# taz.de -- Grüne und das Asylrecht: Basis rebelliert gegen Parteispitze | |
> Flüchtlingsexperten der Grünen kritisieren den von Kretschmann | |
> verhandelten Asylkompromiss. Das Gesetz konterkariere grüne | |
> Flüchtlingspolitik. | |
Bild: Simone Peter will inhaltliche Kritik aufrecht erhalten. Trotzdem werden d… | |
Berlin taz | Der Brandbrief, den die Grünen-Experten für Flüchtlingspolitik | |
am Sonntag an ihren eigenen Bundesvorstand schickten, hat es in sich: Der | |
Asylrechtskompromiss konterkariere die menschenrechtsbasierte | |
Flüchtlingspolitik der Grünen, schreibt die Bundesarbeitsgemeinschaft | |
Migration und Flucht. | |
Das geplante Gesetzespaket helfe nicht, Probleme des Asylsystems wirksam | |
anzugehen. „Vielmehr verschärft es die Situation für Geflüchtete, beförde… | |
zusätzliche Ausgrenzung und sorgt für eine Unterteilung in Flüchtlinge | |
erster und zweiter Klasse.“ | |
Die Bundesarbeitsgemeinschaften sind Thinktanks der Ökopartei. Hier treffen | |
sich regelmäßig Fachleute von der Basis, aus Initiativen, aber auch aus | |
Bund und Ländern, um den Diskurs zu ihren Themen zu vernetzen und zu | |
steuern. Und das Urteil der BAG Flucht fiel am Wochenende einstimmig aus: | |
Sie fordert die grünen Länder auf, den großen Asylkompromiss im Bundesrat | |
abzulehnen. | |
Für die Parteispitzen in Bund und Ländern kommt der Zwischenruf denkbar | |
ungelegen. Diese Woche werden der Bundestag und die Länderkammer das | |
Gesetzespaket beschließen, das das deutsche Asylrecht deutlich verschärft. | |
Im Gegenzug erhalten die Länder und Kommunen Milliardenhilfen, um die hohen | |
Flüchtlingszahlen zu bewältigen. | |
## Schwieriger Kompromiss mit kritischen Punkten | |
Bei den neun grün-mitregierten Ländern wird voraussichtlich eine Mehrheit | |
für den Kompromiss stimmen. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried | |
Kretschmann und die grünen Vize-Ministerpräsidenten der anderen Länder | |
hatten den Kompromiss vom 24. September zuletzt als „tragfähige Grundlage“ | |
bezeichnet. An diesem Tag hatte Kanzlerin Angela Merkel mit allen | |
Ministerpräsidenten im Kanzleramt Eckpunkte für das jetzt vorliegende | |
Gesetz verabredet. Kretschmann war der Chefverhandler der Grünen. | |
Grünen-Chefin Simone Peter betonte am Montag, das Asylpaket sei ein | |
schwieriger Kompromiss, der einige für Grüne sehr kritische Punkte | |
enthalte. „Unsere inhaltliche Kritik, zum Beispiel an den sicheren | |
Herkunftsstaaten, am verlängerten Verbleib in Erstaufnahmeeinrichtungen und | |
an der Ausweitung der Sachleistungen, halten wir aufrecht.“ | |
Der Kompromiss sieht unter anderem vor, drei weitere Balkanstaaten als | |
sicher zu erklären. Die BAG-Experten kritisieren, dieses Konzept verletze | |
das Menschenrecht auf ein individuelles und faires Asylverfahren. Das | |
geplante Gesetz enthalte Verschärfungen, die noch über den von Kretschmann | |
mitverhandelten Beschluss hinausgingen. | |
So fehle zum Beispiel die zugesagte bundesweit einheitliche | |
Gesundheitskarte für Asylbewerber. Die längere Unterbringung von | |
Flüchtlingen in Erstaufnahmeeinrichtungen verhindere eine schnelle | |
Integration und verschärfe prekäre Zustände. Geplante Leistungskürzungen | |
für abgelehnte Asylbewerber, die nicht ausreisten, seien „sehr | |
wahrscheinlich verfassungswidrig“, so die Flüchtlingsexperten. | |
12 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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