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# taz.de -- Nebenklägerin im NSU-Prozess: Abschied eines Phantoms
> Im Münchner NSU-Prozess legt ein Nebenklage-Anwalt sein Mandat nieder und
> muss gestehen: Seine Mandantin hat es „wahrscheinlich“ nie gegeben.
Bild: In den Akten taucht Nebenklägerin Meral K. auf – im Gerichtssaal bishe…
BERLIN taz | Seit 233 Prozesstagen, also seit zweieinhalb Jahren, läuft der
NSU-Prozess in München. Fünf Angeklagte müssen sich für die Verbrechen der
Neonazi-Terrortruppe verantworten, allen voran das mutmaßliche Mitglied
Beate Zschäpe. Auf der anderen Seite fechten rund 50 Nebenklage-Anwälte für
die Interessen der Opfer der Morde und Anschläge des NSU.
Nun aber stellt sich heraus: Offenbar saß ein Anwalt die zweieinhalb Jahre
unbegründet im Saal. Der Eschweiler Jurist Ralph Willms gestand laut
Spiegel Online, dass seine Mandantin Meral K. „wahrscheinlich [1][überhaupt
nicht existent]“ sei. Ihre Existenz sei von einem anderen NSU-Opfer nur
vorgetäuscht worden.
Um seine – vermeintliche – Mandantin hatte es schon länger Fragezeichen im
Prozess gegeben. Sie soll vor dem Anschlag des NSU im Juni 2004 in der
Kölner Keupstraße ein Restaurant besucht haben. Als die Bombe explodierte,
habe sie draußen gestanden und geraucht. Meral K. habe dabei Schnittwunden
erlitten. So hieß es bisher.
Wiederholt war Meral K. in den Prozess geladen, um zu den Ereignissen
auszusagen – zuletzt am vergangenen Dienstag. Sie erschien aber nie. Anwalt
Willms sprach mal von einem verpassten Flug, mal von einem
Krankenhausaufenthalt. Ob er dies alles von dem anderen NSU-Opfer „erfuhr“
oder nur erfand, bleibt vorerst offen.
## Nicht bemerkt
Richter Manfred Götzl platzte am Dienstag jedenfalls der Kragen. Er stellte
Willms eine Frist von einem Tag, um nachzuweisen, was mit Meral K. nun sei.
Darauf, so Spiegel Online, habe Willms am Freitag sein Mandat niedergelegt
und das Oberlandesgericht München um eine Entbindung aus dem Prozess
gebeten. Gleichzeitig habe er Anzeige gegen das NSU-Opfer gestellt, dasihm
Meral K. „vermittelte“.
Warum Willms aber über zweieinhalb Jahre lang nicht bemerkte, dass seine
Mandantin „wahrscheinlich nicht existent“ ist, bleibt offen, eine
taz-Anfrage ließt der Anwalt vorerst unbeantwortet. Eine Sprecherin des
Oberlandesgerichts sagte, dem Senat liege noch kein Schreiben von Willms
vor. Der Anwalt saß bis Januar 2014 auch für die CDU im Stadtrat
Eschweiler. Er legte dieses Amt mit Verweis auf die Belastung durch den
NSU-Prozess nieder.
Der Fall bringt erneut die Nebenkläger-Vertreter zum Anschlag in der Kölner
Keupstraße in die Diskussion. Ein Zeuge hatte vor Gericht berichtet, er sei
von einem Anwalt regelrecht bedrängt worden, ihn als Nebenklage-Vertreter
zu engagieren. Er habe das abgelehnt. Zudem versuchte im Frühjahr die
Zschäpe-Verteidigung den [2][Nebenklage-Anwalt Alexander Hoffmann]
auszuschließen, weil dessen Mandantin keinen „nachweisbaren Schaden“
erlitten habe.
Die Frau litt unter Panikattacken, ein Arzt konnte aber keinen sicheren
Zusammenhang zu dem Anschlag herstellen. Hoffmann bekundete dagegen, es
gehe darum, ihn „rauszuschießen“. Er gilt als einer der engagiertesten und
streitbarsten Nebenklage-Anwälte. Bei dem Anschlag in der Kölner Keupstraße
wurden 22 Menschen verletzt, vier davon schwer. Der NSU-Prozess wird am
Mittwoch fortgesetzt.
2 Oct 2015
## LINKS
[1] http://www.spiegel.de/panorama/justiz/nsu-prozess-nebenklaegerin-existiert-…
[2] /Opferanwalt-ueber-NSU-Prozess/!5024152
## AUTOREN
Konrad Litschko
## TAGS
Rechtsextremismus
Schwerpunkt Rechter Terror
Keupstraße
NSU-Prozess
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
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