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# taz.de -- Sinti und Roma in Irland: Wenn das Mitgefühl nicht reicht
> Gleichgeschlechtliche Ehen akzeptiert man auf der grünen Insel. Aber
> nicht sesshafte Sinti und Roma sind den Meisten ein Graus.
Bild: Elizabeth Wall gedenkt der zehn verbrannten Travellers in Carrickmines im…
Dublin taz | Das Mitgefühl währte nicht lange. Am Samstag vor knapp zwei
Wochen sind bei einem Brand auf einem Wohnwagenplatz in Carrickmines bei
Dublin zehn Menschen ums Leben gekommen, darunter fünf Kinder, das jüngste
sechs Monate alt. Die Opfer gehörten allesamt der Großfamilie Connors an.
Die ersten Beerdigungen fanden am gestrigen Dienstag statt.
Irlands Präsident Michael D. Higgins, der Dubliner Erzbischof Diarmuid
Martin und sämtliche Minister kondolierten, die Bevölkerung kam mit
Sachspenden und verwandelte den Ort der Tragödie in ein Blumenmeer. Die
Stadtverwaltung versprach, sich um Notunterkünfte für die überlebenden 15
Familienmitglieder zu kümmern, und wählte dafür ein Feld am Ende einer
Sackgasse ganz in der Nähe aus. Zwei Mobilheime und ein Waschraum sollten
errichtet werden, um die Menschen dort für sechs Monate unterzubringen, bis
die dauerhafte Unterkunft fertiggestellt ist.
Mit dem Mitleid war es aber schnell vorbei, denn vor der eigenen Haustür
will man diese Menschen nicht haben. Seit einer Woche blockieren Anwohner
mit ihren Autos die Zufahrt zum Feld, sodass die Bauarbeiten nicht beginnen
können. Der Grund: Bei den Connors handelt es sich um Travellers, um
Fahrende. In Irland sind 10.226 Traveller-Familien registriert, niemand
will sie in seiner Nähe haben. Eine Umfrage der Irish Times unter 4.800
Lesern ergab, dass 72 Prozent den Anwohnern recht geben. Auch die
Lokalpolitiker kümmern sich nicht um Travellers: Von den 31 irischen
Bezirksverwaltungen hat knapp die Hälfte das Geld für
Travellers-Halteplätze nicht in Anspruch genommen.
Wo immer ein Halteplatz geplant ist, hagelt es Einspruch der Anwohner, um
den Bau zu verhindern oder zumindest so lange wie möglich zu verzögern. Die
Gründe, die angeführt werden, sind angeblich antisoziales Verhalten, wilde
Müllkippen, nächtliche Partys, Lagerfeuer und steigende Verbrechensraten.
## Ganz wie im amerikanischen Süden
Die Travellers gehören dem internationalen Sinti-und-Roma-Verband an, aber
sie sind Iren. Die Vorfahren vieler Travellers-Familien sind in
Hungerzeiten von Haus und Hof vertrieben worden, weil sie die Pacht nicht
zahlen konnten. Sie haben ihre eigene Sprache, das Shelta oder Cant. Noch
zu Beginn des 20. Jahrhunderts zogen sie als Kesselflicker, Weber,
Schneider, Schmiede durch das Land. Doch mit der Einführung
landwirtschaftlicher Maschinen, Plastikwaren und Fertigtextilien waren ihre
Dienste nicht mehr gefragt.
Die Lebenserwartung der Travellers liegt bei fünfzig Jahren, die Familien
sind doppelt so groß und die Kindersterblichkeit ist dreimal so hoch wie im
Landesdurchschnitt. Zu vielen Kneipen, Restaurants, Supermärkten oder
Waschsalons haben Travellers keinen Zutritt. In den Schulen werden ihre
Kinder in gesonderten Klassen unterrichtet. Drei Viertel der Bevölkerung
würden kein Haus in der Nähe eines Halteplatzes kaufen.
Der Minister für Gleichstellung, Aodhán Ó Ríordáin, sagte, die Blockade der
Einwohner in Carrickmines habe Ähnlichkeit mit den dunklen Zeiten in den
USA. „Wir haben im Mai für die Gleichstellung der Homo-Ehe gestimmt“, sagte
er, „und im Oktober kommt es zu einem Szenario, das mich an Alabama in den
fünfziger Jahren erinnert.“
20 Oct 2015
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
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