# taz.de -- Kolumne Der rote Faden: „Welch Schande, wie naiv du bist“ | |
> Warum „House of Cards“ gucken, wenn die Realität um Boehner, Clinton und | |
> Obama ähnliches Potenzial hat? „The Real House of Cards“, Folge eins. | |
Bild: Der Weg zur Macht ist gepflastert mit Leichen – keiner weiß das besser… | |
Drei Staffeln „House of Cards“, bei Netflix ab 7,99 Euro pro Monat. Binge | |
Watching zum Preis von zwei Kaffee zum Mitnehmen. Die vierte Staffel der | |
Serie über Macht und Moral im US-Kongress und dem Weißen Haus wird schon | |
gedreht. Aber warum Geld ausgeben, um Kevin Spacey als Frank Underwood | |
Intrigen spinnen zu sehen, wenn die Realität ähnliches Potenzial hat? | |
Suchtfaktor inklusive: „The Real House of Cards“, Staffel eins, Folge eins. | |
Auftaktszene: Das Kapitol. [1][John Boehner verkündet überraschend seinen | |
Rücktritt vom Amt als Präsident des Repräsentantenhauses.] Alle Kameras und | |
Mikrofone auf Boehner: Nachrichten, Spekulationen, Skandal! Fünf Jahre lang | |
hatte der Republikaner diesen Machtposten inne, nach dem Vizepräsidenten | |
wäre es Boehner gewesen, der im Fall der Fälle den Präsidentenposten | |
bekleidet hätte. Hätte, hätte. Doch Boehner gibt auf, geschlagen. | |
Hinter den Kulissen: der rechtskonservative Flügel der Republikaner. Sie | |
jubeln, denn sie haben Boehner aus dem Amt getrieben. Er war ihnen nicht | |
rechts genug. Gescheitert an der eigenen Partei, ein schöner Twist. Und | |
dann geht es noch um eins der emotional meist umkämpften Themen in der | |
US-Gesellschaft: Abtreibung. Auch in „House of Cards“ stehen die „Pro | |
Life“-Fanatiker vor dem Anwesen der Underwoods. Die Realität kopiert die | |
Serie. | |
In dieser Realität ist Boehner nicht gerade als ausgewiesener Liberaler | |
seiner Partei verschrien, hat aber Forderungen der Rechten nicht | |
nachgegeben. Sie wollen verhindern, dass im neuen US-Haushalt weiter Geld | |
an die Organisation [2][Planned Parenthood] fließt, die neben | |
Gesundheitsbetreuung auch Abtreibungen durchführt. Boehner hatte versucht, | |
einen Konsens für den Haushaltsplan zu erarbeiten, damit das Land | |
handlungsfähig bleibt. Konsens? Bedeutet Machtverlust. | |
Szene zwei:Boehner ist aus dem Weg geräumt, doch was folgt daraus für die | |
Republikaner? [3][Carly Fiorina], einzige Frau im Rennen um die | |
Präsidentschaftskandidatur der Partei, schickt eine Mail: „Schließ dich uns | |
an: Verteidige das Leben!“ Fiorina inszeniert sich in der Frage „Pro Life“ | |
versus „Pro Choice“ als Kämpferin für das Leben. Klare Botschaft, | |
Emotionalität verkauft sich. Wird aber nicht reichen für die Macht. Es gibt | |
nicht nur die Rivalen in den eigenen Reihen, sondern auch die eigentlichen | |
Gegner. | |
Szene drei: Zu Beruhigung ein Nebenerzählstrang; Protagonisten: die | |
Demokraten. Mehr als einen Sidekick geben sie gerade nicht her. Hillary | |
Clinton versucht verkrampft, ihren Wahlkampf-Groove zu finden. Dafür nimmt | |
sie an der College-Tour der Katzen-Bilder-Webseite [4][Buzzfeed] teil. Die | |
wollen mit Nachrichten ihre App pushen. Vielleicht pusht es auch Clinton | |
bei jungen Wählern. | |
Bernie Sanders spielt derweil die Establishment-Karte gegen die | |
Clinton-Dynastie: „Die amerikanischen Bürger haben die etablierte Politik, | |
die etablierte Wirtschaft und die etablierten Medien satt“, [5][twitterte | |
er]. Ein paar Hundert Retweets gab es dafür. Doch so wie die | |
Tea-Party-Fanatiker zu rechts sind, ist Bernie Sanders zu links, um es ganz | |
nach oben zu schaffen. “Der Weg zur Macht ist gepflastert mit Heuchelei und | |
Leichen.“– Frank Underwood. | |
Nicht mal in die erste TV-Debatte der Demokraten wird es [6][Lawrence | |
Lessig] schaffen. Der Harvard-Professor wird nicht einmal in den Umfragen | |
mit aufgelistet. Er müsste aber in drei Befragungen mindestens ein Prozent | |
Wählerzustimmung bekommen, um bei CNN im Scheinwerferlicht stehen zu | |
dürfen. Sein Problem: Lessig hat nur ein Thema. Die Reform der Finanzierung | |
von Wahlkämpfen. Kein Serienstoff, nicht vermittelbar, viel zu | |
idealistisch, Geld regelt die Machtverhältnisse in Washington. Sorry, Mr | |
Lessig. Der Charakter wird sterben. „Welch Schande, wie naiv du bist.“ – | |
Claire Underwood. | |
Szene vier: Macht, das Oval Office. Fiorina, Clinton, sie wollen dorthin, | |
wo Obama ist. 400 Tage lang ist er noch an der Macht – und zieht in dieser | |
Woche einmal mehr alle Aufmerksamkeit auf sich. 90 Minuten Gespräch mit | |
Russlands Präsident Putin, frostiger 3-Sekunden-Handschlag inklusive – | |
Inszenierung muss sein. Für Obamas Geschichtsbuchwar‘s nichts. Syrien, die | |
Nahostpolitik, das wird ein Makel bleiben in seiner Machtbilanz. | |
Die Cliffhanger: Putin spricht vor der UNO und lässt kurz darauf | |
Luftangriffe auf Syrien fliegen, eine Machtdemonstration. Wie wird der | |
„mächtigste Mann der Welt“ reagieren? Wer ist Kevin McCarthy, möglicher | |
Nachfolger von Boehner? Kann er die Republikaner zur Disziplin zwingen? | |
Scheitert Clinton an sich selbst? Und was macht eigentlich Donald Trump? | |
2 Oct 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://www.youtube.com/watch?v=Zqj9kdy7Qj4 | |
[2] http://www.plannedparenthood.org/ | |
[3] http://carlyforpresident.com/ | |
[4] http://www.buzzfeed.com/?country=us# | |
[5] http://twitter.com/BernieSanders/status/648965754994364416 | |
[6] http://twitter.com/lessig | |
## AUTOREN | |
Rieke Havertz | |
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