| # taz.de -- Erbe des Kolonialismus in Bremen: Saubere „Stadt der Kolonien“ | |
| > Die Stadt Bremen will ihr koloniales Erbe aufarbeiten. Die Umbenennung | |
| > von nach Kolonialherren benannten Straßen ist aber noch kein Thema. | |
| Bild: Koloniales Erbe in neuem Licht: Das Anti-Kolonialdenkmal beim Bremer Haup… | |
| BREMEN taz | Über 100 Jahre nach dem Völkermord der Deutschen an den Herero | |
| und Nama in Namibia will Bremen nun seine koloniale Vergangenheit „kritisch | |
| reflektieren“. Das haben SPD und Grüne verabredet – sie wollen ein | |
| „Erinnerungskonzept“ auf den Weg bringen, das das Parlament im Januar | |
| beschließen soll. | |
| Im Sommer 2014 hatte bereits der Hamburger Senat den Hamburger Historiker | |
| Jürgen Zimmerer beauftragt, die lokale Kolonialgeschichte in einer | |
| Forschungsstelle „Hamburgs Koloniales Erbe. Hamburg und die Frühe | |
| Globalisierung“ wissenschaftlich zu durchleuchten. | |
| Es geht um mehr als nur Symbolpolitik: In der Nazi-Zeit hatte Bremen sich | |
| mit Titel „Stadt der Kolonien“ geschmückt. Auch die kurze deutsche | |
| Kolonialgeschichte in Namibia ist eng mit Bremen verknüpft. Schließlich war | |
| es der Bremer Kaufmann Alfred Lüderitz, der sich das Land 1884 mit | |
| betrügerischen Mitteln und einem unlauteren Vertrag aneignete. Später wurde | |
| daraus „Deutsch-Südwestafrika“. | |
| Nach dem Verlust der Kolonien gab es in Bremen starke neokoloniale Kräfte. | |
| Die bekamen 1932 sogar ein „Reichskolonialehrenmal“ hinter dem | |
| Hauptbahnhof, einen zehn Meter hohen Backstein-Elefanten. Dort wurde der | |
| 1.490 deutschen Soldaten gedacht, die in den Kolonien starben. Erst 1990 | |
| wurde der Elefant zum „Anti-Kolonialdenkmal“ umdeklariert. Heute erinnert | |
| dort das bundesweit einzige Mahnmal an den Genozid in Namibia. | |
| Der als „Lügenfritz“ bekannte Kolonialist Lüderitz wird bis heute in Brem… | |
| mit einer Straße gewürdigt. Zwar gab es seit den 1970er-Jahren immer wieder | |
| Initiativen, sie umzubenennen, doch von offizieller Seite kam dafür keine | |
| Unterstützung. | |
| Die wird es wohl auch künftig nicht geben: SPD und Grüne wollen | |
| Straßennamen mit kolonialem Hintergrund erst einmal nur „ermitteln“ und | |
| „mit Legenden versehen“. Eine Umbenennung sei „sehr schwierig“, sagt der | |
| grüne Landesvorsitzende Ralph Saxe. | |
| Saxe hat schon mal schlechte Erfahrungen gemacht – als er sich für eine | |
| Namensänderung der Karl-Peters-Straße stark machte. Als Kolonialbeamter | |
| hatte Peters sich in Deutsch-Ostafrika die Beinamen „blutige Hand“ und | |
| „Hänge-Peters“ erworben; er wurde unehrenhaft aus dem Dienst entfernt, aber | |
| von den Nazis rehabilitiert. Das gelang nachhaltig: Die AnwohnerInnen in | |
| Bremen wehrten sich erfolgreich gegen eine Umbenennung ihrer Straße. | |
| Schließlich fand sich ein gleichnamiger Strafrechtsreformer, dem sie nun | |
| gewidmet ist. | |
| Und Bremen hat noch mehr koloniale Straßennamen. Nicht immer ist das so | |
| offensichtlich wie in der Togostraße. Die Vogelsangstraße etwa ist nach | |
| einem Bremer Tabakhändler benannt, der ein enger Mitstreiter von Lüderitz | |
| war, die Nachtigalstraße nach einem Reichskommissar für Deutsch-Westafrika, | |
| der Lüderitz‘ Landnahme beglaubigte. Zudem ist Bremen von der Baumwollbörse | |
| bis zur Norddeutschen Mission flächendeckend mit Institutionen und Bauten | |
| kolonialen Ursprungs versorgt. Die kritische Auseinandersetzung damit | |
| artikuliert sich eher punktuell. „Eine klare Linie zur Aufarbeitung der | |
| bremischen Rolle im Kolonialismus fehlt bislang“, geben auch die Grünen zu. | |
| „Wir wollen eine Bremer Strategie zur Erinnerungskultur entwickeln“, heißt | |
| es dazu im rot-grünen Koalitionsvertrag. Zu der gehört auch, dass das | |
| Übersee-Museum, das früher mal „Deutsches Kolonial- und Übersee-Museum“ | |
| hieß, einen „Ausstellungsschwerpunkt“ unter besonderer Berücksichtigung d… | |
| Bremer Rolle im Kolonialismus machen soll, wie SPD und Grüne verabredet | |
| haben. | |
| Im grünen Wahlprogramm ist zudem von der „zu Recht aufgeworfenen Frage nach | |
| materiellen Entschädigungen“ die Rede. In dem gemeinsamen Papier mit der | |
| SPD nicht. Es fordert nur, dass Bremen sich auf Bundesebene dafür einsetzt, | |
| „dass der Völkermord an den Nama und Herero offiziell anerkannt wird“. Das | |
| könne dann mit Entschädigungen zu tun haben, so Saxe – oder mit | |
| Hilfsgeldern für betroffene Gruppen oder Regionen. Die Grünen appellieren | |
| auch an jene Kaufmannsfamilien, die einst vom Kolonialismus profitierten. | |
| Eine echte Forderung formulierten sie aber nicht. | |
| 15 Dec 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Jan Zier | |
| ## TAGS | |
| Völkermord | |
| Schwerpunkt Völkermord an den Herero und Nama | |
| Kolonialismus | |
| US-Sklaverei-Geschichte | |
| Deutscher Kolonialismus | |
| Bremen | |
| Kolonialismus | |
| Kolonialismus | |
| Kolonialismus | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Bloß keine Geschichte: Der Mythos der sauberen Baumwolle | |
| Mit rhetorischen Tricks kontert die Bremer Baumwollbörse | |
| Rassismus-Vorwürfe. Die eigene Rolle bei der Versklavung wird am World | |
| Cotton Day ignoriert. | |
| Koloniale Vergangenheit und Gegenwart: Schleppende Aufarbeitung | |
| Nach drei Jahren bilanziert der Senat den Stand der Aufarbeitung von | |
| Hamburgs kolonialer Vergangenheit. Linksfraktion nennt Ergebnisse | |
| „peinlich“ | |
| Kolonialistisches Bremen: Neue Straßen braucht die Stadt | |
| Das rot-grüne Bremer „Erinnerungskonzept“ ist noch nicht einmal | |
| beschlossen, da kommen schon kritische Töne aus der Community. | |
| Virginie Kamche über Aufarbeitung der Kolonialzeit: „Wir wurden nicht gefrag… | |
| Früher war Bremen „Stadt der Kolonien“. Jetzt will Rot-Grün diese | |
| Geschichte aufarbeiten. Die afrikanische Community ist außen vor. | |
| Post-koloniale Identitäten: Lügenfritz soll bleiben | |
| Namensstreit in Namibia: Die Stadt Lüderitz, nach einem Bremer Kaufmann | |
| benannt, heißt jetzt Namiǂnûs. Doch die Ex-Lüderitzer wehren sich dagegen. | |
| Bremen und das koloniale Erbe: Ein Nazifant lernt um | |
| Viel zivilgesellschaftliche Initiative, wenig aus der Politik: Das | |
| koloniale Erbe Bremens gleicht dem in Hamburg, nicht aber sein Umgang | |
| damit. | |
| Kolonialgeschichte in Hamburg: Die Früchte jahrelanger Debatten | |
| Hamburg will sich mit seiner Kolonialgeschichte beschäftigen. Die | |
| Perspektive der Leidtragenden werde ausgeblendet, beklagen Verbände. |