# taz.de -- Erste Roma Biennale in Berlin: Nicht die Carmen am Lagerfeuer | |
> Im Gorki-Theater findet vom 7. bis 10. April die erste Roma Biennale | |
> statt. Künstler*innen wollen Romakunst jenseits von Stereotypen | |
> präsentieren. | |
Bild: „Romani History X“: eine Arbeit von Delaine und Damian Le Bas | |
Von Coming-out spricht man meist dann, wenn homosexuelle Menschen ihrer | |
Familie oder Freunden die verborgene Wahrheit über ihre sexuelle | |
Orientierung mitteilen. Coming-out bedeutet also, etwas zu erzählen, was | |
man bislang verheimlicht hat. Unter dem Titel „COME OUT NOW!“ startet am | |
Samstag, dem 7. April, Berlins erste Roma Biennale – und laut | |
Veranstalter*innen die erste weltweit. | |
Rund um den Welt-Roma-Tag am 8. Aprilgibt es im Maxim Gorki Theater von | |
Samstag bis Dienstag Theater- und Performancekunst. Am 8. April findet | |
zudem die Romaday-Parade statt, ein Umzug vom Denkmal für die im | |
Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas durch das | |
Brandenburger Tor bis zum Gorki-Theater. | |
Ins Leben gerufen hat die Roma Biennale Damian Le Bas, einer der | |
bekanntesten Romakünstler, der im Dezember vergangenen Jahres unerwartet | |
starb. Seine Frau Delaine Le Bas übernimmt die künstlerische Leitung der | |
Veranstaltung. | |
„Das Coming-out bezieht sich auf alle marginalisierten Gruppen und auf alle | |
Menschen, die etwas nicht verraten wollen, weil sie sich vor der Reaktion | |
der Gesellschaft fürchten“, sagt der Berliner Schauspieler und | |
Romaaktivist Hamze Bytyçi, Co-Kurator der Biennale. | |
## Alle Minderheiten im Blick | |
Die Parallele zum Coming-out homosexueller Menschen findet sich also auch | |
im Selbstverständnis der Roma Biennale. Sie richtet sich nicht nur an Roma, | |
sondern an alle Minderheiten und ruft zur Solidarität auf. „Wir machen die | |
Wechselwirkung zwischen Rassismus, Sexismus und Homophobie deutlich und | |
offenbaren, dass die Grenzen der Feindseligkeit gegenüber ‚den anderen‘ | |
leicht zu verschieben sind“, heißt es auf der Seite der Veranstaltung, die | |
vom Verein RomaTrial und dem Gorki für das Bündnis für Solidarität mit den | |
Sinti und Roma Europas organisiert wurde. | |
Der künstlerische Umgang mit Romathemen sei automatisch politisch, sagt | |
Bytyçi. Er richtet sich gegen die einseitige Darstellung von Roma in | |
Medien, wo sie meist im Kontext von Armut und Kriminalität dargestellt | |
werden. Das Bild der Roma in der Gesellschaft sei, so Bytyçi, schon immer | |
fremdbestimmt und sehr negativ – „bis auf das romantisierende Bild von der | |
freizügigen, tanzenden Carmen am Lagerfeuer“. | |
Die Biennale ist ein Versuch, den Diskurs über die eigene Gruppe selbst in | |
die Hand zu nehmen und zeitgenössische Romakunst fernab jahrhundertealter | |
Stereotype zu zeigen. „Wir haben ja auch keine starke politische Lobby“, so | |
Bytyçi. „Darum wollen wir die Politik durch Kunst verändern.“ | |
Die fehlende politische Repräsentation der Roma greift Kuratorin Delaine Le | |
Bas in ihrer Installation „Romani Embassy“ auf, die am Samstag und Montag | |
kostenlos im Foyer des Gorki-Theaters zu sehen ist. Roma haben, wie es im | |
Programm heißt, „nicht ein Land, keinen Nationalstaat als solchen und daher | |
auch keine Botschaft, die sie in schwierigen Zeiten vertritt“. Keine | |
Repräsentation ohne Nationalstaat – dem setzte Damian Le Bas schon 2007 den | |
ersten Romapavillon auf der Biennale in Venedig entgegen. | |
## Der bekannteste Roma-Dada-Künstler | |
Damals entwickelten er und seine Frau Delaine Le Bas die Vision einer | |
Biennale. Mehr als zehn Jahre hat es gedauert, bis der Wunsch nach einer | |
eigenen Biennale Realität wurde. Damian Le Bas starb jedoch im Dezember im | |
Alter von 54 Jahren, kurz nachdem er erfahren hatte, dass die Biennale | |
stattfinden könne. Sein Lebenswerk wird in Form der Retrospektive | |
„Gypsyland“ im Foyer des Theaters ausgestellt. „Damian Le Bas war so etwas | |
wie unser Andy Warhol, der bekannteste Roma-Dada-Künstler“, so Hamze | |
Bytyçi. „Die Biennale findet ihm zu Ehren statt.“ | |
Romatheater kam schon 2013 mit der Intendantin Shermin Langhoff ans Gorki. | |
Sie hatte die Kontakte zu Romakünstler*innen während ihrer Tätigkeit am | |
Ballhaus Naunynstraße geknüpft. Seit April 2014 findet der Welt-Roma-Tag am | |
Gorki jedes Jahr eine Bühne. | |
Viele der Künstler*innen, die die Biennale mitgestalten, sind schon lange | |
gemeinsam aktiv – einige in Berlin. Bytyçi organisierte 2017 erstmals das | |
„AKE DIKHEA? Festival of Romani Film“. Die Schwestern Sandra und Simonida | |
Selimović feierten im vergangenen September mit „Roma Armee“ am Gorki | |
Premiere. Das Stück über eine antirassistische und feministische | |
Eingreiftruppe ist am 8. und 10. April zu sehen. Außerdem werden | |
renommierte Romaschauspieler*innen, Musiker*innen, Filmschaffende und | |
Autor*innen aus Ungarn, Großbritannien und Schweden auftreten. | |
7 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Hannah El-Hitami | |
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