# taz.de -- Regierungskritische Presse in der Türkei: Unliebsames aus dem Weg | |
> Der Chefredakteur von „Cumhuriyet“ und sein Büroleiter wurden verhaftet. | |
> Ihr Blatt hatte über Waffenkonvois nach Syrien berichtet. | |
Bild: Das Vorgehen der Justiz sei für ihn und seinen Kollegen eine „Ehrenmed… | |
Istanbul taz | „Ein schwarzer Tag für die Presse“ titelt die wichtigste | |
regierungskritische Tageszeitung Cumhuriyet heute und stellt ein Foto ihres | |
Chefredakteurs Can Dündar dazu. Denn seit Donnerstagabend sitzt Can Dündar | |
gemeinsam mit dem Chef des Hauptstadtbüros der Zeitung, Erdem Gül, im | |
Knast. Am Morgen waren beide noch relativ optimistisch zur Vernehmung bei | |
dem zuständigen Gericht gefahren, am Abend gab es von Optimismus keine Spur | |
mehr. Angeklagt werden Dündar und Gül wegen Spionage, Mitgliedschaft in | |
einer Terroristischen Vereinigung und dem Versuch, die Justiz zu | |
manipulieren. Beiden droht lebenslange Haft. | |
Der konkrete Anlass ist eine große Enthüllungsgeschichte, die Cumhuriyet | |
Ende Mai diesen Jahres, kurz vor den Wahlen am 7. Juni 2015 präsentierte. | |
Es geht um die geheime Bewaffnung syrischer Islamisten durch die Türkei, | |
genauer gesagt, durch den türkischen Geheimdienst MIT. Es geht um die | |
Hintergründe eines großen Waffentransportes, der im Januar 2014 aufgeflogen | |
war, weil Polizisten mehrere LKW's, die auf dem Weg zur syrischen Grenze | |
waren, stoppten und feststellten, dass sie bis oben hin voller Waffen | |
waren. | |
Schnell stellte sich allerdings heraus, dass der Waffentransport vom MIT | |
organisiert war und von MIT-Leuten begleitet wurde. Da die Polizisten mit | |
der Unterstützung örtlicher Staatsanwälte dennoch darauf bestanden, die | |
LKWs zu beschlagnahmen, wurden sie und die beteiligten Staatsanwälte vom | |
Dienst suspendiert und später in einem Geheimverfahren angeklagt und | |
verurteilt. | |
Die Sache schien unter den Teppich gekehrt als Cumhuriyet plötzlich, mehr | |
als ein Jahr später und dazu noch kurz vor den Wahlen, plötzlich | |
spektakuläre Fotos der Beschlagnahmeaktion präsentierte, auf denen der | |
Waffentransport dokumentiert wurde. Präsident Recep Tayyip Erdogan, der die | |
Waffentransporte noch als Ministerpräsident verantwortet hatte, reagierte | |
auf höchste erbost über die Enthüllungsgeschichte von Cumhuriyet. | |
„Diejenigen, die diese Story geschrieben und platziert haben, werden dafür | |
einen hohen Preis zahlen“, sagte er zwei Tage nach der Veröffentlichung. | |
Auf seine persönliche Anweisung, wurde daraufhin die Anklage gegen Dündar | |
und Gül vorbereitet. [1][Nach dem Wahlsieg der AKP am 1. November 2015] | |
können beide nicht mehr auf Nachsicht hoffen. | |
## Weitere Journalisten im Visier | |
Dabei ist Can Dündar einer der führenden Intellektuellen des Landes. Bevor | |
er 2013 als Chefredakteur bei Cumhuriyet anheuerte und das Blatt für | |
etliche kritische Kollegen, die woanders rausgeflogen waren, öffnete, | |
drehte er wichtige Dokumentarfilme, veröffentlichte Bücher und präsentierte | |
Talk-Shows im Fernsehen. Die Solidarität sämtlicher aufrechter Journalisten | |
und Autoren des Landes ist ihm sicher, doch solange Erdogan Präsident ist, | |
wird ihm das nicht viel nutzen. | |
Außer der Verhaftung von Can Dündar und Erdem Gül wurde gestern noch | |
bekannt, dass auch gegen den Chefredakteur der englisch-sprachigen Zeitung | |
Today´s Zaman, Bülent Kenes, und gegen die beiden Herausgeber der | |
Wochenzeitung Nokta, die bereits vor drei Wochen verhaftet worden waren, | |
Anklage erhoben wird. Die Nokta-Leute, Cevheri Güven und Murat Capan, | |
sollen jeweils für 20 Jahre ins Gefängnis, weil sie am 2. November 2015 mit | |
einer Titelseite aufmachten, auf der neben einem Foto von Erdogan stand: | |
„Der 2. November (also der Tag nach der Wahl) ist der Beginn des | |
Bürgerkrieges“. Bülent Kenes soll für 8 Jahre ins Gefängnis, weil er | |
angeblich über Twitter Erdogan mehrfach beleidigt hat. | |
27 Nov 2015 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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