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# taz.de -- Opposition in Aserbaidschan: Nirgends sicher
> Die Journalistin Khadija Ismajilowa kritisiert die Regierung. Nun steht
> sie vor Gericht. Unter anderem wegen Verleumdung.
Bild: Vor Gericht: Khadija IIsmajilowa.
Berlin taz | „Alle wissen, warum ich im Gefängnis bin. Die Aufdeckung von
Korruption ist der wahre Grund. Damit müssen wir weitermachen, denn das ist
der einzige Weg, um unterdrückerische Regime zu entlarven und die Rechte
unterdrückter Menschen zu verteidigen. Der Preis dafür ist hoch. Doch das
ist es wert.“
Mit diesen Sätzen wandte sich die aserbaidschanische
Investigativjournalistin Khadija Ismajilowa im vergangenen Dezember an die
Öffentlichkeit. Am 5. des Monats war die 39-Jährige festgenommen worden.
Ihr werden Verleumdung, Steuerhinterziehung, illegale Geschäfte sowie
Machtmissbrauch zur Last gelegt. An diesem Freitag beginnt der Prozess in
der Hauptstadt Baku. Im Fall einer Verurteilung drohen Ismajilowa zwölf
Jahre Haft.
Ursprünglich war ihr vorgeworfen worden, einen Kollegen zum Suizid
angestiftet zu haben. Diese abstruse Beschuldigung wurde fallen gelassen.
Im vergangenen April gab der potenzielle Selbstmörder Tural Mustafajev zu
Protokoll, eine entsprechende Aussage unter Druck gemacht zu haben.
Dass eine Frau wie Ismajilowa mit der autoritären aserbaidschanischen
Staatsmacht in Konflikt gerät und mundtot gemacht werden soll, verwundert
nicht. Seit den 90er Jahren herrscht in der Südkaukasusrepublik der
Alijew-Klan – auf Staatspräsident Heydar Alijew folgte nach dessen Tod 2003
sein Sohn Ilham. Wie schon sein Vater versteht auch der keinen Spaß, wenn
es um Kritik an seiner Person beziehungsweise Regierung geht.
Oppositionelle werden systematisch schikaniert und nach Schauprozessen ins
Gefängnis gesteckt. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Reporter
ohne Grenzen sind derzeit acht Journalisten und vier Onlineaktivisten in
Haft.
## Weltoffen beim Eurovision Song Contest
Doch diese massiven Menschenrechtsverletzungen halten die Führung nicht
davon ab, sich als weltoffen zu präsentieren und zu versuchen, sich ins
rechte Licht zu setzen – so geschehen bei den Europaspielen im Juni oder
beim Eurovision Song Contest in Baku 2012.
Ismajilowa, die unter anderem als Reporterin für den US-Sender Radio Freies
Europa (dessen Bakuer Büro wurde Ende Dezember 2014 geschlossen) und das
Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) arbeitet, legt
seit Jahren die korrupten Machenschaften der Alijew-Familie gnadenlos
offen. So deckte sie unter anderem auf, dass der Alijew-Klan große Anteile
der lukrativsten Branchen Aserbaidschans übernahm, einschließlich von
Banken, Telefongesellschaften, der Mineral- sowie Bauindustrie, und dass
dies oft unter Mitwirkung der aserbaidschanischen Regierung geschah.
Weiterhin wurde bekannt, dass innerhalb von zwei Wochen im Jahre 2009 Ilham
Alijews damals elf Jahre alter Sohn Besitzer von neun Strandhäusern in
Dubai mit einem Gesamtwert von 44 Millionen Dollar wurde.
Auch am Bau der sogenannten Cristal Hall zum Schnäppchenpreis von 134
Millionen US-Dollar, die eigens für den ESC errichtet wurde, stieß sich die
Alijew-Familie gesund. Nicht zuletzt auch aufgrund von Ismajilowas
Recherchen ernannte das OCCRP Ilham Alijew im Dezember 2012 zum
„korruptesten Mann des Jahres“ – der bis dato erste jemals verliehene Tit…
dieser Art.
Zu diesem Zeitpunkt stand Ismajilowa bei den staatlichen Behörden schon
längst auf der Abschussliste. Im März desselben Jahres hatte die
Journalisten Aufnahmen zugespielt bekommen, die sie angeblich beim Sex mit
ihrem Freund in ihrem Schlafzimmer zeigten. In einem beiliegenden Brief
wurde ihr eine „öffentliche Erniedrigung“ angedroht, sollte sie sich nicht
„anständig verhalten“. Als Ismajilowa nicht auf diese Erpressungsversuche
reagierte, landeten die Fotos im Netz.
## Anonyme Drohungen
Vor einer Reise nach Straßburg im September 2014, wo sie vor dem
Europaparlament über die Menschenrechtslage in Aserbaidschan sprechen
sollte, erhielt Ismajilowa massive anonyme Drohungen. Bei ihrer Rückkehr am
3. Oktober hielten die Behörden sie am Flughafen in Baku fest und
unterzogen sie stundenlangen Verhören. Wenig später verhängte der
Generalstaatsanwalt eine Ausreisesperre gegen Ismajilowa.
Nur einen Tag vor ihrer Festname am 5. Dezember 2014 meldete sich der Chef
des Präsidialamtes, Ramiz Medijew, zu Wort. Ismajilowa sei ein Beispiel für
Journalisten, die gegen die Regierung arbeiteten. „Sie tritt bei
antiaserbaidschanischen Shows auf, gibt absurde Erklärungen ab,
demonstriert ganz offen eine destruktive Haltung gegenüber bekannten
Mitgliedern der aserbaidschanischen Gemeinschaft und verbreitet
beleidigende Lügen“, ließ er wissen.
Das ließe sich, offizieller Lesart zufolge, wohl auch über den
aserbaischanischen Journalisten Emin Milli sagen. Milli lebt in
Deutschland, wo er mit Meydan TV einen oppositionellen aserbaidschanischen
Sender betreibt. Unlängst wurde auch Milli bedroht. Er sei nicht mehr
sicher, hieß es, weder in Deutschland noch anderswo.
24 Jul 2015
## AUTOREN
Barbara Oertel
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Menschenrechtsaktivistin
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