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# taz.de -- Die Wahrheit: Tausend Jahre Björn Höcke
> Bei den beiden neuen Kandidaten von „Germany’s Next Top-Goebbels“ zeigt
> sich mal wieder: Bildung schützt vor Blödheit nicht.
Bild: 1999 streichelt er noch Katzen, heute vor allen Dingen die „Volksseele�…
Es gibt Leute, die behaupten, Menschen würden rechtsradikal, weil sie arm,
unterprivilegiert und ungebildet seien. Oder weil man ihnen die DDR
weggenommen hat. Auf manche NPDler, Pegidisten und AfD-Wähler mag das
vielleicht sogar zutreffen. Wobei die Gleichzeitigkeit von Armut,
Bildungsferne, Ost-Töpfchen-Sozialisation und rechter Gesinnungen nicht
zwingend auch eine Kausalität bedeutet.
Schließlich gibt es viele Menschen, denen das Leben oder ein System
ebenfalls übel mitgespielt hat und die trotzdem keine Arschlöcher sind.
Außerdem sagt fehlende oder vorhandene Bildung nichts über fehlende oder
vorhandene Intelligenz aus.
Die beiden neuen Kandidaten von „Germany’s Next Top-Goebbels“ illustrieren
das alles sehr hübsch. Zwar hat Akif Pirinçci tatsächlich nur einen
Hauptschulabschluss, besuchte dann aber die Filmakademie in Wien und wurde
schließlich durch seine Katzenkrimis steinreich.
Im Gegensatz zum Klischee des Rechten, der zu doof ist, sich die Schuhe
zuzubinden, und einen sozialen Abstieg hinter sich hat, ist Pirinçci ein
klassischer Aufsteiger. Als Gastarbeiterkind nach Deutschland gekommen,
perfekt Deutsch gelernt, Schriftsteller geworden, alle Chancen genutzt,
Geld und Ruhm angehäuft – und dann egoman überassimiliert: Migranten sind
scheiße, nur er nicht. Frei nach Jean-Marc Reiser: „Alles Fotzen außer
Akif.“
Auch bei Björn „Die Fahne raus“-Höcke finde man Mittelschichtsnormalität
statt sozialer und materieller Ausgrenzung. Der im Westen aufgewachsene
Neu-Thüringer hat einen erfolgreichen Bildungsbürger-Lebenslauf: Gymnasium,
Studium, Verbeamtung als Oberstudienrat. Und trotzdem faselt er vom
tausendjährigen Deutschland, behauptet, deutsche Frauen müssten Angst vor
Flüchtlingen haben, propagiert „Elitenförderung“, hält Homosexuelle für
triebgesteuerter als Heteros und Gendermainstreaming für ein „Sonntagskind
der Dekadenz“.
Einen kurzen Moment möchte man sich vor dem Schöpfer einer solch grandios
schiefen und sinnlosen Metapher in Ehrfurcht verneigen, dann aber denkt
man: Wenn so einer sich zur Bildungselite zählt, dann sollte man sein Kind
statt aufs Gymnasium lieber auf die Baumschule schicken.
Als Geschichtslehrer müsste Höcke eigentlich wissen, dass Deutschland auch
eine Geschichte von Ein- und Auswanderung, Multiethnizität und
Multireligiosität, kurzum: der Vielfältigkeit hat. Das homogene
tausendjährige Land, das er verteidigen will, gab es nur als Ideologie im
Tausendjährigen Reich. Und das wurde durch freundliche Mithilfe des
Auslands auf zwölf Jahre verkürzt.
Das Benutzen von Nazi-Vokabular und das Imitieren des Nazi-Tons ist aber
wohlkalkuliert. Insofern ist es nur schlüssig, wenn Höcke nun mit dem
hinkenden Reichspropagandaminister verglichen wird. Dieser war als Dr.
phil. ebenfalls Kulturmensch und schrieb sogar Theaterstücke. Hoffentlich
erspart uns Höcke wenigstens das. Zuzutrauen ist ihm alles.
28 Oct 2015
## AUTOREN
Hartmut El Kurdi
## TAGS
Björn Höcke
Akif Pirinçci
Drittes Reich
Bob Dylan
Schwerpunkt Rassismus
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Abschiebung
Matthias Matussek
Schwerpunkt AfD
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Flüchtlinge
Wendland
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