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# taz.de -- Kuschen vor rechter Stimmungsmache: Wir schaffen das! Oder nicht?
> Aus Angst vor dem Erstarken von AfD und Pegida kommt die Mitte der
> Gesellschaft deren Argumenten entgegen. Was soll der Blödsinn?
Bild: AfD-Demo in Erfurt: Politik aus der Vergangenheit für Menschen mit Zukun…
Kaum ein Politiker benutzt das Argument offen, es bleibt Medien und
Analysten vorbehalten, es auszusprechen: Wenn der „unkontrollierte
Flüchtlingszustrom“ nicht bald aufhöre, heißt es, erreicht die
rechtsextreme AfD in den Umfragen bald 20 Prozent. Und das könne doch
keiner wollen.
Für die CDU/CSU mag das ein Argument sein, nicht ehrbar, aber wahlrational
nachvollziehbar. Für den Rest der Gesellschaft aber ist das so, als würde
ein Fußballtrainer als Taktik ausgeben: Bitte lasst den Gegner schnell ein
Tor schießen, sonst schießt er womöglich fünf. Wie man es dreht und wendet:
Es ergibt einfach keinen Sinn. Außer, man ist sich eigentlich mit den
Rechten einig.
Als wäre es ein unabwendbares Naturgesetz, raunt es quer durch das gesamte
Parteienspektrum: Die Stimmung kippt, und je mehr Geflüchtete kommen, desto
schneller kippt sie. Selbst in den Helferstrukturen, die sich inzwischen
oft genug rechtsextremen Bedrohungen ausgesetzt sehen, macht sich das
Gefühl breit, das NPD, Pegida und AfD verbreiten wollen: Angst. Nicht vor
den Flüchtlingen, sondern vor den Nazis. Also: lieber nicht provozieren.
Aber die Stimmung kippt nicht von allein, sie wird gekippt. Wer – außer den
inzwischen tatsächlich oftmals sehr erschöpften HelferInnen – hat denn
tatsächlich durch die Ankunft Geflüchteter eine Veränderung in seinem Leben
erfahren? Okay, die eine oder andere Turnhalle steht vorübergehend nicht
mehr für Schul- und Vereinssport zur Verfügung. Aber sonst? Es ist ja kein
Zufall, dass die Rechten in aller Regel mit konstruierten oder schlicht
erfundenen Horrorgeschichten operieren müssen, um die Ablehnung zu
erzeugen, die sie wollen. Und Focus Online, Horst Seehofer und mitunter der
Bundesinnenminister köcheln mit.
Im Ergebnis heißt das: Aus Angst vor Krieg und Terror fliehen die Menschen
zu uns. Mit der Angst mancher Deutscher vor dem Fremden spielen die
Rechten. Aus Angst vor dem Anwachsen der Rechten kuscht die Mitte. Eine
sehr kleine Gruppe sehr schlechter Menschen schafft es, die Politik vor
sich herzutreiben.
Es ist, als ob diese Mitte es tatsächlich glauben würde, wenn Pegida und
AfD „Wir sind das Volk“ brüllen. Das trifft sich mit dem Diskurs früherer
antideutscher Linker, die sich auch nie vorstellen konnten, dass das
deutsche Volk anders als faschistisch sein könnte.
Aber sind nicht jene Tausende, die Spenden sortieren, Deutschkurse anbieten
oder Geflüchtete privat bei sich aufnehmen, auch „das Volk“? Und ist das
nicht bitte das Volk, auf das die moderne Bundesrepublik hören sollte? Gibt
es nicht genau dafür jedes Jahr Hunderte Bundesverdienstkreuze – und nicht
fürs „besorgte“ Herumjammern?
Wie kommt es, dass die Politik und manche Meinungsmacher so dermaßen das
Vertrauen in sich selbst verloren haben, in die eigene Führungsfähigkeit?
Oder sind sie im Grunde doch selbst davon überzeugt, dass Deutschland „das
nicht schafft“? Oder selbst Jammerlappen, die sich nur hinter der Sorge vor
einer erstarkenden Rechten verstecken?
## Neues Selbstverständnis zeigen
Viele, die sich seit Monaten in der Flüchtlingshilfe engagieren, hatten
dafür – neben unmittelbar menschlichen – auch das Motiv, sich selbst und
dem Rest der Welt ein neues deutsches Selbstverständnis zu zeigen. Das
sollte heißen: Wir wissen, dass wir eines der reichsten Länder der Welt
sind, wir wissen, dass unser Reichtum ein Teil Eurer Armut ist und unsere
Waffen eure Kriege möglich machen, wir sind bereit, etwas abzugeben, wir
helfen und teilen. Volk halt.
Von rechts heißt es, diese Menschen seien „naiv“. Naiv jedoch ist es, zu
glauben, dass der Rest der Welt immer unbewohnbarer werden könne, ohne dass
man das bei uns irgendwie merkt. Mit dieser simplen Wahrheit aber vor die
eigenen Wähler zu treten trauen sich nicht einmal mehr die Grünen. Das wäre
wie fünf Mark für den Liter Benzin und einen Veggieday auf einmal zu
fordern.
Es ist kein Naturgesetz, wenn das Volk nach rechts driftet. Es ist
mangelnder Widerstand. Auch das hatten wir übrigens schon einmal.
24 Nov 2015
## AUTOREN
Bernd Pickert
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