# taz.de -- Kommentar Griechenland-Rettung: Alle Macht geht vom Zinssatz aus | |
> In Athen schnüren sie ein neues Hilfspaket und Deutschland verdient an | |
> der Griechenlandkrise, rechnet ein Wirtschaftsinstitut aus. | |
Bild: Griechenlands Finanzminister Tsakalotos: Er verdient nicht an der Grieche… | |
Weltwirtschaftsgeschichte seit 2007: Nach der Immobilien- die Finanzkrise, | |
dann die Eurokrise, in der in diesen Stunden ein drittes Hilfspaket zur | |
Lösung der Griechenlandkrise verkündet wird. Und mitten drin Deutschland, | |
das so relaxt und cool durch die Krise geht. Wir sind Krisengewinner. | |
Schon die Rhetorik ist falsch. Krise, welche Krise? Es gehört zu den | |
Verirrungen der öffentlichen Debatte, dass die Phase, in der sich die | |
Weltwirtschaft befindet, noch als Krise bezeichnet wird. Sie ist ein neuer | |
Normalzustand. | |
Und der führt zu einer neuen, globalen Ungerechtigkeit, die in ihrer | |
Dimension noch kaum erfasst ist. Einer der großen Gewinner dieser | |
Ungerechtigkeit sind wir, Sie, liebe LeserInnen, die Deutschen. Es ist eine | |
neue Zinsungerechtigkeit. | |
Dazu hat das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) jetzt | |
[1][folgendes ausgerechnet]: Allein im Bundeshaushalt sparte Deutschland | |
seit 2010 unglaubliche 100 Milliarden Euro an Zinskosten. Das Land ist | |
insgesamt mit [2][rund 2,2 Billionen Euro] verschuldet. Jeden Tag laufen | |
alte Schuldentitel aus und werden durch neue bezahlt, zu niedrigeren Zinsen | |
als die alten. | |
Der Grund: Banken, Versicherer, Investoren, das ganze System, in denen auch | |
Ihr Vermögen oder Rente steckt (sorry falls dem nicht so ist), sie wollen | |
ihr Geld irgendwo sicher anlegen. Also in deutsche Staatsanleihen. Wenn | |
alle ihr Geld nach Deutschland schicken, sinken die Zinsen, die hier zu | |
bekommen sind. Die Deutsche Bundesbank rechnete auf taz-Anfrage aus, dass | |
sich der Effekt sogar auf 140 Milliarden Euro Einsparung seit 2007 beläuft, | |
allerdings für den Gesamtstaat, also Bund, Länder, Gemeinden und | |
Sonderposten wie Bad Banks. Richtig, das ist weit mehr, als bei einem | |
Totalausfall der griechischen Schulden für den deutschen Fiskus verloren | |
wäre - rund 90 Milliarden. | |
## Deutscher Luxus | |
Nun sagt das IWH: Deutschland profitiert von der Griechenlandkrise, was | |
richtig, aber eben auch verkürzt ist. Deutschland ist ein Günstling des | |
anonymen, gesichtslosen Souveräns dieser Welt, „die Märkte“. Die Schulden | |
von Staaten, Unternehmen und Privatpersonen sind in den letzten Jahren | |
[3][geradezu explodiert]. Was für Regierungen heißt: Nur wer niedrige | |
Zinsen zahlt, hat Entscheidungsspielraum. Alle Macht geht nicht vom Volk | |
aus, sondern von den Zinssätzen. | |
Für Deutschland bedeutet das momentan Luxus. Die Bundesregierung kann | |
Betreuungsgelder und anderen Schabernack einführen. Den finanzielle | |
Spielraum würde allerdings kleiner werden und verschwinden, stiegen die | |
Zinsen. Dann würde es in den modernen Frondienst gehen: kürzen für den | |
Schuldendienst. Siehe Südeuropa. | |
Große Teile der deutschen Öffentlichkeit haben es noch nicht gerafft, dass | |
wir hier in der gleichen Falle stecken wie vermeintliche Schuldenstaaten. | |
Nur sind wir momentan auf der Gewinnerseite. | |
Deutschland hat nicht seine Hausaufgaben gemacht, sich nicht wegen Agenda | |
2010, Kurzarbeitergeld und Fleiß selbst wieder groß gemacht. Das ist nur | |
ein Echo des alten Wirtschaftswundermythos. Wir haben uns nur | |
marktkonformer verhalten als andere. Der Lohn: niedrige Zinsen. | |
Wir sollten besser weiterhin naiv an die allumfassende, metaphysische | |
Weisheit der Märkte glauben, sonst schlafen wir schlecht. Momentan sind sie | |
uns gewogen. Sollte sich das ändern: Ein paar Opfergaben (Kürzungen bei | |
Rente, Bildung, Sozialversicherungen und öffentlichen Badeanstalten) werden | |
die Märkte sicherlich besänftigen. | |
11 Aug 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://www.iwh-halle.de/d/publik/presse/30-15.pdf | |
[2] https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/BBK/2015/2015_04_… | |
[3] http://www.mckinsey.de/weltweite-verschuldung | |
## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
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