| # taz.de -- Feministisches Romnja-Archiv in Berlin: Verschüttete Geschichten | |
| > Das feministische RomaniPhen-Archiv sammelt Geschichten von Romnja und | |
| > Sintezza, um so von Stereotypen und Rassismus geprägte Bilder zu | |
| > verändern – auch in Schulen. | |
| Bild: Die Figur Romani Chaji erklärt im Video die Geschichte der Roma. | |
| Mit leicht erhobenem Zeigefinger begrüßt das Mädchen auf dem Bildschirm die | |
| Zuschauer_innen. „Mein Name ist Romani Chaji und ich will euch heute die | |
| Geschichte der Roma und Sinti näher bringen“, sagt sie. „Ich bin selbst | |
| eine Romni. Aber die meisten unter euch wissen gar nicht, wer Roma oder | |
| Sinti sind. Und viele haben falsche Vorstellungen.“ Sie unterbricht sich | |
| selbst: „Na ja, nicht nur falsche, sondern oft auch rassistische.“ | |
| Es ist ein einfacher, siebenminütiger [1][Erklärfilm auf YouTube], in dem | |
| allerdings weit mehr über das Leben und die Verfolgung von Sinti und Roma | |
| in Deutschland zu erfahren ist als in gängigen Schulgeschichtsbüchern. | |
| Entstanden ist der Film am feministischen RomaniPhen-Archiv. Das Archiv | |
| will verschüttete, öffentlich nicht erzählte Geschichten von Romnja und | |
| Sintezza – also Mädchen und Frauen der Sinti und Roma – ausgraben und | |
| sammeln – und so die oft von Stereotypen und Rassismus geprägten Bilder | |
| verändern. | |
| „Mit dem Film will ich vor allem Jugendliche erreichen und Grundwissen | |
| aufbauen“, sagt die 17-jährige Estera Iordan, die die Figur Romani Chaji | |
| entworfen und gezeichnet hat. „Das ist ein Anfang, weil wir damit für die | |
| Gleichstellung der Romnja kämpfen können.“ | |
| ## Unsichtbare Frauen | |
| „Die Geschichte der Romnja ist lückenhaft und aus einer rassistischen | |
| Perspektive heraus erzählt“, sagt Isidora Randjelović, Leiterin von | |
| RomaniPhen. „Und die Frauen sind nahezu unsichtbar, sie tauchen als | |
| Klientinnen von Sozialarbeiter_innen, und Hilfeempfängerinnen, als | |
| Unterdrückte auf.“ Die Idee zu dem Archiv habe sich aus ihrer politischen | |
| Arbeit in der Initiative Rromnja entwickelt. „Wir haben irgendwann gemerkt, | |
| dass wir permanent nur damit beschäftigt waren, die Bilder, die den Romnja | |
| übergestülpt werden, abzuwehren“, sagt Randjelović. „Aber so kamen wir g… | |
| nicht dazu, unser Wissen zu vertiefen.“ Sie selbst habe erst spät, während | |
| ihres Studiums, Literatur von Romnja entdeckt und sei darüber erstaunt | |
| gewesen. „Keine von uns hat sich in der Schule oder im Studium auf | |
| selbstverständliche Art mit der Geschichte der Romnja auseinandersetzen | |
| können“, sagt Randjelović. „Es war immer nur eine skandalisierende Art.“ | |
| Das Archiv begreift sie daher als Plattform, die sich an den Interessen und | |
| Bedürfnissen derer orientiert, die dort arbeiten möchten. Aus genau dem | |
| Grund gehe es ihnen auch nicht um Romnja-Folklore, Kunst oder Märchen. „Wir | |
| verstehen uns als Bewegungsarchiv“, sagt Randjelović. „Wir beschäftigen u… | |
| mit Romnja, die etwas bewirkt haben oder etwas bewegen wollten.“ | |
| Das Archiv gibt es seit drei Jahren, finanzielle Unterstützung gibt es vom | |
| Land und vom Bund. Vor eineinhalb Jahren konnten die Macherinnen eigene | |
| Räume im Kunger-Kiez in Alt-Treptow beziehen, haben dort eine kleine | |
| Präsenzbibliothek und können Workshops und Veranstaltungen durchführen. | |
| Denn ihre Archivarbeit solle man sich nicht verstaubt vorstellen, sagt | |
| Randjelović. Mit Kalendern, in denen sie Frauenbiografien vorstellen, | |
| Lesungen und Diskussionsabenden, zu denen sie Bürgerrechtsaktivist_innen | |
| wie kürzlich Anita Awosusi und Ilona Lagrene oder Autor_innen einladen, | |
| wollen sie deren Beitrag würdigen, Wissen in Umlauf bringen und Gespräche | |
| anregen. | |
| ## Unterrichtsmaterial | |
| Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit sind Workshops und die Erstellung von | |
| Bildungsmaterial. So hat eine Mitarbeiterin Unterrichtsmaterialien | |
| untersucht und ein Kriterienraster für rassismuskritisches Bildungsmaterial | |
| erstellt. „Selbst wenn sie keine rassistischen Bilder reproduzieren, ist es | |
| trotzdem meist so, dass in den Materialien ein Gegensatz zwischen dem ‚wir‘ | |
| im Klassenraum und den Romnja als ‚den Anderen‘ hergestellt wird, ohne | |
| einzubeziehen, dass Romnja ebenso Teil der Klassengemeinschaft sind“, sagt | |
| Randjelović. Daher stellen sie eigene Materialien zur Verfügung und laden | |
| Lehrer_innen zu Seminaren ein. | |
| Dass gerade die Arbeit an den Schulen wichtig ist, findet auch Estera | |
| Iordan. „Dort müsste mehr Wissen über Sinti und Roma vermittelt werden“, | |
| sagt sie: „Als wir den zweiten Weltkrieg durchgenommen haben, kam die | |
| Vernichtung von Sinti und Roma nur in drei Sätzen vor.“ | |
| In einer Erklärbox habe gestanden, dass Roma heute noch „Zigeuner“ genannt | |
| würden. „Dieser rassistische Begriff sollte nicht in einem Schulbuch | |
| stehen, dass kann man politisch korrekter beschreiben, als größte | |
| Minderheit Europas zum Beispiel“, sagt Iordan. „Schüler benutzen den | |
| Begriff auch als Beleidigung, das empfinde ich als indirekte | |
| Diskriminierung und da greife ich meistens ein.“ Auch ihre Lehrerin habe | |
| das Wort einmal benutzt. „Veränderung erreicht man nicht nur in der großen | |
| Politik, sondern auch darin, dass man nicht diskriminierend ist“, sagt die | |
| 17-Jährige. | |
| 5 Apr 2018 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.youtube.com/watch?v=qJzWQP7WeuE | |
| ## AUTOREN | |
| Uta Schleiermacher | |
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