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# taz.de -- Anwältin über Kriegsflüchtlinge: „Niemand geht zu Assad zurüc…
> Die Asylrechtsanwältin Gisela Seidler spricht über Erfahrungen mit der
> Rückkehr von Flüchtlingen, etwa nach dem Bosnienkrieg.
Bild: Wer dem Krieg in Syrien entkommen ist, hat oft fast allen materiellen Bes…
taz: Frau Seidler, wo sehen die syrischen Flüchtlinge ihre Zukunft, wenn
der Krieg einmal zu Ende sein sollte?
Gisela Seidler: Das hängt davon ab, wie eine mögliche Nachkriegsordnung
ausschaut. Wenn Assad den Krieg gewinnt, geht niemand zurück, wenn der IS
gewinnt, auch nicht. Solange Bürgerkrieg ist und sich die 45
Rebellenggruppierungen um die Macht streiten, wird auch niemand
zurückwollen. Am Anfang wollen die Leute zurück, deswegen sind ja auch
viele zuerst in den Nachbarstaaten geblieben, in der Nähe der Heimat. Aber
der Krieg ist jetzt im vierten Jahr. Die Menschen machen sich auf den Weg,
weil sie die Hoffnung auf eine baldige Rückkehr verloren haben.
Auch in den 90er Jahren sind Hunderttausende vor dem Bosnienkrieg nach
Deutschland geflohen. Sind diese Flüchtlinge nach Ende des Krieges in ihre
Heimat zurückgekehrt?
Man hat damals die Entscheidung getroffen, die Bürgerkriegsflüchtlinge aus
Bosnien nicht ins Asylverfahren zu nehmen, sondern einen Extrastatus für
sie zu schaffen. Sie bekamen sofort eine Aufenthaltsbefugnis, durften
arbeiten, in Wohnungen ziehen. Diese Aufenthaltsbefugnisse wurden nach dem
Ende des Bosnienkrieges nicht mehr verlängert. Die Flüchtlinge sollten
massenhaft wieder ausreisen. Der größere Teil kehrte zurück, einige
freiwillig, aber es gab viele, auch brutale Abschiebungen. Viele Menschen
wollten nicht zurückkehren.
Warum?
Die Heimat war mit traumatischen Erinnerungen verbunden. Die Leute wollten
nicht in Gebiete zurück, wo ehemalige Nachbarn lebten, die ihnen Gewalt
angetan hatten. Die traumatisierten Menschen, auch jene, die während des
Krieges in Lagern interniert waren, mussten nicht mehr zurück.
Gibt es Voraussetzungen, die Flüchtlingen eine freiwillige Rückkehr
erleichtern?
Ja. Da waren zum Beispiel Leute, die noch Haus und Grundstück in Bosnien
hatten und am Heimatort wieder neu anfangen konnten. Viele von ihnen
kehrten freiwillig zurück. Das war auch mit den Flüchtlingen aus dem Kosovo
so, die 1999 von Deutschland aufgenommen wurden. Die meisten reisten nach
dem Krieg sofort wieder zurück, weil sie noch ein Haus und Grund in der
Heimat besaßen und befürchteten, dass jemand anders dort einzieht.
Aber nicht jeder hat noch Besitz in der Heimat.
Sicher nicht. Das ist auch ein wichtiger Aspekt bei den Syrern. Die haben
ja meist alles verkauft, um die Schlepper zu bezahlen. Die Chancen auf eine
Rückkehr wären für diese Leute viel höher, wenn sie ganz normal mit einem
Flugticket nach Europa hätten kommen können und ihren Besitz nicht hätten
aufgeben müssen. Man kann zurückgehen, wenn noch ein Haus da ist, auch wenn
es zerschossen ist. Aber wenn der Boden, das Land, erst mal verkauft ist,
wird es schwerer. Viele haben natürlich versucht, mitzunehmen, was sie
können, und haben in der Türkei oder in Libanon dann das Geld verbraucht,
um zu überleben.
Wie war das mit den Flüchtlingen aus dem Irak, die vor Saddam Hussein
flohen, nach dessen Sturz?
Die Iraker hatten Flüchtlingsschutz. Man ging davon aus, dass Saddam ein
Diktator ist. Der Flüchtlingsschutz wurde nach dem Sturz von Saddam
widerrufen. Die Leute wurden aber nicht abgeschoben, sondern bekamen
Duldungen. Mit einer Duldung können sie hier zwar arbeiten, aber zum
Beispiel nicht innerhalb Europa reisen und auch nicht die alten Eltern im
Irak besuchen und wieder nach Deutschland zurückkehren. Vor allem Kurden
aus dem Nordirak sind zurückgekehrt. Aber einige haben es sehr bereut. Wenn
die Kinder lange in Deutschland gelebt haben und als pubertierende Teenager
in den Nordirak zurückgehen sollen, in eine Gesellschaft mit ganz anderen
Moralvorstellungen, schafft das große Probleme.
7 Nov 2015
## AUTOREN
Barbara Dribbusch
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Schwerpunkt Syrien
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