# taz.de -- Konflikt in der Türkei: Nationalisten greifen HDP-Zentrale an | |
> Demonstranten attackieren Büros der Kurdenpartei HDP, einige brennen aus. | |
> Anhänger von Erdogan versuchen erneut, die Zeitung „Hürriyet“ zu | |
> belagern. | |
Bild: Nationalistische Demonstranten vor dem Gebäude der „Hürriyet“ am Di… | |
ISTANBUL/ANKARA dpa/afp | In der Türkei verschärfen sich vor dem | |
Hintergrund der Kämpfe mit der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK | |
seit Tagen die Auseinandersetzungen. | |
Nationalistische Demonstranten griffen am Dienstagabend die Zentrale der | |
Kurdenpartei HDP in Ankara sowie Büros der Partei in anderen Landesteilen | |
an. Auch die Redaktion der Zeitung Hürriyet in Istanbul wurde erneut von | |
Anhängern von Staatschef Recep Tayyip Erdogan belagert. | |
Dutzende Nationalisten marschierten in der Hauptstadt Ankara zur Zentrale | |
der pro-kurdischen Partei der Demokratie der Völker (HDP), wie Bilder des | |
Fernsehsenders CNN-Türk zeigten. Sie warfen mit Steinen und rissen das | |
Parteizeichen an dem Gebäude ab. „Unsere Zentrale wird angegriffen, aber | |
die Polizei erfüllt nicht ihre Pflicht“, hieß es in einer Mitteilung der | |
HDP über den Kurznachrichtendienst Twitter. | |
Die Polizei trieb die Randalierer schließlich auseinander. In den sozialen | |
Netzwerken veröffentlichte Fotos zeigten, dass einige Büros vollständig | |
ausbrannten. In der südtürkischen Stadt Alanya wurde der örtliche HDP-Sitz | |
in Brand gesetzt, wie CNN-Türk berichtete. In mindestens sechs weiteren | |
Städten hätten Demonstranten HDP-Büros beschädigt. | |
Nationalisten werfen der HDP vor, der politische Arm der verbotenen PKK zu | |
sein. Die HDP weist dies zurück. Sie hatte bei der Parlamentswahl im Juni | |
als erste Kurdenpartei den Sprung über die Zehnprozent-Hürde geschafft. | |
Auch wegen ihres Wahlerfolgs verlor die Regierungspartei AKP nach zwölf | |
Jahren ihre absolute Mehrheit. Weil die Bildung einer Regierungskoalition | |
scheiterte, finden am 1. November vorgezogene Neuwahlen statt. | |
## „Gott ist groß“ | |
Dabei stehen die Bürger unter dem Eindruck des Kurdenkonflikts. Seit dem | |
Ende der Waffenruhe zwischen der türkischen Regierung und der PKK Ende Juli | |
liefern sich Sicherheitskräfte und die Rebellen täglich Gefechte. | |
In Istanbul belagerten am Dienstag Anhänger der islamisch-konservativen | |
Regierungspartei AKP erneut die Redaktion der Hürriyet. Zunächst hätten | |
sich etwa hundert Menschen vor dem Gebäude versammelt und den Namen von | |
Staatschef Recep Tayyip Erdogan sowie „Gott ist groß“ gesungen, berichtete | |
die Zeitung auf ihrer Website. Dann hätten sie das Redaktionsgebäude mit | |
Steinen beworfen und dabei Scheiben eingeschlagen. Die Demonstranten | |
verschafften sich laut Hürriyet gewaltsam Zutritt zu dem Gebäude. Die | |
Polizei habe die Demonstranten zurückgedrängt. | |
Bereits am Sonntagabend hatten etwa hundert AKP-Anhänger das | |
Redaktionsgebäude gestürmt. Auslöser war offenbar eine Twitter-Meldung der | |
Hürriyet über eine Äußerung Erdogans über eine fehlende absolute Mehrheit. | |
Die Zeitung stellte in ihrem Tweet diese Äußerung in Zusammenhang mit einem | |
PKK-Angriff auf türkische Soldaten. | |
Am Sonntag hatte die PKK ihren schwersten Angriff seit Mai 1993 verübt: Im | |
südtürkischen Daglica in der Nähe der irakischen Grenze töteten die | |
Rebellen bei einem Bombenanschlag auf einen Militärkonvoi 16 Soldaten und | |
verletzten sechs weitere. Bei einem weiteren PKK-Anschlag in der östlichen | |
Region Igdir wurden am Dienstag 13 Polizisten getötet. | |
## Einschränkung der Meinungsfreiheit | |
Erdogan hatte in der Vergangenheit wiederholt die Mediengruppe Dogan | |
kritisiert, zu der Hürriyet gehört. Die Angriffe auf die Zeitung erfolgten | |
inmitten wachsender Sorge über Einschränkungen der Meinungsfreiheit in der | |
Türkei. Internetnutzer berichteten in der Nacht zum Mittwoch, sie hätten | |
keinen Zugriff auf Twitter. Die türkische Regierung hatte den | |
Kurznachrichtendienst in der Vergangenheit wiederholt blockiert. | |
Der türkische Regierungschef Ahmet Davutoglu verurteilte die Angriffe auf | |
die HDP und die Hürriyet als „inakzeptabel“. Niemand dürfe sich über das | |
Gesetz stellen. „Wir werden nicht zulassen, dass Brüder sich gegenseitig | |
bekämpfen“, erklärte der Ministerpräsident und kündigte zugleich an, der | |
Kampf gegen die PKK werde „mit Entschlossenheit“ fortgesetzt. | |
Unterdessen drangen türkische Bodentruppen am Dienstag nach einem Bericht | |
des Senders CNN Türk über die Grenze in den Nordirak ein. | |
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte die jüngsten Anschläge auf | |
türkische Sicherheitskräfte mit Dutzenden Opfern. Wie die Vereinten | |
Nationen am Dienstag mitteilten, ist Ban sehr besorgt über die zunehmende | |
Gewalt. Der Generalsekretär rief zu einem umgehenden Abbau der Spannungen | |
auf. Ban verfolge die Entwicklung der Lage und ihre mögliche Auswirkung auf | |
die Region genau. | |
Augenzeugen berichteten, dass die Soldaten ihren Einsatz im Nachbarland | |
schon nach kurzer Zeit abbrachen und in die Türkei zurückkehrten. Nach | |
einem Bericht der Agentur Dogan verfolgten türkische Soldaten bei ihrem | |
Vorstoß Kämpfer der PKK, die am Wochenende in der Türkei bei Anschlägen 16 | |
Soldaten getötet hatten. | |
## Aufruf, die Waffen niederzulegen | |
In den Kandil-Bergen im Nordirak hat die verbotene Kurdenorganisation PKK | |
verschiedene Stützpunkte und auch ihr Hauptquartier. Türkische | |
Kampfflugzeuge hatten dort in der Nacht 20 Ziele angegriffen. | |
Erdogan forderte die PKK auf, ihre Waffen bedingungslos niederzulegen. „In | |
diesem Moment ist die einzige Lösung für die terroristische PKK, ihre | |
Waffen zu strecken, es kann über nichts anderes geredet werden“, sagte der | |
türkische Staatschef unmittelbar nach dem Anschlag am Dienstag. | |
Nach Erdogans Worten sind die Strukturen der PKK bereits schwer | |
angeschlagen, die Bemühungen zur vollständigen Zerschlagung der | |
Organisation würden fortgesetzt. „Keine Kräfte, Banden, Organisation oder | |
Täuschungsmanöver können die Macht des Staates aufhalten, sobald sie in | |
Bewegung ist“, sagte Erdogan. | |
Die PKK setzte unterdessen 20 Zollbeamte auf freien Fuß, die im August | |
entführt worden waren, berichteten die Agentur Firat und das | |
Nachrichtenportal Bianet. Es lagen keine Angaben dazu vor, ob es für die | |
Freilassung der Beamten eine Gegenleistung gab. | |
Die EU kritisierte die Eskalation der Gewalt und rief zu einer | |
Wiederaufnahme der Verhandlungen auf: „Wir verurteilen die Terroranschläge | |
der PKK und fordern einen dringenden und vorbehaltlosen Waffenstillstand | |
auf allen Seiten“, sagte die Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica | |
Mogherini, Maja Kocijancic, in Brüssel. | |
9 Sep 2015 | |
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