# taz.de -- Roma-Diskriminerung in Rumänien: 70 Euro für eine Sterilisation | |
> Eine rechtsradikale Gruppe in Rumänien fordert Roma-Frauen auf, sich | |
> gegen Geld unfruchtbar machen zu lassen. Menschenrechtler protestieren. | |
Bild: Minderheit mit vielen Feinden: Romakinder in Baia Mare. | |
BERLIN taz | In einer Presseerklärung ([1][PDF]) haben das Landesinstitut | |
für das Studium des Holocaust in Rumänien „Elie Wiesel“, die | |
Roma-Menschenrechtsorganisation „Romani Criss“ und das Zentrum für die | |
Bekämpfung des Antisemitismus (MCA) einen Aufruf der Autonomen | |
Nationalisten zur Sterilisation von Romafrauen verurteilt. | |
In dem Dokument wird auf die Gefahr des aufflammenden Rechtsextremismus | |
hingewiesen und dessen Unvereinbarkeit mit einer demokratischen | |
Rechtsordnung, der sich auch das EU-Land Rumänien verschrieben hat. „Die | |
Sterilisation von Frauen, die einer bestimmten ethnischen Gruppe angehören | |
ist ein schwerer Angriff auf die Mitglieder dieser Gruppe und auf die | |
Gesellschaft als Ganzes“, heißt es in der Erklärung, die die rumänische | |
Presse weitgehend ignorierte. | |
Auf der Nachrichtenseite des Fernsehsenders România TV (RTV), wo die | |
Erklärung knapp wiedergegeben wurde, [2][reagierten einige Leser] mit | |
Sprüchen, die zum Standardrepertoire rumänischer Rechtsextremisten gehören: | |
„Nicht sterilisieren, sondern vergasen soll man sie“, schrieb ein Leser. | |
Die Stellungnahme der drei Organisationen ist eine erste Reaktion auf die | |
Agitation einer seit rund fünf Jahren in Erscheinung getretenen | |
Gruppierung, die sich selber als NAT88, was soviel heißt wie „Autonome | |
Nationalisten aus Temeswar, Heil Hitler“, bezeichnet. | |
## Reaktion auf ungarischen Politiker | |
Der Aufruf, in dem jeder Roma-Frau eine Belohnung von 300 Lei (rund 70 | |
Euro) versprochen wird, wenn sie einen von einem Arzt beglaubigten | |
Sterilisationsnachweis vorzeigt, ist eine indirekte Reaktion auf den | |
publizistischen Vorstoß des ungarischen Politikers Zsolt Bayer. Er hatte | |
Anfang dieser Woche in der Budapester Zeitung Magyar Hírlap die „Endlösung�… | |
der „Zigeunerfrage“ gefordert. | |
Dies inspirierte auch die in der westrumänischen Stadt Timisoara | |
(Temeswar), konspirativ agierenden Autonomen Nationalisten zu ihrem | |
provozierenden „Sterilisierungsvorschlag“. Auch sie begründen ihre | |
romafeindliche Haltung mit „gewalttätigen Angriffen der Zigeuner“ auf die | |
Mehrheitsbevölkerung. | |
In Temeswar wurde die Anti-Roma-Stimmung in den letzten Jahren zusätzlich | |
durch undurchsichtige Immobilienspekulationen angeheizt. Rechtsextremisten | |
beschuldigen wohlhabende Roma, sich wertvolle Immobilien angeeignet und die | |
rumänischen Mieter vertrieben zu haben. | |
## Proteste gegen „Immobilienmafia“ | |
Die für ihre antiziganistische Politik bekannte radikale Organisation Neue | |
Rechte (Noua Dreapta) organisiert regelmäßig Proteste gegen die | |
„Immobilienmafia“, wie es verbal verschleiert in ihren Aufrufen heißt. Die | |
Autonomen Nationalisten unterstützen wohl diese Aktionen, plädieren jedoch | |
für radikalere Lösungen der „Zigeunerfrage“, nicht zuletzt für gewaltsame | |
Überfälle auf Roma. | |
In Rumänien leben laut offiziellen Angaben über 600.000 Roma. Nach | |
inoffiziellen Schätzungen sind es mehr als 2 Millionen. Diskriminierungen | |
der Roma sind an der Tagesordnung. Die „Autonomen Nationalisten Temeswar | |
88“ sind vor allem in Temeswar in Erscheinung getreten. Einige von ihnen | |
haben auch in weiteren rumänischen Städten Anhänger gefunden. | |
11 Jan 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.romanicriss.org/PDF/Press%20release%20sterilisation%20of%20Roma%… | |
[2] http://www.rtv.net/o-grupare-nationalista-vrea-sa-sterilizeze-femeile-rome-… | |
## AUTOREN | |
William Totok | |
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