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# taz.de -- Klischees über Roma: Wo ist jetzt das Problem?
> Hier sehen Sie ein Bild von einem Rom. Zugegeben - nicht gerade eines,
> das man sich von Sinti und Roma machen will. Zeit für einen
> Perspektivenwechsel.
Bild: Ausschnitt aus dem Bild „o.t.“, 2015, von Imrich Tomáš. Werke des i…
Beim Stichwort „Roma“ oder „Zigeuner“ schießen wohl vielen BerlinerInn…
dieselben Bilder durch den Kopf: bettelnde Frauen in langen Röcken vor
Supermärkten, Scharen von Kindern, die an roten Ampeln Autoscheiben waschen
wollen, schnurrbärtige Männer, die mit Geige durch Cafés und U-Bahnen
ziehen.
Arm, kriminell, asozial: Das schlechte Image von Sinti und Roma ist
dominant in ganz Europa und existiert seit Jahrhunderten. Aktuelles
Beispiel: die Flüchtlingsdebatte, in der Menschen vom Balkan, zum
überwiegenden Teil Roma, abwertend als „Wirtschaftsflüchtlinge“ tituliert
werden, die man guten Gewissens abschieben darf.
Die Wirklichkeit ist natürlich komplexer. Die europäischen Rom-Völker sind
extrem heterogen, so auch in Deutschland: Es gibt deutsche Sinti, deren
Vorfahren seit 600 Jahren hier leben, es gibt deutsche Roma, die im 19. und
frühen 20. Jahrhundert einwanderten. Es gibt die Roma aus Jugoslawien, die
als Gastarbeiter in den 60er, 70er Jahren kamen, die Flüchtlinge aus den
Balkan-Kriegen der 90er Jahre, es gibt Einwanderer aus den EU-Ländern
Rumänien und Bulgarien. Und es gibt Roma, die heute aus Balkan-Staaten
fliehen.
Wie viele Sinti und Roma in Berlin leben, ist unbekannt – die Zugehörigkeit
zu ethnischen Minderheiten wird in Deutschland nach den Erfahrungen des
Nationalsozialismus nicht mehr erhoben. Was man näherungsweise sagen kann:
Bundesweit wird die Zahl der Sinti und Roma mit deutscher
Staatsangehörigkeit auf 70.000 geschätzt. Die Senatsverwaltung für
Integration vermutet, dass ein großer Teil der rund 35.000 Bulgaren und
Rumänen in der Stadt Roma sind, sowie ein kleiner Teil der etwa 53.000
Polen. Bei den ehemaligen jugoslawischen Gastarbeitern, die heute teilweise
deutsche Pässe haben, weiß man noch weniger. Sie wurden großteils nie als
Roma wahrgenommen, weil sie etwas taten, das Sinti und Roma bis heute
praktizieren: sich aus Angst vor Diskriminierung nicht zu erkennen geben.
Was uns zu der Frage bringt: Woran erkennt man einen Sinto oder eine
Romnja? Antwort: Wenn die üblichen Attribute (Goldzahn, Rock, Akkordeon)
fehlen, überhaupt nicht. Sinti und Roma sind dick oder dünn, dumm oder
klug, gut gekleidet oder schlecht – individuell verschieden. „Die“ Roma
gibt es genauso wenig wie es „die“ Roma-Kunst gibt. Die einen malen
abstrakt, andere gegenständlich, die einen bunt, die andern monochrom,
manches Werk ist „gut“, manches „schlecht“ – das hängt vom Künstler…
also ist, bitte schön, das Problem, das „wir“ - die Angehörigen der
Mehrheitsgesellschaft – mit den Roma haben?
Das Problem ist, wenn nicht das Individuum gesehen wird, sondern die
Gruppe. Diskriminierungen aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit erfahren
Sinti und Roma täglich überall in Europa. Auch in Berlin werden Angehörige
der Minderheit benachteiligt, schräg angeschaut, angefeindet, gemobbt. Dazu
kommt – vor allem in linken Kreisen – eine Art Positiv-Diskriminierung nach
dem Motto: Roma sind alle so schön musikalisch!
Manche machen tatsächlich Musik! Die Frage, was Roma-Sein jenseits der
Klischees bedeutet, beschäftigt heute nicht wenige Angehörige der
Minderheit auch in Berlin, Künstler, Schauspieler, Filmemacher. Sie gründen
Theater, drehen Filme, sie spielen mit den Fremd- und Eigenbildern von
„Roma“. Sie machen Kunst. Kurz: Sie arbeiten an ihrer eigenen Erzählung
davon, wer sie sind.
Mehr über Kunst und Kultur von Berliner Roma erfahren Sie in der
Wochenend-Ausgabe der gedruckten taz - erhältlich im Abo oder am Kiosk.
30 Jan 2016
## AUTOREN
Susanne Memarnia
## TAGS
Sinti und Roma
Vorurteile
Antiziganismus
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
Abschiebung
Irland
Schwerpunkt Rassismus
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