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# taz.de -- Barrieren in Jugendhilfeeinrichtungen: Ein paar Stufen zuviel
> Eine Rollstuhlfahrerin wurde vom Jugendamt in einer Wohnung ohne Rampe
> untergebracht. Dem schiebt die Heimaufsicht einen Riegel vor.
Bild: Treppe-Problem: Jugendhilfeeinrichtungen müssen nicht barrierefrei sein.
HAMBURG taz | Ein 17-jähriges Mädchen, das im Rollstuhl sitzt, ist in einer
Hamburger Jugendeinrichtung untergebracht, die nicht barrierefrei ist. Der
taz liegt ein Chat-Dialog vor, in dem die junge Frau ihre Unterbringung
beschreibt. „Das Haus ist hier kein Stück Rolli-gerecht ...“, berichtet sie
und schickt ein Foto dazu, auf dem ein Rollstuhl vor einer Eingangstreppe
mit sechs Stufen zu sehen ist.
Sie könne zeitweise nicht aus ihrem Bett, das seitliche Latten als Schutz
hat. Nachts fände sie das in Ordnung, aber der Schutz sei manchmal auch
tagsüber oben. „Am Tag möchte ich das ned“, schreibt sie. Sie könne die
Barriere selbst runter schieben, „aber wenn ich es unten haben möchte,
machen die Betreuer es wieder hoch“. Mitarbeiter des Pflegedienstes, die
drei Mal am Tag zu ihr kommen, hätten ihr gesagt, dass dies ohne
richterlichen Beschluss nicht erlaubt sei.
Der Träger der Jugendeinrichtung äußert sich aus Gründen des
Persönlichkeitsschutzes nicht und verweist auf den zuständigen Bezirk
Mitte. Deren Sprecherin Sorina Weiland räumt ein, dass die Einrichtung
keine Rollstuhlrampe habe. Es gebe aber Betreuer, die dem Mädchen über die
drei oder vier Stufen der Eingangstreppe helfen. „Es handelt sich um eine
Ausnahme, alle Maßnahmen sind mit den Jugendamt abgestimmt“, sagt Weiland.
Man habe keine andere Einrichtung gefunden.
„Der geschilderte Sachverhalt war hier so nicht bekannt“, sagte der
stellvertretende Sozialbehörden-Sprecher Oliver Kleßmann, nachdem die taz
ihn am Mittwoch vergangener Woche zu dem Fall befragte. „Die Heimaufsicht
wird den Fall nun überprüfen.“ Am Folgetag, dem 16. Juli, suchten
Mitarbeiter der Heimaufsicht die Wohngruppe auf und sprachen der Behörde
zufolge mit der jungen Frau, den Fachkräften und anderen Jugendlichen.
„Dem Träger wurde daraufhin unter anderem untersagt, das
Pflegebettenseitenteil tagsüber als Barriere zu nutzen“, sagt der Sprecher
der Sozialbehörde, Marcel Schweitzer. Hierzu sei ein richterlicher
Beschluss nötig, „der nicht vorliegt“.
Diese Jugendwohnung sei nicht barrierefrei, bestätigt Schweitzer. Eine
Verbreitung des Durchgangs zur Küche „konnte sofort umgesetzt werden“. Der
barrierefreie Zugang zum Bad und zum Haus an sich sei „baulich und zeitlich
aufwendiger“. Der Träger sei aufgefordert, bis zum Monatsende zu prüfen,
welche baulichen Maßnahmen technisch möglich sind. „Das kann eine Rampe
oder Hebevorrichtung sein“, sagt Schweitzer.
Generell sei jeder Jugendeinrichtung, die eine Betriebserlaubnis hat, eine
Aufnahme von „Menschen mit Assistenzbedarf nicht untersagt“. Wo aber für
Kitas strenge Richtlinien gelten, müssen Jugendhilfeeinrichtungen keine
barrierefreien Zugang gewähren, wenn sie Jugendliche im Rollstuhl
aufnehmen. Bei Jugendhilfeeinrichtungen sei die „nicht so explizit
geregelt“, sagte Kleßmann von der Sozialbehörde. „Dies kommt so selten
vor.“
„Inklusion ist in der Jugendhilfe ein Thema, an dem man noch arbeiten
muss“, sagt Stefanie Könnecke vom Verein „Leben mit Behinderung“. Es gebe
in Hamburg nur wenige Plätze in Jugendwohnungen für Rollstuhlkinder. Das
müsse man ändern, um zu verhindern, dass diese Kinder im Umland
untergebracht werden.
„Es ist positiv, dass die Heimaufsicht hier so schnell geprüft und Auflagen
erteilt hat“, sagt die Jugendpolitikerin Sabine Boeddinghaus (Die Linke).
Grundsätzlich sollten aber für jene Jugendwohnungen, die Rollstuhlkinder
aufnehmen, „die gleichen Richtlinien gelten wie für Kitas“.
23 Jul 2015
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
Hamburg
Jugendhilfe
Sozialbehörde
Rollstuhl
Jugendamt
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Bremen
Inklusion
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