| # taz.de -- Fernsehen war gestern: Wo sich die Zielgruppe selbst zusieht | |
| > Weil er einen Wegweiser für Web-Serien vermisste, rief der Hamburger | |
| > Filmemacher Dennis Albrecht die Internetplattform „Unsere Serien“ ins | |
| > Leben. | |
| Bild: Sitkom aus Hamburg-Wilhelmsburg: „Kumbaya!“ von und mit Sebastian Dro… | |
| Bremen taz | Das Fernsehen findet immer mehr im Internet statt: Bei den | |
| öffentlich-rechtlichen Sendern liegt das Durchschnittsalter des Publikums | |
| heute um die 60 Jahre, und Fernsehserien sind zwar so beliebt wie nie, aber | |
| „Game of Thrones“ und „Breaking Bad“ sehen die wenigsten in der klassis… | |
| Glotze. Der Video-on-Demand-Anbieter Netflix produziert inzwischen | |
| Erfolgsserien wie „House of Cards“, auch der irgendwann als Buchhändler | |
| gestartete Versandkonzern Amazon liefert inzwischen eigenen | |
| Bewegtbild-Content. | |
| Aber auch immer mehr unabhängige Filmemacher produzieren eigene Web-Serien, | |
| die dann auf Plattformen wie Youtube und Vimeo laufen. Dort aber auch nicht | |
| ohne Weiteres gefunden werden: Diese Erfahrung machte etwa Dennis Albrecht | |
| aus Hamburg-Harburg: Mit „Filmstadt“ hat er eine Serie über die örtliche | |
| Film- und Fernsehbranche gedreht, die zwar von Insidern geschätzt wird | |
| –aber kaum angeklickt. | |
| Ähnlich geht es anderen Filmemachern, die unabhängig Serien produzieren und | |
| ins Netz stellen: Lange wurden sie im unübersichtlichen Überangebot kaum | |
| wahrgenommen. Es fehlte eine Plattform für dieses Schaffen. | |
| Mit „Unsere Serien“ gründete Albrecht diese Plattform beziehungsweise, so | |
| versteht er es selbst, stellte einen Wegweiser auf. Die Serien werden dort | |
| nicht direkt hochgeladen, sondern man verlinkt auf die einschlägigen, | |
| marktbeherrschenden Portale. 16 Serien präsentiert [1][www.unsereserien.de] | |
| zurzeit, davon sind neun Comedy –nicht weiter überraschend, denn mit guten | |
| Lachern lassen sich im Netz Klicks einheimsen. | |
| Fünf der Serien wurden im Hamburg oder von Hamburgern gedreht, was nur | |
| bedingt damit zu tun hat, dass Albrecht in seiner Heimatstadt besonders gut | |
| vernetzt wäre. Seine eigene „Filmstadt“ zeigt ja gerade, wie viele kreative | |
| Regisseure, Schauspieler und sonstige Filmschaffende sich mit schlecht | |
| bezahlten Jobs und großen Träumen in der Medienstadt durchschlagen. | |
| Der Witz dabei: Das Thema spiegelt sich auch in den Produktionsbedingungen | |
| wider: Albrecht kann eine fünfteilige Staffel mit bescheidenen 8.000 Euro | |
| drehen, weil er in allen Gewerken Kollegen und Freunde hat, die unbezahlt | |
| mitarbeiten. Und vor der Kamera machen viele aus Fernsehserien bekannte | |
| Darsteller wie Anika Lehmann und Niklas Osterloh aus „Rote Rosen“ und | |
| Thomas M. Held aus „Sechserpack“ mit –weil sie sich hier mal ganz anders | |
| ausdrücken können. | |
| In „Filmstadt“ erzählt Albrecht von den demütigenden Castings einer | |
| arbeitslosen Schauspielerin; vom Ex-Regie-Studenten, der nun in einer | |
| Videothek jobbt; einem Komparsen, der seine winzigen Auftritte groß redet | |
| –und einem arroganten Produzenten, der mit einem teuren Serienprojekt | |
| spektakulär gegen die Wand fährt. Der Filmemacher kennt sich in dem Milieu | |
| aus und so bietet seine Serie einen authentischen Einblick. Dass er damit | |
| auch auf der eigenen Plattform kein „Klickmillionär“ werden dürfte, weiß | |
| Albrecht selbst: Ruhig inszenierte, eher anspruchsvolle Formate wie das | |
| seine sind im Netz eher nicht beliebt. | |
| Den dort verbreiteten Sehgewohnheiten entspricht da schon eher die | |
| Comedy-Serie „Kumbaya!“, von der bislang neun Folgen à zwölf Minuten in | |
| Hamburg-Wilhelmsburg gedreht wurden. Es ist eine Sitcom im doppelten Sinn | |
| des Wortes: Zum einen ist es eine Situationskomödie, bei der eine kleine | |
| Gruppe von möglichst komischen Charakteren in komische Situationen gestellt | |
| wird. Zum anderen wird darin aber auch einfach wirklich viel gesessen: Ein | |
| Running Gag besteht darin, dass einer der Protagonisten nie von seinem | |
| Platz auf dem Sofa aufsteht. | |
| Im Grunde wird hier über eine Wohngemeinschaft von vier Freaks erzählt, die | |
| komödiantische Fallhöhe besteht dabei darin, dass zwei von ihnen –mit den | |
| Namen David und Jacob –eine Internetreligion gegründet haben und ein | |
| Tischler namens Jesus ihnen dabei helfen soll, eine Kirche zu bauen. Die | |
| beiden Drehbuchschreiber Sebastian Droschinski und Nik Buckenauer spielen | |
| selbst die Protagonisten, gedreht wurde hauptsächlich in der Wohnung von | |
| Buckenauers Mutter. In inspirierten Momenten sind die beiden sehr witzig, | |
| das macht „Kumbaya!“ zur besten Entdeckung auf der Serienplattform. | |
| Eher trocken ist der Humor der Serie „C.A.T – Comic & Actionfigures Team“, | |
| die in einem real existierenden Comicladen in Hamburg-Hoheluft-West gedreht | |
| wurde. In etwa fünf Minuten langen Episoden zeigt sie, wie schwierig und | |
| speziell die Kundschaft eines solchen Geschäfts sein kann: Einer der | |
| Verkäufer trägt ständig ein Superhelden-Kostüm, und viele der Witze über | |
| Comicreihen und Actionfiguren werden wohl auch nur Eingeweihte verstehen. | |
| So ist die Kundschaft des Ladens zugleich auch das Zielpublikum der | |
| Miniserie. | |
| Ein Vampir- und ein Mystery-Thriller, Science-Fiction und Horror-Comedy: | |
| Auch mit dem weiteren Angebot stellt „Unsere Serien“ überwiegend Formate | |
| vor, wie maßgeschneidert für das junge Publikum im Netz. | |
| Mit der Serie „Role Up“ findet sich gleich daneben aber auch ein Beispiel | |
| für klassisch inszenierten Dokumentarfilm: Die Hamburger Filmemacherinnen | |
| Susanne Harnisch und Frauke Vogel haben Kurzporträts von Frauen gedreht, | |
| die sich in von Männern dominierten Berufen behaupten: In jeweils fünf | |
| Minuten werden etwa eine Regisseurin, eine Rapperin und eine | |
| Poetry-Slammerin vorgestellt. Solche sorgfältigen Blicke auf die Realität | |
| wurden früher im „richtigen“ Fernsehen gerne gezeigt. Jetzt gibt es auch | |
| für sie einen Zufluchtsort: im Netz. | |
| 18 Nov 2015 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://unsereserien.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Wilfried Hippen | |
| ## TAGS | |
| Film | |
| Serien-Guide | |
| Serien | |
| Video-on-demand | |
| Online-Medium | |
| House of Cards | |
| Netflix | |
| Game of Thrones | |
| Dokumentarfilm | |
| kino.to | |
| Superhelden | |
| House of Cards | |
| Jugendkanal | |
| Serien | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| US-Serie „House of Cards“, neue Staffel: Es war einmal in Washington | |
| Am Freitagabend startet die vierte Staffel um den US-Präsidenten Frank | |
| Underwood. Die reale Politik hat sie längst eingeholt. | |
| Weltweite Expansion von Netflix: Online-Glotze für fast alle | |
| Der Videodienst Netflix ist jetzt in 130 neuen Ländern verfügbar. Indien, | |
| Polen, Russland, Nigeria und Aserbaidschan gehören dazu – China noch nicht. | |
| Internet-Piraterie bei US-Serien: Game of Thrones bleibt ungeschlagen | |
| Auch in diesem Jahr war „Game of Thrones“ wieder die Serie mit den meisten | |
| illegalen Downloads. Deren Zahl steigt insgesamt weiter an. | |
| Am Rande der Gesellschaft dokumentiert: Genauer Blick aufs Extreme | |
| Roma an einer Müllkippe, die Insassen einer Leprastation, lebenslang | |
| Inhaftierte: Andrei Schwartz interessieren Menschen, die an besonderen | |
| Orten leben. | |
| Kinox.to-Betreiber angeklagt: Raubkopie der Raubkopierer? | |
| Einer der drei Hauptbetreiber von Kinox.to steht vor Gericht. Ihm drohen | |
| bis zu 15 Jahre Haft. Seine mutmaßlichen Komplizen sind flüchtig. | |
| Neue TV-Serie „Supergirl“ auf CBS: Eine zeitgemäße Superheldin | |
| Selbstbewusst, modern und gendersensibel: US-Produzent Greg Berlanti zeigt | |
| in der neuen CBS-Serie „Supergirl“, dass er das Genre beherrscht. | |
| Das neue Pay-TV: Schlacht um die Rechte | |
| Klassisches Fernsehen ist von neuen Internetanbieter noch nicht bedroht – | |
| aber das Pay-TV. Das führt zu einem Boom hochwertiger Filme und Serien. | |
| Jugendangebot von ARD und ZDF: Jenseits der Glotze | |
| Den öffentlich-rechtlichen Jugendkanal gibt es nur im Netz. Sein Chef, | |
| Florian Hager, war bislang bei Arte für die Verknüpfung von TV und Internet | |
| verantwortlich. | |
| Der sonntaz-Streit: Macht Netflix das Fernsehen besser? | |
| Serien gucken, wann, wie und wo man will. In den USA ist Netflix bereits | |
| Marktführer. Jetzt kommt der Online-Video-Dienst nach Deutschland. |