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# taz.de -- EU-Kommission ignoriert Anti-TTIP-Demo: TTIP ist überall
> Bei der Bundesregierung und der EU-Kommission gibt man sich gelassen –
> nach der Devise: ignorieren wir’s mal.
Bild: Anti-TTIP-Demo in Berlin: Merkel zündelt noch
Brüssel/Berlin taz | Wenn so viele BürgerInnen auf die Straße gehen, dann
ist das eben so. Warum? Wir leben in einer Demokratie. So nichtssagend
lässt sich die Reaktion aus der Wirtschaft und der Berliner und Brüsseler
Politik auf eine der größten Protestdemonstrationen in Deutschland der
letzten Jahre zusammenfassen.
Zwischen 150.000 und 250.000 Menschen waren am Wochenende durch Berlin
gezogen, um ihren Widerstand gegen die Freihandelsabkommen Ceta und TTIP
kundzutun.
Im Kanzleramt gibt man sich am Montag betont gelassen: „Es ist das gute
Recht der Bürger, gegen das Abkommen zu demonstrieren“, sagte Merkels
Sprecher Steffen Seibert auf taz-Anfrage. Und: „Die Kanzlerin hält die
Vorbehalte für unbegründet.“
Noch nichtssagender reagiert die EU-Kommission, nämlich gar nicht. Die
größte Anti-TTIP-Demo seit Beginn der Verhandlungen ist nicht der Rede
wert. Es gibt keine Presseerklärung, keinen Kommentar der Behördensprecher,
keinen Auftritt von Handelskommissarin Cecilia Malmström – nichts.
Brüssel tut so, als sei der Protest eine rein Berliner Angelegenheit. Genau
das könnte sich als Fehler herausstellen: Auch in Athen, Amsterdam und Oslo
gingen Gegner am Wochenende auf die Straße. „Der Widerstand gegen TTIP und
CETA regt sich keineswegs nur in Deutschland, sondern in vielen Ländern
Europas. Die europäische Politik wäre gut beraten, die berechtigte Kritik
der Menschen endlich ernst zu nehmen“, sagt foodwatch-Sprecher Martin
Rücker.
Das deutsche Stopp-TTIP-Bündnis sieht sich als Teil einer breiten
europäischen Bewegung. Von den 3,2 Millionen Unterschriften der
europäischen Bürgerinitiative „Stopp TTIP“ wurden eine halbe Million in
Großbritannien gesammelt, 360.000 in Frankreich. In den Niederlanden haben
Aktivisten gerade ein Referendum gegen TTIP gestartet.
Entwickelt sich nun durch den Protest so viel politischer Druck, dass die
Verhandlungen scheitern? „Eine Pressekonferenz, auf der das Ende der
Verhandlungen verkündet wird, ist unwahrscheinlich“, glaubt Pia Eberhardt,
die sich für die Organisation Corporate Europe Observatory gegen die
Freihandelsabkommen einsetzt. Sie hält es für möglich, dass die
Verhandlungen einfach kein Ende nehmen. Ähnlich ging es bei den Versuchen
der Welthandelsorganisation, die globalen Märkte zu liberalisieren: Seit
November 2001 wird bereits diskutiert. Anfangs war der Optimismus groß, ein
schnelles Abkommens zu schließen. Doch die Interessen waren zu
unterschiedlich.
## Proteste treiben den politischen Preis
Jetzt, beim transatlantischen Freihandelsversuch, kommt ein erschwerender
Faktor hinzu: Alle reden drüber. „Proteste wie am Wochenende treiben den
politischen Preis eines Kompromisses nach oben“, sagt Pia Eberhardt.
Das zeigt momentan das Beispiel Sigmar Gabriel. Der SPD-Wirtschaftsminister
steht vor dem Problem, dass ihm wegen seines Pro-TTIP-Kurses die
Gewerkschaften abtrünnig werden, die am Wochenende ihre Mitglieder
mobilisierten.
Vielleicht zeigt sich deshalb das von SPD-Chef Sigmar Gabriel geführte
Wirtschaftsministerium etwa offener. Die Massendemonstration gegen TTIP und
Ceta habe gezeigt, „dass das ein wichtiges Thema ist“, sagte ein Sprecher.
„Der Minister versteht, dass Leute protestieren.“ Allerdings teile Gabriel
die Sorgen „nicht ganz“.
Das Wirtschaftsministerium wolle im Rahmen von TTIP „Standards
sicherstellen und Paralleljustiz verhindern“. Gabriel will umstrittene,
private Schiedsgerichte nicht zulassen, weil die Konzerne damit hinter
verschlossenen Türen Staaten verklagen könnten – etwa wegen zu hoher
Umweltstandards. Stattdessen soll es öffentliche Gerichte geben. Das hatte
Gabriel am Wochenende erneut in Anzeigen in vielen überregionalen Zeitungen
angekündigt – dabei allerdings den unzutreffenden Eindruck erweckt, die USA
würden einem derartigen Handelstribunal zustimmen.
## USA gegen Handelsgerichtshof
Was mitnichten der Fall ist: Den Vorschlag zur Reform von ISDS haben die
Amerikaner schon brüsk abgelehnt. Möglich wäre also, dass sich
Bundesregierung und EU-Kommission in eine missliche Lage manövrieren: Sie
machen öffentlich Versprechungen wie die eines echten Handelsgerichtshofs,
die aber mit den USA nicht umsetzbar sind.
Am Ende müssen Parlamente in Brüssel und den europäischen Hauptstädten TTIP
zustimmen, was schwer wird, wenn bereits versprochene ökologische und
soziale Standards nicht eingehalten werden.
Allerdings liegt hier der Teufel im Detail. Ab dieser Woche verhandeln EU
und USA das Kapitel „nachhaltige Entwicklung“, in dem soziale und
Arbeitnehmerrechte festgeschrieben werden sollen. Ein erster Entwurf der
Vorstellungen der EU liegt der taz vor. Unter anderem geht es darin, dass
beide Parteien internationale Arbeitsrechte einhalten sollen, um sich nicht
durch Sozialdumping Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Allerdings sind
sämtliche Vorgaben nicht verbindlich. Selbst wenn die USA die Normen
zustimmen sollten: einklagbar wären sie nicht – die Rechte der Konzerne
schon.
12 Oct 2015
## AUTOREN
I. Arzt
E. Bonse
M. Kreutzfeldt
A. Krüger
## TAGS
Schwerpunkt TTIP
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Cecilia Malmström
CETA
Kanada
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