer wieder mit Slut-Shaming konfrontiert. Das ist,
wenn sich andere daran stören, dass eine Frau sich etwa „zu früh“ auf eine
Beziehung einlässt, One-Night-Stands hat oder – Gott behüte – zu kurze
Röcke trägt und dann darüber gesprochen wird, als würde das irgendjemanden
einen feuchten Dreck angehen. Kennt man. Eine eher neue und offenbar in
Berlin sehr verbreitete Variante des Shamings ist aber das Öko-Shaming.
Betrieben meist von jungen Menschen, die mit der fordernden Haltung von
Versicherungsvertretern und dem vorwurfsvollen Ton der katholischen Kirche
ihren Lebensstil vor sich hertragen und ihn anderen aufzwängen wollen.
„Menstruationstassen!“ fordern die dann. Und: „Filterkaffee!“ Meist gef…
von: „Habt ihr euch schon mal überlegt, wie umweltschädlich das ist?“ Die
Ähnlichkeit zum Slut-Shaming liegt darin, dass gezielt Unterlegenheit, Reue
und Scham beim Gegenüber hervorgerufen werden sollen.
Besonders häufig ist dieser Typ Mensch in Wohngemeinschaften zu finden,
Alter zwischen 20 und 30 Jahren, Marke Ökohipster. Gäbe es Studien, würden
sie zeigen, dass diese Gruppe von Menschen eine der vielen Ausgeburten der
Facebook-Generation ist. Sie lesen etwas im Internet, oft reicht schon der
Titel eines Artikels aus, und übernehmen dann eine Haltung, weil die
irgendwie klug klingt, irgendwie plausibel ist oder weil ihre
Ökohipster-Freunde eine ähnliche Meinung haben.
Mit etwas Glück ist diese Haltung faktisch auch gar nicht falsch. Dass etwa
Kaffeekapseln überflüssigen Mist machen und Aluminium doof ist, stimmt ja.
Das Problem ist aber, dass diese Ökohipster nun faustschwingend auf ihre
Umgebung losgehen, ohne auch nur eine Sekunde ihren eigenen Lebensstil zu
überprüfen. Da gibt es Kaffeekapselgegner, die weder Müll trennen noch
jegliche Verhältnismäßigkeit im Verbrauch von Alufolie kennen. Da wird
eingewickelt, als gäbe es kein Morgen.
Es ist die Doppelmoral dieser opportunistischen Möchtegern-Umweltschützer,
die einen auf die Palme bringt. Sätze wie „Also ich lese ja nur noch
digital, Zeitungen machen so viel Müll“. Ja, stimmt. Aber dann sollte man
vielleicht auch nicht für jeden Wasserfleck Küchenrolle verwenden, nur weil
die Werbung sagt, das müsse so sein. Und die Stoffbeutel-Ritter! Gute
Sache. Die selbstgebackenen Brötchen frieren sie aber dennoch in
Plastikbeuteln ein, die sie nach einmaligem Benutzen wegwerfen. Aber
Hauptsache, sie fahren mit dem Auto („Dienstwagen!“) zu diesem tollen,
total hippen Supermarkt zwei Stadtteile weiter, in dem man unverpackte
Waren kaufen kann. Standing Ovations.
Am liebsten sprechen die Ökohipster aber darüber, wo man einkaufen darf und
wo nicht. Lidl (böse), H&M (ganz böse) und Kik (teuflisch). Weil:
Ausbeutung der Arbeiter, Kinderarbeit, Chemikalien, Transportwege. Wenn man
so einem Gespräch lauschen darf, macht es einen Heidenspaß, sie ganz tief
einsteigen zu lassen in ihre Vorwürfe und die Empörung. Und wenn sie dann
knietief in ihrer Verachtung für andere stehen, dann wirft man die Frage in
die Runde, was sie eigentlich denken, wo das Koks herkommt, das sie sich
jedes Wochenende so genüsslich ins Hirn ziehen. Das ist Gold wert,
wirklich.
Und dann der neueste Ökotrend: die Menstruationstasse. Tolles Ding, ist aus
Silikon und wiederverwendbar. Spart Geld und vermeidet Müll. Kann man ruhig
machen. Aber auf Frauen, die sich dagegen entscheiden, weil sie es
unangenehm finden oder sie wenig Lust darauf haben, während ihrer Blutung
auf der Bürotoilette zu stehen mit blutverschmierten Händen, wie Freddy
Krueger nach einer erfolgreichen Nacht, wird eingeredet wie auf kranke
Kühe. Und dann geht es wieder von vorne los: Tampons! Was das für einen
Müll macht. Schämt euch!
4 Dec 2015
## AUTOREN
Saskia Hödl
## TAGS
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