# taz.de -- Labour-Parteitag in Großbritannien: Corbyn und die Liebe fürs Fai… | |
> In seiner ersten Rede als Labour-Chef beschwört Jeremy Corbyn die | |
> britischen Werte. Der rechte Parteiflügel hat sich noch nicht mit ihm | |
> abgefunden. | |
Bild: Jeremy Corbyn bekam Applaus, hat aber auch applaudiert – hier Diane Ab… | |
Dublin taz | Er liebe sein Land, sagte der britische Oppositionsführer | |
Jeremy Corbyn am Dienstag in seiner Rede auf dem Parteitag der Labour | |
Party. „Und deshalb will ich es von den Ungerechtigkeiten befreien, um es | |
fairer, anständiger und gleichberechtigter zu machen“, fügte er hinzu. | |
Corbyns Liebeserklärung war die Antwort auf die Kritik, dass er | |
unpatriotisch sei. Er hatte kurz nach seiner Wahl zum Labour-Chef nicht | |
mitgesungen, als bei der Gedenkveranstaltung für die Weltkriegstoten in der | |
St.-Paul‘s-Kathedralein London die Nationalhymne „God Save The Queen“ | |
angestimmt wurde. Er hatte sich früher oft für die Abschaffung der | |
Monarchie ausgesprochen, aber nun hat er die Einladung der Königin | |
angenommen, ihrem Kronrat beizutreten. | |
Der 66-jährige Corbyn vom linken Labour-Flügel wurde von den Delegierten | |
mit minutenlangem Applaus empfangen. Es war die wichtigste Rede seiner | |
langen politischen Karriere – eine Rede, von der er nicht geglaubt hatte, | |
sie jemals halten zu müssen. Seine Wahl zum Parteichef vor zweieinhalb | |
Wochen kam auch für ihn überraschend. Er sagte, dass seine Wahl ein Mandat | |
für Veränderung sei: „Es war eine Wahl für eine andere Art von Politik in | |
der Labour-Partei und im Land. Gütiger, integrativer. Eine echte Debatte, | |
keine Parteidisziplin.“ Er werde der Partei keine Linie aufzwingen, sagte | |
er. „Niemand hat ein Monopol auf die Weisheit. Ich will eine offene | |
Debatte. Ich werde mir jede Meinung anhören.“ | |
In Corbyns Rede tauchte immer wieder das Fair Play auf, das er als | |
britische Kerntugend bezeichnete. Es sei der wichtigste Grund, warum er | |
„dieses Land und seine Menschen“ liebe. Corbyn hat seine Rede zum ersten | |
Mal von einem Teleprompter abgelesen. Offenbar war ihm sein Vorgänger Ed | |
Miliband ein warnendes Beispiel. Der hatte bei seiner Parteitagsrede auf | |
ein Manuskript verzichtet, aber dann vergessen, das Haushaltsdefizit zu | |
erwähnen. | |
Auch für Corbyn ging auf dem Parteitag im südenglischen Seebad Brighton | |
nicht alles glatt. So beschlossen die Delegierten gegen Corbyns Empfehlung, | |
eine Kampagne für den bedingungslosen Verbleib in der Europäischen Union zu | |
führen, wenn die Tory-Regierung das Referendum im nächsten Jahr anberaumt. | |
Und die Debatte über die Erneuerung der britischen Atom-U-Boot-Flotte | |
musste abgeblasen werden, weil sowohl die Gewerkschaften als auch die | |
Verteidigungsministerin im Labour-Schattenkabinett, Maria Eagle, im | |
Gegensatz zu Corbyn dafür sind, die Atomwaffen zu modernisieren. | |
Corbyn ging dennoch kurz auf das Thema ein: Es sei ein Unsinn, 100 | |
Milliarden Pfund dafür auszugeben, sagte er. Corbyn versuchte, aus der | |
Uneinigkeit eine Tugend zu machen. In einem Punkt folgte der Parteitag ihm | |
jedoch: Kurz vor seiner Rede stimmte eine deutliche Mehrheit dafür, die | |
Eisenbahn zu verstaatlichen, sollte Labour 2020 an die Macht kommen. | |
Die von vielen erwartete Revolte des rechten Parteiflügels um den Expremier | |
Tony Blair ist ausgeblieben. Das heißt aber nicht, dass sie sich mit Corbyn | |
abgefunden haben. Blairs früherer Berater Peter Mandelson sagte, es sei | |
noch zu früh, Corbyn davonzujagen. Zuerst müssten sich die Wähler von ihm | |
abwenden. Laut neuesten Umfragen haben sie das bereits getan. Nur 32 | |
Prozent halten ihn für einen kompetenten Parteichef, von Cameron glauben | |
das dagegen 62 Prozent. Wenn es um Ehrlichkeit und Bodenständigkeit geht, | |
ist das Verhältnis jedoch umgekehrt. | |
John McDonnell, der finanzpolitische Sprecher in Corbyns Schattenkabinett, | |
sagte am Montag, dass er das Haushaltsdefizit ernst nehme, aber gegen eine | |
Austeritätspolitik sei, weil sie keine Notwendigkeit, sondern eine | |
politische Entscheidung sei. Er kündigte an, dass eine Labour-Regierung die | |
großen Unternehmen zur Kasse bitten werde. | |
Corbyn beendete seine Rede mit einem Hinweis auf den letzten bärtigen Man, | |
der die Labour Party geführt hat: „Keir Hardy, der an diesem Wochenende vor | |
100 Jahren gestorben ist. Wir schulden ihm so viel.“ Corbyn forderte seine | |
Partei auf, Hardy nachzueifern: „Nehmt keine Ungerechtigkeit hin, wehrt | |
euch gegen Vorurteile. Lasst uns unsere Werte wieder in die Politik | |
einführen.“ Corbyn wurde mit Ovationen verabschiedet. Am Mittwoch beginnt | |
für ihn der politische Alltag, und seine parteiinternen Gegner werden ihm | |
keine Pause gönnen. | |
29 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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