# taz.de -- Die Wahrheit: Ey, Donovan, du Opfer | |
> Im Rückblick gibt es über den eben noch seinen 75. Geburtstag | |
> zelebrierenden Bob Dylan einiges sehr Gutes zu berichten. | |
Jüngst feierte Bob Dylan seinen 75. Geburtstag, und nahezu jeder | |
Kommentator erwähnte, dass Dylan seit Jahren immer wieder als Kandidat für | |
den Nobelpreis für Literatur gehandelt werde. Mir wurscht. Von mir aus | |
können sie ihm auch den Nobelpreis für Chemie verleihen. Oder eine | |
Ehrenurkunde der Bundesjugendspiele. Schön wäre auch ein Golden Globe mit | |
einer Untenrum-Preisrede von Ricky Gervais. | |
Ich möchte nicht missverstanden werden: Einige meiner besten Freunde sind | |
Dylans. Mein Platten-Regal ist voll mit Dylan-Tonträgern. Ich bin | |
gleichzeitig Dylan-Mainstreamist wie -Abweichler, weil mir sowohl das | |
allseits gelobte Album „Blood on the Tracks“ wie auch das von vielen | |
gehasste schlimmchristliche „Saved“ gefällt. | |
Großartig ist auch die Schwarz-Weiß-Filmdoku seiner 1965er-Englandtour | |
„Don’t look back“. An diesem Film faszinieren mich drei Dinge: Erstens, w… | |
gut Dylan auf dieser Tour singt, zweitens, wie abgefuckt arrogant das | |
Journalisten-Establishment sich damals gegenüber jungen Künstlern benahm | |
und dass man sich zwangsläufig größenwahnsinnig geben musste, um dabei den | |
Kopf über Wasser zu behalten, und drittens, als was für ein Arschloch Dylan | |
sich privat präsentiert. | |
Vom ersten Punkt kann sich jeder überzeugen, der Ohren hat, der zweite | |
Punkt ernüchtert, weil er den Mythos des objektiven, kritischen britischen | |
Journalismus deutlich relativiert: Diese Typen – in der Regel Männer in | |
grauen Anzügen um die vierzig, aber mindestens zwanzig Jahre älter wirkend | |
– hatten offensichtlich nichts anderes im Sinn, als den 24-jährigen | |
Amerikaner mit ihren Fragen vorzuführen. Tatsächlich aber führt er sie vor, | |
indem er gar nicht erst versucht, ernsthaft zu antworten und stattdessen | |
absurd-schlagfertig und respektlos gegenfragt. | |
Aber – kommen wir zu Punkt drei – die perfekteste und ekligste Performance | |
liefert Dylan in „Don’t look back“ als Drecksack ab. So demütigt er seine | |
damalige Freundin Joan Baez, indem er sie auf dieser Tournee einfach als | |
Schmuckstück in seine Popstar-Entourage einordnet. Sie war jedoch davon | |
ausgegangen, dass er sie zu Gastauftritten auf die Bühne holen würde, so | |
wie er es zu dieser Zeit in den USA praktizierte. Und vor allem so, wie es | |
Baez zuvor mit Dylan gemacht hatte, als er noch völlig unbekannt, sie aber | |
schon ein gefeierter Star des Folkszene gewesen war. Aber der Autist Dylan | |
wollte seinen Auslandsruhm allein genießen. | |
Ebenso arschlochig verhält er sich gegenüber dem als „britischen Dylan“ | |
gefeierten, einige Jahre jüngeren Donovan, der quasi als Running Gag, als | |
roter Opferfaden dient. Unter anderem hört man Dylan murmeln: „Donovan is | |
our target.“ Der Höhepunkt der abwertenden Witzelei besteht darin, dass | |
Dylan – als er eine Auszeichnung seiner Plattenfirma überreicht bekommen | |
soll – ebenso gelangweilt wie amüsiert-aggressiv sagt: „I don’t want it, | |
tell them to give it to Donovan.“ | |
Donovan wurde übrigens vor genau zwei Wochen 70. Darauf einen Mellow | |
Yellow. | |
25 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Hartmut El Kurdi | |
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