# taz.de -- Repression in Aserbaidschan: Siebeneinhalb Jahre Knast | |
> Die Investigativjournalistin Khadija Ismajilowa wird wegen | |
> Steuerhinterziehung, illegaler Geschäfte und Machtmissbrauchs verurteilt. | |
Bild: Khaidija Ismajilowa im März vergangenen Jahres. | |
BERLIN taz | Die aserbaidschanische Investigativjournalistin Khadija | |
Ismajilowa ist am Dienstag von einem Gericht in der Hauptstadt Baku wegen | |
Steuerhinterziehung, illegaler Geschäfte und Machtmissbrauchs zu | |
siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Zudem darf sie in den | |
kommenden drei Jahren kein öffentliches Amt ausüben und muss auch noch für | |
die Gerichtskosten in Höhe von 300 Dollar aufkommen. Ursprünglich hatte die | |
Staatsanwaltschaft neun Jahre Haft gefordert. | |
Den abstrusen Vorwurf, die 39-Jährige habe einen Kollegen zum Suizid | |
angestiftet, ließen die Richter fallen. Im vergangenen April hatte der | |
potenzielle Selbstmörder Tural Mustafajev zu Protokoll gegeben, eine | |
entsprechende Aussage unter Druck gemacht zu haben. | |
Dass die autoritäre aserbaidschanische Staatsmacht ausgerechnet eine Frau | |
wie Ismajilowa versucht mundtot zu machen, verwundert nicht. Seit den 90er | |
Jahren herrscht in der Südkaukasusrepublik der Alijew-Klan – auf | |
Staatspräsident Heydar Alijew folgte nach dessen Tod 2003 sein Sohn Ilham. | |
Wie schon sein Vater versteht auch der keinen Spaß, wenn es um Kritik an | |
seiner Person beziehungsweise Regierung geht. Oppositionelle werden | |
systematisch schikaniert und nach Schauprozessen ins Gefängnis gesteckt. Am | |
13. August 2015 wurde die Menschenrechtsaktivistin Leila Junus zu | |
achteinhalb Jahren und ihr schwer erkrankter Mann Arif zu sieben Jahren | |
Haft verurteilt. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Reporter ohne | |
Grenzen sind derzeit acht Journalisten und vier Onlineaktivisten in Haft. | |
## Massive Menschenrechtsverletzungen | |
Doch diese massiven Menschenrechtsverletzungen halten die Führung nicht | |
davon ab, sich als weltoffen zu präsentieren und zu versuchen, sich ins | |
rechte Licht zu setzen – so geschehen bei den Europaspielen im Juni oder | |
beim Eurovision Song Contest in Baku 2012. | |
Ismajilowa, die unter anderem als Reporterin für den US-Sender Radio Freies | |
Europa (dessen Bakuer Büro wurde Ende Dezember 2014 geschlossen) und das | |
Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) arbeitet, legt | |
seit Jahren die korrupten Machenschaften der Alijew-Familie gnadenlos | |
offen. | |
So deckte sie unter anderem auf, dass der Alijew-Klan große Anteile der | |
lukrativsten Branchen Aserbaidschans übernahm, einschließlich Banken, | |
Telefongesellschaften, der Mineral- sowie Bauindustrie, und dass dies oft | |
unter Mitwirkung der aserbaidschanischen Regierung geschah. | |
Weiterhin wurde bekannt, dass innerhalb von zwei Wochen im Jahr 2009 Ilham | |
Alijews damals elf Jahre alter Sohn Besitzer von neun Strandhäusern in | |
Dubai mit einem Gesamtwert von 44 Millionen Dollar wurde. Auch am Bau der | |
sogenannten Cristal Hall zum Schnäppchenpreis von 134 Millionen US-Dollar, | |
die eigens für den ESC errichtet wurde, stieß sich die Alijew-Familie | |
gesund. | |
## Korruptester Mann des Jahres | |
Nicht zuletzt auch aufgrund von Ismajilowas Recherchen ernannte das OCCRP | |
Ilham Alijew im Dezember 2012 zum „korruptesten Mann des Jahres“ – der bis | |
dato erste jemals verliehene Titel dieser Art. Zu diesem Zeitpunkt stand | |
Ismajilowa bei den staatlichen Behörden schon längst auf der Abschussliste. | |
Im März desselben Jahres hatte die Journalistin Aufnahmen zugespielt | |
bekommen, die sie angeblich beim Sex mit ihrem Freund in ihrem Schlafzimmer | |
zeigten. In einem beiliegenden Brief wurde ihr eine „öffentliche | |
Erniedrigung“ angedroht, sollte sie sich nicht „anständig verhalten“. Als | |
Ismajilowa nicht auf diese Erpressungsversuche reagierte, landeten die | |
Fotos im Netz. | |
Vor einer Reise nach Straßburg im September 2014, wo sie vor dem | |
Europaparlament über die Menschenrechtslage in Aserbaidschan sprechen | |
sollte, erhielt Ismajilowa massive anonyme Drohungen. Bei ihrer Rückkehr am | |
3. Oktober hielten die Behörden sie am Flughafen in Baku fest und | |
unterzogen sie stundenlangen Verhören. Wenig später verhängte der | |
Generalstaatsanwalt eine Ausreisesperre gegen Ismajilowa. | |
Nur einen Tag vor ihrer Festname am 5. Dezember 2014 meldete sich der Chef | |
des Präsidialamtes, Ramiz Medijew, zu Wort. Ismajilowa sei ein Beispiel für | |
Journalisten, die gegen die Regierung arbeiteten. „Sie tritt bei | |
antiaserbaidschanischen Shows auf, gibt absurde Erklärungen ab, | |
demonstriert ganz offen eine destruktive Haltung gegenüber bekannten | |
Mitgliedern der aserbaidschanischen Gemeinschaft und verbreitet | |
beleidigende Lügen“, ließ er wissen. | |
Die US-Nichtregierungsorganisation Committee to Protect Journalists (CPJ) | |
verurteilte den Schuldspruch gegen Ismajilowa am Dienstag auf das | |
Schärfste. „Dieser Prozess war eine Farce mit ernsten Konsequenzen für alle | |
Journalisten in Aserbaidschan“, sagte die CPJ-Koordinatorin für Europa und | |
Zentralasien Nina Ognianova. „Wir rufen die Verantwortlichen dazu auf, dass | |
Urteil fallen zu lassen und appelieren Bakus internationale Partner vor den | |
dortigen Menschenrechtsverletzungen nicht länger die Augen zu | |
verschließen.“ | |
Am Montag hatte auch Ismajilowa vor Gericht noch einmal das Wort ergriffen. | |
Diese Regierung sei eine Repressionsmaschine, sagte sie. Dennoch sei sie | |
zuversichtlich, dass Journalisten und aufmerksame Bürger die Korruption an | |
der Staatsspitze weiterhin entlarven würden. „Auch wenn ich im Gefängnis | |
bin, werden wir unsere Arbeit fortsetzen“, sagte Ismajilowa. Kurz danach | |
stellte ihr der Richter das Mikrophon ab. | |
1 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
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