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# taz.de -- Flüchtlinge in Finnland: Hasstiraden und ein Haus
> Die rechtspopulistischen „wahren Finnen“ hetzen gegen Flüchtlinge.
> Regierungschef Juha Sipilä bietet diesen eine seiner privaten Immobilien
> an.
Bild: Syrische Flüchtlinge an der serbisch-ungarischen Grenze. Einige wollen n…
Stockholm taz | Schwedens Aussenministerin Margot Wallström war sauer.
„Gewisse Länder sollten sich daran erinnern, was sie selbst erlebt haben
und wie ihnen geholfen wurde“, kritisierte sie am Rande des
EU-Aussenministertreffens in Luxemburg. „Schweden hat im Krieg 70.000
finnländische Kriegskinder aufgenommen.“
Ein Hauptadressat ihres Zorns sass mit am Verhandlungstisch. Timo Soini,
Aussenminister und Vize-Premier Finnlands. Der Chef der „Wahren Finnen“,
hat monatelang dafür gekämpft, dass Helsinki Aufnahmequoten für Flüchtlinge
ablehnt. Er findet es gut, dass Europa in erster Linie asylsuchende
Christen aufnehmen sollte und hält sich ansonsten zum Flüchtlingsthema
meist zurück, während seine Führungsriege Klartext spricht.
Wie Parteisekretärin Riikka Slunga-Poutsal, für die vier Fünftel aller
Asylsuchenden „Wirtschaftsflüchtlinge“ sind: „Lebensstandard-Surfer“, …
nur Soziallleistungen abkassieren wollten.
Auf lokaler Ebene belassen es Soinis Parteifreunde nicht nur bei
rassistischer Hetze, sondern stehen in vorderster Linie, wenn es darum
geht, gegen die Einrichtung nahezu jeder neue Asylunterkunft zu kämpfen.
Gerade in kleineren Städten stoßen sie oft auf zustimmende Resonanz.
## Mehr Platz für Flüchtlinge
Aber Finnland braucht neuen Platz für Flüchtlinge. Kamen in den vergangenen
Jahren rund 3000 Asylsuchende in zwölf Monaten, sind es nun über 1000 pro
Woche. Am Freitag revidierte das Innenministerium die Schätzung für dieses
Jahr von 15.000 auf 30.000. „Wir schaffen das, wenn wir alle
zusammenhelfen“, betonte der konservative Innenminister Petteri Orpo.
Die „Wahren Finnen“ und andere ausländerfeindliche Organisationen bemühen
sich nach Kräften, diese Aufnahmebereitschaft zu sabotieren. Aufkleber in
der Nähe von Asylunterkünften warnen: „Achtung, du näherst dich einer
Flüchtlingsunterkunft. Wir mahnen zur Vorsicht.
Das Echo dieser Hetze findet man in den Zeitungen und in sozialen Medien.
Das war so massiv, dass sich der TV-Sender MTV gezwungen sah, vergangene
Woche die Kommentarfunktion für Texte zum Asyl- und Flüchtlingsthema zu
schliessen.
Finnland biete immer mehr das Bild eines intoleranten und egoistischen
Landes, kritisiert die sozialdemokratische Europaparlamentarierin Liisa
Jaakonsaari. Und Ex-Aussenminister Erkki Tuomioja sieht den internationalen
Ruf Finnlands beschädigt.
## Das andere Finnland
Aber es gibt auch das andere Finnland. „Der Wunsch zu helfen ist
überwältigend“, sagt Nina Stubb vom Roten Kreuz in Vaasa. Vor allem in
städtischen Regionen wurden die Asylzentren so mit Kleiderspenden
überhäuft, dass das Personal um eine Pause bitten musste. „Unsere
Telefonleitungen sind zeitweise blockiert, weil viele Einwohner wissen
wollen, wie sie helfen können“, erzählt Leena Markkanen, Chefin von
Helsinkis Flüchtlingsunterkunft Kyläsaari: „Und viele rufen an, wir sollten
den Flüchtlingen bitte ausrichten, sie seien herzlich willkommen in
Finnland.“
Der Bedarf an winterfesten Quartieren ist groß. „Gott sei Dank, es ist noch
Sommer“, tröstet sich Heimo Nurmi, Direktor des Asylaufnahmelagers von
Turku: Die vom Roten Kreuz betriebene und auf 225 Plätze ausgelegte
Unterkunft platzt mit dreifacher Überbelegung aus allen Nähten. Statt
Betten gibt es nur noch Matratzen und seit vergangener Woche ist man
gezwungen, Zelte aufzustellen.
Premier Juha Sipilä kündigte an, ein Haus, das seine Familie nicht mehr
benötigt, ab Beginn des nächsten Jahres für Flüchtlinge bereit zu stellen.
Finanzminister Alexander Stubb schlug außerdem vor, die steigenden Ausgaben
mit Steuererhöhungen für hohe Einkommen und Kapitalerträge auszugleichen.
Zuletzt hatte die finnische Regierung die öffentlichen Geldleistungen für
Flüchtlinge deutlich gesenkt.
11 Sep 2015
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
Finnland
Wahre Finnen
Flüchtlinge
Asyl
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Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Krise in Griechenland
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Koalition
Parlamentswahl
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