# taz.de -- Wachstum von Ökoflächen stagniert: Biolandbau dümpelt vor sich h… | |
> Der Boom beim biologischen Anbau ist vorbei – schlecht für die Umwelt. | |
> Denn konventioneller Anbau trägt die Hauptschuld am Artensterben. | |
Bild: Der Bio-Anbau in Deutschland ist zum Teil sogar rückläufig | |
Berlin taz | Obwohl die Deutschen vergangenes Jahr wieder mehr | |
Biolebensmittel gekauft haben, stagnierte die Größe der Fläche für | |
Ökolandbau. Äcker, Wiesen und Weiden mit Biozertifikat legten 2014 im | |
Vergleich zum Vorjahr nur noch unmerklich um 0,6 Prozent zu – das ist so | |
wenig wie noch nie. [1][Das zeigen Zahlen aller Bundesländer, die der taz | |
vorliegen.] (siehe Anmerkung am Ende des Textes) | |
Sie belegen erstmals auch, dass die Biofläche bereits 2013 nur um 0,7 | |
Prozent und nicht wie bislang wegen eines Statistikfehlers angenommen um | |
2,6 Prozent zugelegt hatte – mehrere Behörden haben ihre Angaben | |
korrigiert. Insgesamt wurden 2014 rund 1 Million Hektar Land ökologisch | |
bewirtschaftet, was 6 Prozent der Agrarfläche entspricht. | |
Wie niedrig die aktuellen Daten sind, zeigt sich im Vergleich zu den | |
Wachstumsraten früherer Jahre: 1996 etwa hatte die Ökofläche laut | |
Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung um 14 Prozent zugelegt, im | |
Jahr 2000 sogar um 21 Prozent. Seitdem gibt es einen rückläufigen Trend. | |
Für die Umwelt sind das schlechte Nachrichten. Denn die konventionelle | |
Landwirtschaft trägt Wissenschaftlern zufolge die Hauptschuld daran, dass | |
Pflanzen- und Tierarten aussterben. Biobauern dagegen müssen auf | |
Artenkiller wie chemisch-synthetische Pestizide und mineralische | |
Stickstoffdünger verzichten. Ihren Tieren gewähren sie Auslauf und mehr | |
Platz im Stall. Für die Verbraucher bedeutet eine stagnierende Biofläche in | |
Deutschland, dass mehr Ökoware importiert wird, da der Markt für | |
Biolebensmittel im Einzelhandel immer noch wächst – 2014 laut | |
Branchenverband BÖLW um 4,8 Prozent. | |
„Auf der betriebswirtschaftlichen Seite haben sich für manche Betriebe die | |
Erwartungen einfach nicht erfüllt“, sagte der Ökolandbauexperte des | |
bundeseigenen Thünen-Agrarforschungsinstituts, Gerold Rahmann, der taz. | |
Tatsächlich haben Ökobetriebe in den Wirtschaftsjahren 2012/2013 und | |
2013/2014 im Schnitt erstmals seit der Jahrtausendwende weniger verdient | |
als die herkömmliche Konkurrenz. Grund waren die stark gestiegenen Preise | |
für konventionelle Rohstoffe. | |
„Weil die Biopreise nicht so schnell nachziehen, schmilzt der Abstand zu | |
konventionellen Produkten, sodass die Bereitschaft sinkt, auf Ökolandbau | |
umzustellen“, ergänzte Analyst Hans-Christoph Behr vom | |
Marktforschungsunternehmen Ami. Zudem tragen Billigimporte etwa aus | |
Osteuropa zu niedrigen Biopreisen bei. | |
Eine weitere Ursache für die schlechte Entwicklung der Ökofläche sind | |
Rahmann zufolge die Biogasanlagen für die Stromerzeugung. Deren Betreiber | |
würden dank der gesetzlichen Förderung der Erneuerbaren Energien über die | |
Stromtarife so viel Geld verdienen, dass sie weit höhere Pachtpreise zahlen | |
könnten als Ökobauern. | |
„Die Biogasanlagenbetreiber haben ja 20 Jahre 2.000 Euro pro Hektar | |
garantiert“, rechnet der Wissenschaftler vor. Viele Ökolandwirte kämen mit | |
den Subventionen speziell für ihre Art der Landwirtschaft nur auf 500 Euro | |
– und lediglich mit einer fünfjährigen Garantie. | |
Gestiegen sind Pachtpreise auch, weil konventionelle Betriebe mit vielen | |
Tieren Flächen benötigen, um die Gülle aus ihren Ställen zu verklappen. | |
Tatsächlich zeigen Analysen des Thünen-Instituts, dass in vielen | |
Landkreisen, in denen die Pachtpreise besonders stark gewachsen sind, der | |
Bioanteil an der Agrarfläche besonders niedrig ist. | |
## Große Verluste in Thüringen | |
Die prozentual größten Verluste gab es in Thüringen, wo die Biofläche um | |
9,4 Prozent (3.431 Hektar) zurückgegangen ist. Das Agrarministerium in | |
Erfurt macht dafür vor allem einen Betrieb verantwortlich, der von bio auf | |
konventionell umgestellt hat. Dabei rächt sich, dass die Betriebe in | |
Thüringen so groß sind. Ähnlich könnte sich das Minus im zweitgrößten | |
Verliererland Mecklenburg-Vorpommern erklären, wo die Fläche um 4,7 Prozent | |
schrumpfte. | |
Einbußen musste auch Niedersachsen hinnehmen, dessen | |
Landwirtschaftsministerium seit Februar 2013 vom Star der grünen | |
Agrarpolitiker, Christian Meyer, geführt wird. Obwohl die Grünen so | |
vehement wie keine andere Partei für mehr bio kämpfen, verbuchte Meyer ein | |
Minus von 1,8 Prozent. | |
Der Minister teilte der taz mit, sein Land habe die Ökoförderprämien 2014 | |
und 2015 erhöht. Aber der Anstieg der Pacht und Bodenpreise in den | |
vergangenen drei Jahren in Niedersachsen zähle bundesweit zu den höchsten. | |
Nun wolle Niedersachsen die Prämien weiter erhöhen und helfen, die | |
Vermarktung von Ökoprodukten zu verbessern. | |
Anmerkung vom 07.08.2015: Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und | |
Ernährung (BLE) hat die Angaben zur Öko-Fläche in dieser [2][Woche nochmals | |
korrigiert]. Äcker, Wiesen und Weiden mit Biozertifikat legten demnach 2014 | |
im Vergleich zum Vorjahr nur um 0,3 Prozent zu. 2013 stieg die Fläche um | |
1,0 Prozent. | |
Eine Sprecherin des Bundesagrarministeriums begründete die ursprünglichen | |
Fehler damit, dass „unvollständige Daten von Bundesländern übermittelt | |
worden“ seien. Auf Nachfrage erklärte die BLE zudem, dass diese dem | |
Ministerium unterstellte Behörde aus Versehen eine Tabelle auf ihrer | |
Internetseite falsch aktualisiert habe. | |
26 Jul 2015 | |
## LINKS | |
[1] /fileadmin/static/pdf/OkoFlachen20132014.pdf | |
[2] http://www.ble.de/SharedDocs/Downloads/04_Programme/01_Oekolandbau/ZahlenOe… | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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