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# taz.de -- Anwohner klagen erfolgreich: Häuslebauer versus Flüchtlinge
> Verwaltungsgericht stoppt Bau des Flüchtlingsquartiers in Klein Borstel.
> Polizeirecht stehe nicht über Anwohner-Schutzrechten, so die Begründung.
Bild: Hamburg braucht dringend Folgeunterkünfte
HAMBURG | taz | Polizeirecht kann ältere Rechtsnormen nicht einfach
aushebeln – auch nicht, wenn es um die Unterbringung von Flüchtlingen geht.
Das ist zumindest die Quintessenz einer Eilentscheidung des
Verwaltungsgerichts für einen Baustopp der Flüchtlingsunterkunft „Am
Anzuchtgarten“ in Klein Borstel.
Durch die Anwendung der polizeilichen Generalklausel nach dem der
Sicherheits- und Ordnungsgesetz dürfen nicht subjektive Rechte der Anwohner
verletzt werden, so das Gericht. Ein Baugenehmigungsverfahren, in dem
Widerspruch erhoben werden kann, habe aber nicht stattgefunden.
Die Sozialbehörde und der städtische Träger Fördern & Wohnen wollen auf dem
Areal in der Nähe des Friedhofs eine Folgeunterkunft für Flüchtlinge und
Obdachlose errichten. In den insgesamt 13 zwei- und dreigeschossigen
Gebäuden in Container-Modulbauweise sollen bis zum Frühjahr 700 Menschen
ein Dach über dem Kopf finden. Der erste Bauabschnitt sollte schon Ende
kommenden Monats für 250 Menschen bezugsfertig sein.
Geklagt haben nun vier Eigentümer von Nachbar-Grundstücken, die nach dem
Bebauungsplan „Ohlsdorf 12“ dort ihre Häuser gebaut haben. Erklärtes Ziel
sei es ausdrücklich gewesen, „nicht zu stark verdichtete Wohnflächen für
Familien mit Kindern zu schaffen, um auf diese Weise der Stadtflucht
entgegenzutreten“, heißt es in der Baustopp-Begründung. Dazu gehörte auch,
dass auf dem Grün Am Anzuchtgarten zwischen Siedlung und Friedhof „nur
gärtnerische und friedhofsbezogene Nutzungen zulässig sind“.
Die Sozialbehörde beruft sich ihrerseits bei ihrem Vorgehen auf den neuen
Paragrafen 246 Absatz 14 im Baugesetzbuch und die Vorschriften im vor
wenigen Tagen in Kraft getretenen Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz, die
geltendes Planungsrecht mit langen Fristen aushebelt und das Errichten von
Flüchtlingsunterkünften ohne Bebauungspläne zulässt.
Die Verwaltungsrichter äußern grundlegend Zweifel an der
Verfassungsmäßigkeit des Regelungssystems. Schließlich ermächtige auch
diese Vorschrift nicht dazu, „die nachbarlichen Interessen der Anwohner
unbeachtet zu lassen“. Der Paragraf 246 Baugesetzbuch komme in Klein
Borstel schon deshalb nicht zur Anwendung, da die Unterkunft nicht nur für
„Flüchtlinge und Asylbegehrende“ vorgesehen sei, sondern auch für
Obdachlose und somit ein sozialpolitisches Konzept verfolge, so das
Gericht.
„Wir gehen in die Beschwerde vor das Oberverwaltungsgericht, parallel wird
die Änderung des Bebauungsplans in Gang gesetzt“, kündigte
Sozialbehördensprecher Marcel Schweitzer an. „Wir gucken uns gerade an, ob
dieses Urteil auch für andere Standorte Relevanz hat.“ Sozialsenatorin
Melanie Leonhard (SPD) kündigte an, dass die gleichmäßige Verteilung der
Folgeunterkünfte über die gesamte Stadt das Ziel des Senats bleibe.
„Realitätsfremd“, nennt ein Sachbearbeiter der Behörde den Richterspruch.
„Die Richter sollten sich mal die Bedingungen in einer
Erstaufnahmeeinrichtung ansehen“, sagt er der taz. „Wir brauchen schnell
diese Folgeeinrichtungen, sonst ist der Flüchtlingsansturm nicht zu wuppen
und die Flüchtlinge leben noch in zwei Jahren in Baumärkten in der
Notaufnahme – was wohl niemand will.„
29 Oct 2015
## AUTOREN
Kai von Appen
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