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# taz.de -- Rechte in Deutschland und der EU: Die NPD ist ihnen zu soft
> Für ein „weißes Europa“ planen verschiedene rechte Organisationen und
> Parteien Anti-Flüchtlings-Proteste. Und sie treten dabei immer härter
> auf.
Bild: Zum Glück gibt es immer noch genug Gegen-Rechts-Demos wie diese in Trier…
BRÜSSEL taz | Udo Voigt wirkt selbstsicher. Er blickt einem direkt in die
Augen, wenn er spricht. Wie einer, der am richtigen Ort angekommen ist.
Ausgerechnet in Brüssel.
Seit der Europawahl 2014 hat der langjährige Vorsitzende der NPD hier sein
Büro, im Raum F154, zweiter Stock des Europäischen Parlaments, als bislang
einziger Abgeordneter seiner Partei. Er will gegen die Überfremdung Europas
durch Flüchtlinge kämpfen, zusammen mit den anderen rechtsextremen
Parteien. Ihr gemeinsames Ziel: ein weißes Europa. Voigt lächelt diskret.
„Ich bin in die Höhle des Löwen gewählt worden“, sagt er. „Ich kämpfe…
für ein Europa der Völker und gegen die multikulturelle Gesellschaft.“ Dank
des Geldes des EU-Parlaments, räumt er ein, hat er seine „Mannschaft“ aus
fünf Mitarbeitern zusammenstellen können.
Mit den Mitteln der Europäischen Union gegen sie kämpfen – für Voigt ist
das kein Widerspruch. Er hat kürzlich die „Allianz für Frieden und
Freiheit“ ins Leben gerufen, in der sich Rechtsextreme aus Italien,
Belgien, Dänemark, Griechenland, Spanien, Schweden, Frankreich und
Großbritannien zusammengeschlossen haben.
## Ein heterogenes Spektrum von Rechten
Europa ist im Moment der einzige Ort, an dem die NPD noch erfolgreich ist.
In Deutschland ist sie nicht mehr die führende Partei der Rechtsextremen.
Voigts Traum, in einer Partei die ganze „nationale Bewegung“ zu vereinen,
hat sich nicht erfüllt.
Hierzulande macht ein überaus heterogenes Spektrum mit Flugblättern,
Broschüren, Bürgerinitiativen, Besetzungen und sogar Brandsätzen gegen
Flüchtlinge mobil. Es reicht von Gruppierungen wie „Der III. Weg“ bis zur
sogenannten Identitären Bewegung. Die NPD ist darunter nur eine von vielen.
Am 17. August planen verschiedene Initiatoren in Thüringen gleich in vier
Städten aufzumarschieren. Wer sind diese neuen Rechten?
In Bayern ist „Der III. Weg“ die zurzeit straffste Organisation, schätzt
Robert Andreasch von der Münchner Antifaschistischen Informations- und
Archivstelle. Vor zwei Jahren gründete der ehemalige NPD-Funktionär Klaus
Armstroff die Partei. Ihr Wachstum begann nach dem Verbot des Netzwerks
„Freies Netz Süd“, als sich Anhänger der rund zwanzig Kameradschaften dem
„III. Weg“ zuwandten. Die Partei ist eine „Kameradschaft im
Parteiengewand“, sagt Andreasch: „Die äußerst aggressiven Kader versuchte…
leider sehr erfolgreich, über die Asylproblematik in der Mitte der
Gesellschaft Zuspruch zu gewinnen. Gleichzeitig verherrlichen sie offen den
Nationalsozialismus.“
Im oberbayerischen Rechertshofen sieht die Staatsanwaltschaft Ingolstadt
nach einem Brandanschlag auf ein geplantes Flüchtlingsheim
„ermittlungsrelevante“ Bezüge zum „III. Weg“.
## Den Normalbürger überzeugen
Viele der rund 200 Mitglieder kommen aus der militanten Szene zwischen NPD
und Freien Kameradschaften. Auf der Webseite behauptet die Partei, 15
„Stützpunkte“ in Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und
Sachsen zu haben. Auch in Brandenburg sind sie aktiv: In Zossen und in
Kloster Lehnin hielt die Partei, angeführt von Maik Eminger, Bruder des
NSU-Angeklagten André Eminger, Kundgebungen für einen „Ausländerstopp“ a…
Einer der Redner: Karl-Heinz Statzberger, der zu vier Jahren und drei
Monaten Haft verurteilt wurde, weil er 2003 an der Planung des versuchten
Anschlags auf die Münchner Synagoge beteiligt war. Auf ihrer Webseite
bietet die Partei einen Leitfaden zum Download an: „Kein Asylantenheim in
meiner Nachbarschaft“. Auch eine interaktive Karte zu „Asylantenheimen“ in
der Bundesrepublik ist online.
Die andere Kleinstpartei „Die Rechte“ wurde von Ex-DVUlern gegründet, die
nach der Fusion mit der NPD wieder eine eigene Partei haben wollten. „Der
größte Aktivposten der Partei ist ihre Name“, sagt der Bundesvorsitze
Christian Worch nach der Gründung 2012. „Er ist nicht so verbrannt wie der
der NPD“. Dem „Normalbürger“ könne die Angst genommen werden, indem ges…
wird: „Wenn es eine Linke gibt, sollte es folgerichtig auch eine Rechte
geben.“
Nur drei Wochen nach dem Verbot ihrer Kameradschaften Nationaler Widerstand
Dortmund und Kameradschaft Hamm 2012 schlossen sich die Autonomen
Nationalisten der Partei an. Bundesweit vereint „Die Rechte“ heute rund 500
Mitglieder.
## Auch in den sozialen Netzwerken
Nordrhein-Westfalen ist die Hochburg der Partei. Auf ihrer Webseite
berichtet sie, im öffentlichen Nahverkehr als Stadtschutz zu
patrouillieren, auch wegen „dem Überfall einer Migrantenbande“. Die Idee
haben sie von den französischen „Identitären“ übernommen.
Ein Video der „Génération Identitaire“ in Frankreich führte 2012 zu einem
Boom der Identitären in Deutschland. In schnell geschnittenen kurzen
Statements des Clips erklären verschiedene Personen: „Wir sind die
Bewegung, deren Generation doppelt bestraft ist: Verurteilt, in ein
Sozialsystem einzuzahlen, das durch Zuwanderung so instabil wird, dass für
uns und unsere Kinder nichts mehr übrig bleibt.“
Und weiter: „Unsere Generation ist das Opfer der 68er, die sich selbst
befreien wollten von Traditionen, Werten, Familie und Erziehung. Aber sie
befreiten sich nur von ihrer Verantwortung.“ Und sie betonen: „Glaubt
nicht, das hier wäre einfach nur ein Manifest. Es ist eine Kampfansage an
diejenigen, welche ihr Volk, ihr Erbe, ihre Identität und ihr Vaterland
hassen und bekämpfen! Ihr seid das Gestern, wir sind das Morgen!“
In den sozialen Netzwerken tauchte immer öfter das schwarz-gelbe Logo der
Identitären auf: der Buchstabe Lambda. Ein kleines Heer der Spartaner soll
sich mit dem Lambda 480 v. Chr. am Thermopylen-Pass einer tausendfach
stärkeren Armee der Perser entgegengestellt haben. In einem Video erklären
sie: „Das Lambda, gemalt auf einem Schild stolzer Spartaner, ist unser
Symbol. Verstehst du, was es bedeutet? Wir werden nie zurückweichen!“
## Die rassistische Stimmung nutzen
Gern greifen sie popkulturelle Elemente auf. Ein immer wiederkehrendes
Motiv: spartanische Krieger im Stil von Frank Millers Comic „300“. In
Anspielung auf den linken Slogan „Refugees Welcome“ findet sich im
Internetshop der „Bewegung“ auch ein Shirt mit der Parole: „Islamists not
welcome“, auf dem ein Ritter einen Mann und eine verschleierte Frau
verjagt, die Maschinengewehre tragen.
Die Identitäre Bewegung Deutschlands, die eng mit dem neurechten „Institut
für Staatspolitik“ und dem Internetportal „Blaue Narzisse“ verwoben ist,
hat auch bei Pegida-Aktionen mitgewirkt. Ihr Vorsitzender ist Nils Altmiek,
ein junger Bauingenieur aus Nordrhein-Westfalen. Im Juni besetzten sie
kurzzeitig die Balkone der SPD-Zentralen in Berlin und Hamburg und rollten
dort Plakate gegen die Zuwanderung in Europa aus. Eine der wenige Aktionen
außerhalb des Internets.
Die NPD dagegen hat es oft nicht geschafft, die rassistische Stimmung in
Deutschland für sich zu nutzen. Frank Franz, den die Partei 2014 zu ihrem
neuen Vorsitzenden wählte, verlor die Bindung zu den Kameradschaften. Zu
bieder, zu fein ist er für die aktionistische Szene. Dazu kommt, dass die
Partei aus Sorge vor einem neuen Verbotsverfahren inzwischen bemüht moderat
auftritt: Sie vermeidet offene Bezüge zum Nationalsozialismus. Ihr Dilemma:
Je maßvoller sie sich gibt, umso mehr verliert sie an Szeneauthentizität.
„Radikalere können so weder gehalten noch gewonnen werden“, sagt Alexander
Häusler vom Forschungsschwerpunkt Rechtsextremismus der FH Düsseldorf. Mit
5.200 Mitgliedern sei die NPD zwar noch die größte Partei am weit rechten
Rand, doch durch die rassistischen Bewegungen in der Mitte der Gesellschaft
verlor sie ihr Alleinstellungsmerkmal. Zum anderen wurde die „nationalen
Bewegung“ durch die gegenwärtige Stimmung ermutigt, härter aufzutreten und
zuzuschlagen.
## Rechter Aktionismus
Die Großaktion am 17. August in Thüringen findet am Todestag des
NS-Verbrechers Rudolf Heß statt. Die NPD, „Die Rechte“, „Der III. Weg“…
rechtsextreme Wählerbündnis „Bündnis-Zukunft-Hildburghausen” (BZH) und d…
Tarninitiative „Wir lieben den Saale-Holzland-Kreis“ wollen sich in
Nordhausen, Eisenberg, Suhl und Erfurt ihr Land „gemeinsam zurückholen“.
Der rassistische Aktionismus eint.
Die Wahl des Datums zeige eine weitere Radikalisierung, sagt Stefan
Heerdegen von der Mobilen Beratung in Thüringen. Die Szene scheint von der
„Last“ der Seriosität und der Bürgernähe befreit zu sein. Stattdessen le…
sie „ihren Rassismus, ihre Nähe zum Nationalsozialismus und ihre
Gewaltbereitschaft momentan offen aus“, sagt Heerdegen. Der wachsende
rassistische Konsens in der Mitte der Gesellschaft bestärkt sie.
In Brüssel lässt sich Voigt nicht anmerken, dass seine Partei an Bedeutung
verliert. Ihn ermutige, dass die Angst vor „Übervölkerung“ nun viele
Deutsche erfasst hätte. Schon früher versicherte er: „Wir wollen ein
Deutschland der Deutschen.“
16 Aug 2015
## AUTOREN
Andreas Speit
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Schwerpunkt Rassismus
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