# taz.de -- Frankreich fordert EU-Beistand ein: Sicherheitspolitisches Neuland | |
> Erstmals in der Geschichte der EU fordert ein Mitgliedsland den Beistand | |
> der Partnerländer ein. Erste Reaktionen sind von Vorsicht geprägt. | |
Bild: Paris nach dem Terroranschlag: Die EU-Staaten sind zum Beistand aufgerufe… | |
Brüssel taz | Zum ersten Mal in ihrer Geschichte hat die EU einem | |
Mitgliedsland Beistand zugesagt – nämlich Frankreich im Kampf gegen den | |
Terror des sogenannten Islamischen Staats (IS). „Europa steht vereint“, | |
erklärte EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini in Brüssel. „Frankreich hat | |
um die Hilfe der EU gebeten, und ganz Europa hat dies heute einstimmig | |
zugesichert.“ | |
Was das konkret bedeutet, blieb zunächst unklar. Laut | |
Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat Paris bisher keine | |
konkreten Forderungen gestellt. Berlin sei bereit, die Führung in der | |
Minusma-Mission in Mali (Westafrika) zu übernehmen, um Frankreich zu | |
entlasten. Ihr französischer Kollege Jean-Yves Le Drian habe positiv auf | |
das Angebot reagiert. | |
Allerdings ist die deutsche Präsenz in Mali bisher bescheiden: Die | |
Bundeswehr leistet nur unterstützende Dienste mit neun Soldaten. Wie viel | |
Personal Berlin zusätzlich schicken könnte, sagte von der Leyen nicht. | |
Zudem hatte die Bundesregierung die Aufstockung bereits im Oktober | |
angekündigt. Bis sie umgesetzt wird, dürften noch einige Wochen vergehen. | |
Dass Frankreich um EU-Beistand gebeten hat, sei ein starkes politisches | |
Signal, so von der Leyen. Es bedeute jedoch nicht, dass alle | |
Mitgliedsstaaten in den Kampf ziehen müssen. Vielmehr seien zunächst | |
bilaterale Konsultationen zwischen Frankreich und den EU-Partnern geplant. | |
Der Vorteil der EU sei, dass sie im Kampf gegen den Terror nicht nur auf | |
militärische Maßnahmen setze. | |
Frankreich hatte nach den Terrorangriffen in Paris zunächst erwogen, die | |
Hilfe der Nato anzufordern. Dies hätte jedoch die laufenden | |
Syrien-Gespräche in Wien gefährden können, sagten EU-Diplomaten. Einige | |
Länder wie Russland lehnen einen Nato-Einsatz in Syrien strikt ab. Andere, | |
wie die Türkei, haben dem Bündnis im Kampf gegen den IS immer wieder Steine | |
in den Weg gelegt. | |
## Die Einzelstaaten sind gefordert | |
Gemäß der EU-Beistandsklausel, die in Artikel 42 (7) des Lissabon-Vertrags | |
enthalten ist, leisten die EU-Staaten „alle in ihrer Macht stehende Hilfe“, | |
wenn ein Mitglied Ziel eines bewaffneten Angriffs ist. Der Angriff muss von | |
der EU festgestellt werden, was die Außenbeauftragte Federica Mogherini | |
denn auch tat. Damit muss aber nicht die EU als ganzes eingreifen, vielmehr | |
sind die einzelnen Staaten gefordert. | |
Ganz anders ist der Nato-Bündnisfall gelagert. Er ist in Artikel 5 des | |
Nato-Vertrags geregelt und sieht vor, dass sich alle Alliierten im Falle | |
eines Angriffs militärisch beistehen. Der Nato-Bündnisfall wurde nach den | |
Attacken auf New York am 11. September 2001 ausgelöst. | |
## Militärische Abenteuer | |
Die Frage ist nun, ob die Beistandsklausel, mit der die EU | |
sicherheitspolitisches Neuland betritt, tatsächlich funktioniert. Werden | |
Deutschland und die anderen Mitgliedsländer tatsächlich alles tun, was in | |
ihrer Macht steht, um Frankreich beizustehen? Reicht die Aufstockung der | |
deutschen Präsenz in Mali aus – oder muss Berlin schon bald nachbessern? | |
Dazu wollte sich von der Leyen zunächst nicht äußern. „Ich werde mit | |
Jean-Yves jetzt in vertiefte bilaterale Gespräche gehen“, kündigte die | |
CDU-Politikerin an. Offenbar möchte sich die Ministerin nicht in | |
militärische Abenteuer ziehen lassen. | |
Auch andere EU-Länder reagierten vorsichtig. Luxemburg, das derzeit der EU | |
vorsitzt, versprach den „französischen Freunden“ zwar „Hilfe und | |
Solidarität“. Verteidigungsminister Étienne Schneider warnte aber auch, man | |
dürfe nicht in die IS-Falle gehen und Europas Muslime diskriminieren. | |
Russlands Präsident Wladimir Putin dagegen ordnete einen gemeinsamen | |
Einsatz mit Frankreich an. Die Franzosen sollten wie Verbündete behandelt | |
werden, erklärte er am Dienstag in Moskau. | |
17 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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