Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Neues aus dem Hort der Menschlichkeit
> So barmherzig, wie Deutschland sich inszeniert, ist es nicht. Vermehrt
> werden Menschen abgeschoben. Vor allem Sinti und Roma.
Bild: Haben in Ungarn schlechtere Bildungschancen: Kinder der Roma-Minderheit
Während Angela Merkel in diesem Jahr Deutschland nach außen als
Weltzentrale der Barmherzigkeit inszenierte und dafür gelobt, kritisiert
und ausgelacht wurde, nutzte unsere fleißige Verwaltung ungerührt die Mär
von den „sicheren Herkunftsländern“, um seit Langem hierzulande lebende
Menschen abzuschieben.
Als ob es zum Beispiel irgendein Land dieser Erde gäbe, in denen Roma
sicher wären. Zumindest wenn wir Sicherheit nach den für uns selbst in
Anspruch genommenen Maßstäben definieren. Dazu gehört neben vielem anderen
eine Ausbildungs- und Berufsperspektive für unsere Kinder. Den deutschen
Behörden aber scheint die bloße Abwesenheit von Pogromen und
Erschießungskommandos schon zu reichen, um das Leben in einem Land als
lebenswert anzusehen.
Dass die Roma nirgendwo erwünscht sind und dementsprechend behandelt
werden, wissen wir. Dass wir selbst eine lange Geschichte der
Diskriminierung von Roma und Sinti haben, die ihren Höhepunkt im
„Zigeunerlager“ von Auschwitz fand, wissen wir ebenso. Und trotzdem
behandeln auch wir sie heute noch wie eine Infektionskrankheit: Wenn man
sie sich eingefangen hat, versucht man, sie schnell wieder loszuwerden. Wir
sind offensichtlich nicht in der Lage, sie als Teil unserer Gesellschaft zu
akzeptieren. Weder die seit Jahrhunderten deutschen Sinti noch die
inzwischen auch schon wieder vor einer Generation aus dem Balkan geflohenen
oder eingewanderten Roma.
Zum Beispiel in Göttingen. Dort sollen zwei Roma-Familien abgeschoben
werden, die 1998 vor dem Kosovokrieg flohen und seither in Deutschland
leben. Von den 18 Personen, die man in das Kosovo schicken will, sind 13
Kinder und Jugendliche, von denen 12 in Göttingen geboren und aufgewachsen
sind. In allen Ländern dieser Erde, in denen das Geburtsortprinzip
konsequent angewandt wird – wie in den viel gescholtenen USA –, wären sie
per Geburt Staatsbürger und könnten gar nicht abgeschoben werden. Aber hier
interessiert es niemanden, dass diese Kinder nichts anderes kennen als
Göttingen und sich im Kosovo in einem fremden Land, mit einer fremden
Sprachen zurechtfinden und auf ein „sicheres“ Leben im Slum einrichten
müssten.
Als Grund für die Abschiebung wird die angeblich fehlende
Integrationsbereitschaft der Eltern angeführt. Mit anderen Worten:
Sippenhaft. Mal abgesehen davon, dass man über die Bedeutung des Begriffs
„Integration“ immer neu diskutieren muss: Was zum Teufel haben die Kinder
damit zu tun?
Zum Beispiel die 15-jährige Anita Osmani, die erfolgreich eine
berufsbildende Schule besucht, als Darstellerin in Theaterstücken der
freien Theatergruppe boat people projekt mitwirkte und die gemeinsam mit
der Autorin Luise Rist in Schulen aus einem die Flüchtlingsproblematik
thematisierenden Roman vorliest. Was könnte dieses Mädchen noch tun, um
einen deutschen Beamten von seiner Integrationsbereitschaft zu überzeugen?
Vermutlich nichts.
30 Dec 2015
## AUTOREN
Hartmut El Kurdi
## TAGS
Abschiebung
Sinti und Roma
Menschlichkeit
Sinti und Roma
Bob Dylan
Hannover
Cem Özdemir
Sinti und Roma
Matthias Matussek
Björn Höcke
Flüchtlinge
## ARTIKEL ZUM THEMA
Diskriminierung in Ungarn: Kein Abi für Roma-Kinder
Die EU-Kommission kritisiert Ungarn, weil Kinder aus Roma-Familien dort
schlechte Bildungschancen haben. Ihr Anteil auf Sonderschulen ist hoch.
Die Wahrheit: Ey, Donovan, du Opfer
Im Rückblick gibt es über den eben noch seinen 75. Geburtstag
zelebrierenden Bob Dylan einiges sehr Gutes zu berichten.
Die Wahrheit: Die finale Demütigung Hannovers
Einst Skandalhauptstadt der Republik ist die niedersächsische Metropole auf
den Hund gekommen. Angela Merkel genoss das jüngst sichtlich.
Die Wahrheit: Kanzler Özdemir? Meinetwegen!
Manche Biodeutsche haben offensichtlich nach wie vor Probleme, Menschen mit
nichtdeutschen Wurzeln als Autoritätspersonen anzuerkennen.
Klischees über Roma: Wo ist jetzt das Problem?
Hier sehen Sie ein Bild von einem Rom. Zugegeben - nicht gerade eines, das
man sich von Sinti und Roma machen will. Zeit für einen
Perspektivenwechsel.
Die Wahrheit: Im Fell eines Faultieres
Wo findet Matthias Matussek bloß sein neues Zuhause? Jetzt, da der
Krawallkatholik selbst dem Springer-Verlag zu ultra geworden ist.
Die Wahrheit: Tausend Jahre Björn Höcke
Bei den beiden neuen Kandidaten von „Germany’s Next Top-Goebbels“ zeigt
sich mal wieder: Bildung schützt vor Blödheit nicht.
Die Wahrheit: Ulf Poschardt und der Refugee Chic
Dass Redakteure bei Springer auf einmal ihr Herz für Flüchtlinge entdecken,
kann verstören. Dabei sitzen dort immer noch genug Gestörte.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.