# taz.de -- Die Wahrheit: Mietpreisbremsenstiche fürs System | |
> Gerade in den teuren Quartieren deutscher Großstädte fühlen sich Anwohner | |
> von Flüchtlingen belästigt. Dabei werden sie dort dringend gebraucht. | |
Rechtspopulisten wie Horst Seehofer behaupten, dass die meisten | |
Asylbewerber gar nicht auf der Flucht wären, sondern nur einwandern wollten | |
– und man bei Einwanderern streng darauf achten müsse, ob sie uns nützten. | |
Dann unterstellen sie gern noch der Gegenseite, sie tue so, als ob nur | |
syrische Neurochirurgen und Webdesignerinnen hier um Asyl bäten. In | |
Wahrheit wären es aber Millionen allein reisender, notgeiler marokkanischer | |
Jungmänner, die nur kämen, um Frauen anzutanzen und uns unser neues | |
Smartphone zu klauen. | |
Mal abgesehen davon, dass es bei Menschen in Not nicht um Nützlichkeit, | |
sondern um Menschlichkeit gehen sollte, lassen wir uns mal kurz auf diesen | |
Quatsch ein. Und sofort fällt auf, dass der Nützlichkeitsbegriff in dieser | |
Debatte meist zu eng gesehen wird. | |
Wenn man mal den Unsinn mit den Antänzern weglässt – ja, die gibt es, aber | |
dafür haben wir Polizei und Gerichte, wie für andere Kriminelle auch –, | |
dann spricht aus dem Wunsch, nur Akademiker und Facharbeiter ins Land zu | |
lassen, eine erstaunliche Verachtung weniger gebildeter Menschen. Und eine | |
rührende Realitätsignoranz. Schließlich haben wir unsere Immigranten immer | |
dazu benutzt, sie Jobs erledigen zu lassen, auf die die Deutschen keine | |
Lust mehr hatten. | |
Auch wenn die Zahl der Arbeitsstellen in der Schwerindustrie abgenommen | |
hat: Knochen- und Knüppeljobs gibt es immer noch. Es gäbe noch mehr, wenn | |
man zum Beispiel die alten Menschen in den Heimen und die Patienten in den | |
Krankenhäusern ordentlich versorgen würde. Die Frage ist, ob wir | |
unausgebildete Einwanderer ausbilden und dann auch bezahlen wollen. Damit | |
sie uns nützen können. | |
Besonders schön funkelt der Sozialrassismus mancher Besserverdiener, wenn | |
ausnahmsweise auch in ihren Vierteln Geflüchtete untergebracht werden | |
sollen. Die hamburgischen Auseinandersetzungen in Klein-Borstel und | |
Blankenese sind da exemplarisch. Die Argumente der Besitzbürger reichen von | |
Umweltschutz – für das Heim müssten ein paar Bäume gefällt werden – bis… | |
„Diese armen Menschen können sich in einer so reichen Umgebung gar nicht | |
wohlfühlen.“ Dass sie einfach keine mittellosen Fremden um sich herum | |
wollen, geben die feinen Leute nicht zu. Höchstens, dass sie befürchten, | |
dass die Immobilienpreise durch die Asylbewerber-Nachbarschaft sinken | |
könnten. | |
Und hier sollten wir ansetzen. Eins der drängendsten Probleme in deutschen | |
Großstädten sind die täglich steigenden Kauf- und Mietpreise für Häuser und | |
Wohnungen. Falls die Asylbewerber es schaffen sollten, durch ihre bloße | |
Anwesenheit in den hochpreisigen Vierteln, diesen Markt zu knacken – und | |
damit auch deutschen Gering- und Normalverdienern wieder ein urbanes Wohnen | |
zu ermöglichen –, dann haben sie sich schon mehr als nützlich gemacht und | |
sollten mit sofortiger Erteilung einer unbegrenzten Aufenthalts- und | |
Arbeitsgenehmigung belohnt werden. Zynismus geht auch so herum. | |
29 Jun 2016 | |
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