# taz.de -- Protest gegen Freihandelsabkommen: Links der Mitte | |
> Wissenschaftler haben Anti-TTIP-Demonstranten befragt und herausgefunden: | |
> Die Mehrzahl ist hoch gebildet und protesterfahren. | |
Bild: Anti-TTIP-Demonstration am 10. Oktober 2015 in Berlin: 250.000 Menschen f… | |
Berlin taz | Es war die größte Demonstration seit mehr als einem Jahrzehnt | |
in der Bundesrepublik. Unter dem Motto „TTIP & Ceta stoppen! Für einen | |
gerechten Welthandel“ zogen am 10. Oktober 2015 rund 250.000 Menschen zur | |
Berliner Siegessäule, um gegen die geplanten Freihandelsabkommen mit den | |
USA und Kanada zu protestieren. Wer sind, was wollen und was motiviert die | |
FreihandelsgegnerInnen? Das Göttinger Institut für Demokratieforschung hat | |
sie befragt. | |
In einer 74 Seiten starken Studie haben die WissenschaftlerInnen jetzt die | |
Ergebnisse veröffentlicht. Die lesen sich wie ein Kontrastprogramm zur | |
dumpf-deutschen Pegida-Bewegung: Die TrägerInnen der Anti-TTIP-Bewegung | |
sind in ihrer überwiegenden Mehrheit hochgebildet und verorten sich im | |
demokratischen Spektrum links von der SPD. Ihre Proteste hätten „dem | |
eigenem Anspruch nach einen eindeutig antirassistischen Charakter“, | |
schreiben die AutorInnen der Studie. | |
Wie schon bei den Protesten gegen Stuttgart 21 rekrutierten sich die | |
TTIP-GegnerInnen aus den linken und bürgerlichen Mittelschichten. Fast | |
achtzig Prozent der befragten TeilnehmerInnen an der Berliner | |
Großdemonstration haben Abitur oder einen Hochschulabschluss. Die Quote der | |
Promovierten und Habilitierten liegt um ein Fünffaches über dem | |
bundesweiten Durchschnitt. | |
Trotz der starken Mobilisierung der Gewerkschaften war der Anteil an | |
klassischen FacharbeiterInnen, geringfügig lohnabhängig Beschäftigten und | |
Erwerbslosen hingegen „äußerst gering“. | |
Während die Aktionen gegen den Stuttgarter Bahnhofsneubau überwiegend von | |
der mittleren Alterskohorte der 36- bis 55-Jährigen getragen wurden, liegt | |
bei den TTIP-Protesten die dominierende Altersspanne zwischen 46 und 65 | |
Jahren. Eine Parallele zeigt sich hingegen beim Frauenanteil, der jeweils | |
bei gut 40 Prozent liegt – was relativ hoch ist. | |
## Links der Mitte | |
Es waren keine Protestneulinge, die sich an der Berliner Demo beteiligt | |
haben: 67 Prozent der Befragten gaben an, bereits für den Klima- und | |
Umweltschutz aktiv gewesen zu sein. Zwischen 40 und 44 Prozent waren zuvor | |
schon in den Bereichen Arbeit und Soziales, Antimilitarismus sowie | |
Antifaschismus/Antirassismus engagiert, 31 Prozent in der Asyl- und | |
Flüchtlingshilfe. | |
Knapp ein Drittel arbeitet in Nichtregierungsorganisationen wie Attac, dem | |
BUND oder Greenpeace mit. Insgesamt 10 Prozent sind Mitglied der Grünen, | |
der Linkspartei oder der SPD beziehungsweise ihrer Jugendorganisationen. | |
Gewerkschaftlich organisiert sind 18 Prozent. | |
„Diejenigen, welche gegen TTIP auf die Straße gehen, tun dies in großem | |
Maße offenbar als bereits politisch aktive Menschen“, schreiben die | |
AutorInnen. Dem breiten gesellschaftlichen Bündnis gehe es „um den Erhalt | |
von sozialen Standards und bestehenden demokratischen Rechten“. | |
Wobei nur knapp die Hälfte der Befragten glaubt, dass ihr Protest | |
tatsächlich Einfluss auf den Prozess demokratischer Entscheidungsfindung | |
habe. Was nicht zuletzt daran liegen könnte, „dass selbst die Berliner | |
Massendemonstration gemessen an ihrer Größe im Nachgang nur ein seltsam | |
geringes Medienecho hervorrief“, wie es in der Untersuchung heißt. | |
Bereits im November vergangenen Jahres war das Institut für Protest- und | |
Bewegungsforschung, das ebenfalls TeilnehmerInnen der Berliner | |
Großdemonstration befragt hatte, zu ähnlichen Ergebnissen gekommen. „Die | |
vereinzelt in der Medienberichterstattung geäußerte Vermutung, dass sich | |
ein beträchtlicher Teil rechts-stehender Menschen in der Mobilisierung | |
gegen TTIP und CETA beteiligt habe, kann auf Grundlage unserer Daten nicht | |
bestätigt werden“, heißt es in dem 18-seitigen Bericht des Instituts, in | |
dem sich Wissenschaftler mehrerer Hochschulen zusammengeschlossen haben. | |
## Absolute Mehrheit für Linkspartei und Grüne | |
Auch die Göttinger StudienautorInnen konstatieren nun, die übergroße | |
Mehrzahl der TTIP-GegnerInnen begreife sich als als links der Mitte | |
stehend. Wäre ihr Wahlverhalten bei der vergangenen Bundestagswahl | |
ausschlaggebend gewesen, würden Linkspartei (29,3 Prozent), Grüne (25,6), | |
SPD (9,6) und Piraten (5,9) über eine satte 70-Prozent-Mehrheit im | |
Parlament verfügen. Alle anderen Parteien blieben deutlich unter der | |
5-Prozent-Hürde. | |
Allerdings haben sich mittlerweile die Präferenzen der Befragten | |
verschoben. Während die Linkspartei bei der Sonntagsfrage auf 36,8 Prozent | |
zulegen konnte und die Grünen mit 15,1 Prozent immerhin noch über ihren | |
sonstigen Umfragewerten liegen, hat sich der Anteil der Piratenpartei auf | |
1,8 Prozent minimiert. | |
Nicht viel besser sieht es für die SPD aus: Sie rangiert nur noch bei 2,36 | |
Prozent, und damit auf dem Niveau der AfD. Die SPD, konstatiert die | |
Göttinger Studie, spiele unter Stopp-TTIP-Aktiven „kaum eine Rolle“ mehr �… | |
eine Folge des unverhohlenen Pro-TTIP-Kurses der sozialdemokratischen | |
Parteiführung um Sigmar Gabriel. | |
2 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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