# taz.de -- Flüchtlingspolitik in Baden-Württemberg: „Mir brennt jeden Tag … | |
> Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann verteidigt seine | |
> Flüchtlingspolitik und verdammt die Linkspartei im Land. | |
Bild: „Offene Grenzen stellen die eigene Gesellschaft in Frage“, sagt Winnf… | |
BERLIN taz | Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried | |
Kretschmann hält die Zustimmung der Grün-mitregierten Länder zum | |
flüchtlingspolitischen Notplan mit seinen Asylverschärfungen für | |
essentiell. Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, | |
Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Hamburg hatten am Freitag dem | |
Gesetzespaket der Bundesregierung zugestimmt. | |
„Es kommen in diesen Wochen Menschen zu uns, die vor Armut und | |
Perspektivlosigkeit fliehen und dennoch nicht bleiben können, und es kommen | |
Menschen, die vor Krieg, Vertreibung und politischer Verfolgung fliehen und | |
daher Schutz und damit eine sichere Bleibeperspektive erhalten“, sagte | |
Kretschmann im Gespräch mit der [1][taz.am wochenende]. „Wenn ich solche | |
Flüchtlingsströme habe, bedeutet politische Verantwortung auch, diese harte | |
Wahrheit auszusprechen und sie in unser Handeln einzubeziehen.“ Die Grünen | |
stünden in dieser Frage „geschlossen da“. | |
Kretschmann, 67, unterstützt ausdrücklich die Linie von CDU-Kanzlerin | |
Merkel. „Die Übereinstimmung mit Merkel in der Flüchtlingsfrage ist groß. | |
Die Kanzlerin zeigt Haltung und Klarheit.“ Was sie mache sei „in der Krise | |
der richtige Stil.“ Man könne die Grenzen nicht dichtmachen: „Das ist nur | |
mit Mauer- und Schießbefehl durchzusetzen“. Aber: „Die andere Alternative, | |
die wir Grünen mal verfolgt haben: Grenzen auf. Das geht auch nicht. Offene | |
Grenzen stellen die eigene Gesellschaft in Frage.“ | |
Die Kritik des Grünen Bundestagsabgeordneten Jürgen Trittin, der | |
flüchtlingspolitische Notplan mit seinen Asylrechtsverschärfungen bediene | |
„das Narrativ der CSU“ und treibe Balkanflüchtlinge geradezu in die | |
Kriminalität, weist Kretschmann als „Polemik“ zurück. „Mir brennt hier | |
wirklich jeden Tag der Kittel, wir wissen oft nicht, wie es weitergeht und | |
kriegen das trotzdem irgendwie hin, dass niemand auf der Straße bleibt. Was | |
helfen da Trittins Sprüche? Das hat mit den realen Problemen nichts zu | |
tun“, sagt der Ministerpräsident. | |
Es gelte der Satz des Thüringer Amtskollegen Ramelow (Linkspartei): „Ich | |
habe keine Zeit für ideologische Debatten, ich muss jetzt Wohnungen | |
suchen.“ Bisher schaffe man das; „übrigens auch CSU-Chef Horst Seehofer, | |
egal was immer er auch vor der Presse sagt.“ Er habe „großen Respekt vor | |
der bayerischen Verwaltung.“ | |
## Eine Koaltion mit der Linken ist ausgeschlossen | |
Kretschmann verteidigt in dem Gespräch seine grün-rote Regierungsbilanz | |
gegen die Kritik, sie sei zu wenig grün. „Das ist eine bonapartistische | |
Idee, dass man in die Regierung kommt und dann mal aufräumt. Das ist | |
Politkitsch. Trotzdem sind bei uns starke grüne Einfärbungen und | |
Imprägnierungen reingekommen.“ | |
Grüne und SPD regieren seit 2011 in dem klassischen CDU-Land | |
Baden-Württemberg mit Kretschmann als erstem Grünen Ministerpräsidenten der | |
Bundesrepublik. Im März 2016 muss er sich zur Wiederwahl stellen. Obwohl | |
Grün-Rot in den jüngsten Umfragen eine Mehrheit fehlt, schließt er eine | |
Regierungsbeteilgung der Linkspartei kategorisch aus. „Das große Problem | |
der Linken ist die Haltung, Deutschland lebe in einer Nationalökonomie. Ein | |
Industrieland wie Baden-Württemberg kann man nicht mit der Linkspartei | |
regieren. Das halte ich für ausgeschlossen.“ Der Linkspartei im Land | |
fehlten „pragmatische Sozialdemokraten wie Ramelow“. Da seien „viele | |
Sektierer unterwegs.“ | |
## CDU soll in der Opposition bleiben | |
Nachdem Kretschmann bereits angekündigt hatte, bei einer Wahlniederlage | |
abzutreten, bezog er das in dem Gespräch trotz der aus seiner Sicht | |
vertrauensvollen Zusammenarbeit mit Kanzlerin Merkel ausdrücklich auch auf | |
die Bundespolitik und das Amt des Bundespräsidenten. „Berlin ist nicht | |
meine natürliche Ebene. Ich mache zwar viel Bundespolitik, aber immer von | |
meinem Land aus.“ | |
Obwohl er mit Grün-Rot regiert, gilt Kretschmann manchen als Verkörperung | |
von Schwarz-Grün. | |
Dass er faktisch von Schwarz-Grün in Baden-Württemberg in Rente geschickt | |
würde, bezeichnet der Ministerpräsident als „List der Geschichte“. Er gehe | |
aber nicht davon aus. „Ich bin sehr optimistisch, fünf weitere Jahre | |
Ministerpräsident zu bleiben. Und auch der CDU täten fünf weitere Jahre | |
Opposition ganz gut. Die Oppositionsbänke sind hart und regen zum Denken | |
an.“ | |
Kretschmann muss es wissen. Er zog 1980 erstmals in den Landtag ein und saß | |
dann fast ein ganzes Politikerleben nachdenklich auf der harten Bank. | |
16 Oct 2015 | |
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[1] /!p4662/ | |
## AUTOREN | |
Peter Unfried | |
Benno Stieber | |
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