# taz.de -- UN-Gipfel zu Flüchtlingen: Die Großzügigen vs. Viktor | |
> Auf dem Treffen der UN zum Thema Flüchtlinge geht es um Geld und | |
> Perspektiven. Wie üblich gibt Ungarns Premier Orbán den Rechtsaußen. | |
Bild: Hier wird geredet: UN-Gebäude in New York. | |
New York taz | Das Bild des ertrunkenen kleinen Jungen Aylan Kurdi ging um | |
die Welt. Das Foto und mit ihm die größte Fluchtbewegung seit dem Zweiten | |
Weltkrieg haben die Vereinten Nationen im 70. Jahr ihres Bestehens | |
eingeholt. Bei einem Forum während der Generalversammlung der UNO am | |
Mittwoch in New York tauschen sich Dutzende Staats- und RegierungschefInnen | |
aus. | |
Beim Treffen der G7-Gruppe kommen 1,6 Millarden Euro für humanitäre Hilfe | |
zusammen. In der „Agenda 2030“ für eine nachhaltige Entwicklung sind Flucht | |
und Bevölkerungsentwicklung in der Zielsetzung enthalten. Und beim Beginn | |
des UNO-Treffens widmet die Kolumbianerin Shakira ihre Interpretation von | |
„Imagine“ dem im Mittelmeer ertrunkenen dreijährigen Aylan. | |
„Das Thema Flucht und Migration wird nicht verschwinden“, sagt | |
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, der zu dem Treffen eingeladen hat. | |
„Natürlich müssen wir stärker daran arbeiten, Kriege und Verfolgung zu | |
beenden. Aber wir wissen, dass die Konflikte nicht über Nacht verschwinden | |
werden. Mehr Menschen werden fliehen, und Menschen werden weiterhin auf der | |
Suche nach besseren Möglichkeiten wandern.“ Seit dem Beginn des Konfliktes | |
in Syrien sind die Flüchtlingszahlen dramatisch in die Höhe gegangen. Noch | |
2011 wurden weltweit 11.000 Menschen täglich in die Flucht getrieben. Im | |
vergangenen Jahr kamen täglich 42.500 Flüchtlinge dazu. | |
Als Gastgeber hat Ban Ki Moon den VertreterInnen von 193 | |
UN-Mitgliedsländern die Hand geschüttelt und hat viele zu mehr | |
Großzügigkeit und einzelne – darunter Ungarn – zum Respektieren der | |
Menschenrechte ermahnt. Jetzt nennt er den TeilnehmerInnen acht Prinzipien. | |
Das oberste ist die Erhaltung von Leben. Zu den anderen gehört der | |
angemessene Empfang mit Arbeit und Wohnraum für Flüchtlinge. Außerdem | |
sollen sich die Staaten besser auf die ankommenden Menschen vorbereiten. | |
„Im 21. Jahrhhundert sollen wir keine Zäune und Mauern bauen“, sagt Ban Ki | |
Moon. | |
Vor allem europäische Regierungsmitglieder melden sich zu Wort. Dabei | |
stehen viele großzügig und verständnisvolle Reden einigen ängstlichen und | |
fremdenfeindlichen gegenüber. „Es ist überraschend, dass nicht viel mehr | |
Flüchtlinge kommen“, sagt der isländische Premierminister Sigmundur Davió | |
Gunnlangsson. „Wir müssen sehr viel mehr tun.“ Sein schwedischer Kollege | |
Stefan Löfven schlägt vor, mehr legale – und nicht tödliche – Wege nach | |
Europa zu schaffen. | |
Die norwegische Premierministerin Erna Solberg beschreibt Mobilität als | |
positiv für Entwicklung und Wachstum: „Alle Gesellschaften brauchen neue | |
Ideen.“ Und der maltesische Premierminister Joseph Muscat, der demnächst | |
ein europäisch-afrikanischen Treffen in Valetta ausrichten wird, wünscht | |
sich ein „Bretton Woods der Wanderungen“. Da die internationale | |
Gemeinschaft eine solche Ordnung für ein Finanz- und Währungssystem | |
hingekriegt habe, schaffe sie das auch für Migranten. Neben den | |
mehrheitlich europäischen TeilnehmerInnen melden sich auch VertreterInnen | |
aus dem Süden zu Wort. | |
## Orbán will Ordnung und Sicherheit | |
Darunter Indonesien, das binnen weniger Wochen 100.000 Flüchtlinge | |
aufgenommen hat. Und Mexiko, das sowohl Zufluchtsort, als auch | |
Abwandererland ist und das von der Ankunft von Zigtausenden | |
republikanischen Flüchtlingen am Ende des spanischen Bürgerkriegs | |
profitiert hat. | |
Im Kontrast zu den großzügigen Stimmen steht der ungarische | |
Ministerpräsident Viktor Orbán. Er spricht gleich nach Griechenlands | |
Regierungschef Alexis Tsipras, der sagt, dass sich im Umgang mit | |
Flüchtlingen entscheide, ob Europa siegt oder verliert. Orbán hingegen | |
sagt, dass es in Europa keinen Konsens gebe – nicht einmal über die | |
Dimensionen und den Charakter der Wanderungsbewegung (nach seiner | |
Interpretation setzt sich sie aus „Migranten, Flüchtlingen und Kämpfern“ | |
zusammen). Und als wichtigste Ziele nennt er Ordnung, Sicherheit, Regeln | |
und Respekt. | |
## Positives Feedback für Merkel | |
Außer jenen, die Zäune bauen und Flüchtlinge am liebsten dort sehen, wo sie | |
herkommen, gibt es bei der UNO auch noch die Geberländer, die großzügig | |
Geld austeilen, selbst aber keine Flüchtlinge aufnehmen wollen. Japan ist | |
eines davon. Im vergangenen Jahr hat es elf Menschen Asyl gegeben. In New | |
York ist es der größte Einzelgeldgeber für den humanitären Fonds, Saudi | |
Arabien steht an zweiter Stelle. | |
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in ihren Tagen bei der UNO viel positives | |
Feedback für ihre Flüchtlingspolitik bekommen. Doch das führt nicht | |
unbedingt zu Nachahmungseffekten. Die USA haben nicht einmal ein | |
Regierungsmitglied zu dem Treffen über Migration und Flucht nach New York | |
geschickt. Stattdessen sagt die UN-Botschafterin der USA, Samantha Power, | |
ihr Land habe mit 4,5 Milliarden Dollar mehr Geld für die Aufnahme von | |
Flüchtlingen beigesteuert als jedes andere. | |
Freilich haben die USA seit Beginn der syrischen Krise nur 1.500 syrischen | |
Flüchtlingen Asyl geboten. Im nächsten Jahr will die US-Regierung 85.000 | |
Menschen aufnehmen. Wenn es dabei bleibt, wird das 320 | |
Millionen-Einwohner-Land so viele Flüchtlinge aufnehmen, wie Österreich, | |
das aber nur 8 Millionen Einwohner hat. | |
1 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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