# taz.de -- TV-Debatte der US-Demokraten: Clinton, Sanders und drei Statisten | |
> Alle PräsidentschaftskandidatInnen wetteifern darum, wer weiter links | |
> steht. Clinton tritt so selbstbewusst auf, als wäre sie schon im Amt. | |
Bild: Es diskutieren: Dings, Sanders, Clinton, Dings und Dings (von links). | |
NEW YORK taz | „Sind Sie Kapitalist?“, fragt Moderator Anderson Cooper den | |
Kandidaten Bernie Sanders. Der antwortet, dass er an eine „Gesellschaft von | |
Gleichheit“ glaubt. Von Hillary Clinton will der Journalist wissen, ob sie | |
bereit wäre, „alles“ zu tun, und ihre Meinung beliebig oft zu ändern, blo… | |
um gewählt zu werden. Sie antwortet, dass sie eine „Progressive“ sei. Und | |
dass ihre Meinungen – zum Freihandelsabkommen TPP und zur | |
gleichgeschlechtlichen Ehe – sich eben weiter entwickelt hätten. | |
Clinton und Sanders stehen im Zentrum, als sich am Dienstagabend in Las | |
Vegas fünf demokratische PräsidentschaftskandidatInnen drei Stunden lang zu | |
ihrer ersten landesweit übertragenen TV-Debatte dieser Saison treffen. Die | |
beiden stürzen sich sofort aufeinander. Sie versucht klarzumachen, dass sie | |
mehr Schusswaffenkontrolle wolle. Er macht deutlich, dass er in Fragen von | |
Lohn, Besteuerung von SpitzenverdienernInnen und bei der Kontrolle von Wall | |
Street weiter gehe. | |
Auch in zahlreichen anderen Fragen sind Cliton und Sanders uneinig und | |
sagen es sich unerwartet deutlich: bei der Finanzierung von höherer | |
Bildung, beim Auflegen eines großen staatlichen Infrastrukturprogramms und | |
im Umgang mit der NSA und mit Edward Snowden. Sanders will die Schnüffelei | |
beenden und findet, dass Snowden zwar das Gesetz gebrochen, aber dem Land | |
dennoch einen Dienst erwiesen habe | |
In einem Punkt hingegen finden die beiden KontrahentInnen umstandslos | |
zueinander: Dass die Republikanische Partei das Thema von Clintons privatem | |
Email-Server als Außenministerin aus taktischen Motiven weit überreizt hat. | |
„Ich habe genug von den verdammten Emails“, sagt Sanders, „dieses Land hat | |
groteske Einkommensungleichheiten und es steht vor der Frage: Oligarchie | |
oder Demokratie? Darauf sollten wir uns konzentrieren.“ Clinton, die sich | |
demnächst erneut vor einem Ausschuss im Kongress zu ihren Emails äußern | |
muss, strahlt. Sagt „Danke Bernie“ und schüttelt ihm die Hand. | |
Neben den beiden Stars im demokratischen Rennen schafft es in der Debatte | |
keiner der drei Mitbewerber, ein eigenes Profil zu entwickeln. Martin | |
O‘Malley bringt an, wie viel er als Gouverneur von Maryland für die | |
Schusswaffenkontrolle getan hat. Jim Webb aus Virginia erwähnt seine | |
Engagement als US-Soldat und Lincoln Chafee, der erst Republikaner, dann | |
Unabhängiger war, bevor er demokratischer Gouverneur von Rhode Island | |
wurde, erinnert daran, dass er der einzige Republikaner war, der 2002 im | |
US-Kongress gegen den Krieg im Irak gestimmt hat. Doch neben Clinton und | |
Sanders wirken sie alle wie Statisten. | |
## Ein anderer Sound als bei den Republikanern | |
Themen und Ton der DemokratInnen am Dienstag Abend in Las Vegas | |
kontrastieren scharf mit den republikanischen Debatten. Während dort die | |
sozialen und ökonomischen Probleme der USA ausgeklammert werden, stehen sie | |
bei den DemokratInnen im Zentrum. Alle fünf wetteifern darum, wer weiter | |
links steht. Alle sprechen von den hohen Gefängnisinsassenzahlen in den | |
USA, alle beklagen den Zustand der Schulen, loben die Einführung der | |
gleichgeschlechtlichen Ehe, verlangen eine weitgehende Einwanderungsreform | |
und treten für die Gleichbehandlung von AfroamerikanerInnen und Latinas | |
ein. Die erst nach der Polizeigewalt in Ferguson gegründete schwarze | |
Bürgerrechtsgruppe „Black Lives Matter“ ist von allen umworben. | |
Anders als die Republikaner haben die demokratischen BewerberInnen einen | |
Politiker, auf dessen Bilanz sie sich berufen. Alle fünf loben, wie | |
Präsident Barack Obama die ökonomische Lage seit dem Ende der Amtszeit von | |
George W Bush verbessert hat und alle sprechen von Obamas außenpolitischen | |
Erfolgen – unter anderem unterstützen sie das Abkommen mit dem Iran, gegen | |
das alle RepublikanerInnen wettern. | |
Clinton, die in den zurückliegenden Wochen in die Defensive geraten war und | |
in Umfragen verloren hatte, tritt am Dienstagabend strahlend und | |
selbstbewusst auf. Immer wieder erinnert sie an ihr Alleinstellungsmerkmal: | |
Sie wäre die erste Frau an der Spitze der USA. „Was mich von Obama | |
unterscheiden würde, ist offensichtlich“, sagt sie. | |
Seit dem Beginn ihrer Kampagne hat sich Clinton in vielen Punkten nach | |
links, auf Sanders’ Programm zubewegt. Nachdem sie als Außenministerin die | |
Freihandelsverhandlungen mit geführt hat, ist sie jetzt gegen das TPP. Und | |
sie wendet sich neuerdings auch gegen die Öl-Pipeline Keystone XL. Doch am | |
Dienstag weist sie Sanders immer wieder in seine Grenzen, als wäre sie | |
bereits die Präsidentin. | |
Als er die skandinavischen Länder als Vorbild für Kranken- und | |
Sozialversicherung für alle nennt, sagt sie schroff: „Dies ist nicht | |
Dänemark“. Auf seinen Vorschlag, die Gebühren für öffentliche Universitä… | |
abzuschaffen, antwortet sie, dass sie selbst als Studentin gejobbt habe und | |
dass das auch für heutige Studenten richtig sei. Seinen Vorschlag, | |
Großbanken, die „too big to fail“ sind, in kleinere Einheiten zu zerlegen, | |
lehnt sie als unrealistisch ab. | |
Sanders ist so leidenschaftlich – und gelegentlich beinahe zornig – wie man | |
es von ihm gewohnt ist. Er attackiert Clinton nicht persönlich, doch er | |
macht die großen Unterschiede zwischen ihm und ihr deutlich. Sein Votum | |
gegen den Irak-Krieg, für den sie gestimmt hat. Und sein radikal anders | |
Verhältnis zu Geld in der Politik. Er hat kein „Super-PAC“, ein | |
„politisches Aktionskomittee“ in das Millionäre und und Milliardäre spend… | |
können. Clinton hingegen ist eine der KandidatInnen mit dem besten Draht zu | |
Wall Street und dem bestgepolsterten Super-PAC. | |
14 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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