# taz.de -- Kolonialistisches Bremen: Neue Straßen braucht die Stadt | |
> Das rot-grüne Bremer „Erinnerungskonzept“ ist noch nicht einmal | |
> beschlossen, da kommen schon kritische Töne aus der Community. | |
Bild: Muss saniert werden: Der zum Anti-Kolonialdenkmal umfunktionierte Backste… | |
BREMEN taz | Bremen muss dekolonialisiert werden! Das verlangt ein Bündnis | |
zivilgesellschaftlicher Akteure und WissenschaftlerInnen in Bremen. Zwar | |
will auch rot-grün ein „Erinnerungskonzept“ auf den Weg bringen – das so… | |
die Stadtbürgerschaft noch im Februar beschließen. Über den konkreten | |
Umgang Bremens mit seinem kolonialen Erbe Bremens gehen die Meinungen aber | |
schon auseinander. | |
In der Initiative „Decolonize Bremen“ haben sich neben Einzelpersonen auch | |
der Flüchtlingsrat und das Afrika Netzwerk Bremen (ANB) | |
zusammengeschlossen. Sie verlangen, dass die Gruppen der afrikanischen und | |
schwarzen deutschen Community und MigrantInnen „von Anfang“ und | |
„maßgeblich“ in die Erarbeitung des Erinnerungskonzeptes einbezogen werden. | |
Das hat schon mal nicht geklappt: Zwar begrüßt das seit über einem Jahr | |
bestehende Bündnis den Vorstoß von Rot-Grün, doch weder mit dem ANB noch | |
mit „Decolonize Bremen“ haben die Koalitionspolitiker vorher gesprochen, | |
sagte die Kulturwissenschaftlerin Kim Ronacher als Vertreterin des | |
Bündnisses der taz. | |
## Ähnlich wie in Hamburg | |
In Hamburg lief es 2014 ähnlich. Auch dort initiierte der Senat eine | |
Aufarbeitung der lokalen Kolonialgeschichte – und Nachfahren der Opfer von | |
Kolonialismus und Rassismus klagten, dass sie von der Mitarbeit | |
ausgeschlossen worden seien. „Das soll hier nicht passieren“, so Ronacher. | |
Konflikte deuten sich bereits bei der Diskussion um jene Straßen an, die | |
Bremer für ihr koloniales Engagement ehren. Und davon gibt es einige. Bei | |
der Lüderitz- oder der Vogelsangstraße „bedarf es unseres Erachtens einer | |
Umbenennung, um ein ernsthaftes Zeichen zu setzen“, schreibt das Bündnis. | |
Der „Lügenfritz“ genannte Bremer Kaufmann Alfred Lüderitz eignete sich das | |
spätere „Deutsch-Südwestafrika“ und heutige Namibia 1884 mit betrügerisc… | |
Mitteln an. Der Tabakhändler Heinrich Vogelsang war einer seiner | |
Mitstreiter, der ebenfalls mit einer Straße in Bremen geehrte Gustav | |
Nachtigal beglaubigte als Reichskommissar für „Deutsch-Westafrika“ | |
Lüderitz’Landnahme. | |
## Umbenennung sei „schwierig“ | |
Diese Straßen sollten umbenannt werden, fordert auch Virginie Kamche, die | |
Vorsitzende des ANB. SPD und Grüne sind dagegen: Sie wollen Straßennamen | |
mit kolonialem Hintergrund erst mal nur „ermitteln“ und „mit Legenden | |
versehen“. Eine Umbenennung sei „sehr schwierig“, sagt der grüne | |
Landesvorsitzende Ralph Saxe, Vorsitzender des Vereins „Der Elefant“, der | |
sich um das frühere Reichskonialehrendenkmal des Nazi-Bildhauers Fritz Behn | |
kümmert (siehe Kasten). | |
Das Bündnis geht sogar noch weiter: Um den historischen Bezug zu wahren, | |
müssten die neuen Straßennahmen Personen ehren, die in den deutschen | |
Kolonien Widerstand gegen Kolonialismus geleistet haben. Nur bei Straßen | |
wie der Togo- oder der Kamerunstraße will „Decolonize Bremen“ auf eine | |
Umbenennung verzichten. | |
Für „problematisch“ hält Ronacher auch, was Bremen mit der | |
Karl-Peters-Straße gemacht hat: Der Kolonialbeamte hatte sich drastischer | |
Menschrechtsverbrechen in „Deutsch-Ostafrika“ schuldig gemacht, wurde aber | |
von den Nazis rehabilitiert. Heute ist die Straße einem zufällig | |
gleichnamigen Strafrechtsreformer gewidmet. Die AnwohnerInnen wehrten sich | |
heftig gegen eine Namensänderung – obwohl der Senat alle privaten | |
Änderungskosten übernehmen wollte. Auch Saxe war seinerzeit für die | |
Umbenennung. | |
## Verbindungen zu heutigen Problemen | |
„Für die Dekolonialisierung spielen Denkmäler, Benennungen und Straßennamen | |
eine zentrale Rolle“, so das Bündnis, das zugleich Verbindungen zu heutigen | |
politischen Problemen thematisieren will: Es genügt nicht, „nur die | |
koloniale Spuren im Stadtbild sichtbar zu machen“. | |
„Decolonize Bremen“ will deshalb 2017 zwei Ausstellungen nach Bremen holen, | |
begleitet von einem großen Rahmenprogramm: „Homestory Deutschland – | |
Schwarze Biografien in Geschichte und Gegenwart“ und „freedom roads“, eine | |
Ausstellung zu kolonialen Straßennamen. Die Finanzierung der beiden | |
Projekte ist noch offen, so Ronacher. | |
12 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Jan Zier | |
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