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# taz.de -- Leidenschaft: „Man muss sich um nichts kümmern“
> Bärbel und Detlef Scharpen aus Stade waren mal Camper. Jetzt sind sie
> begeisterte Kreuzfahrer.
Bild: Genießen die Sonne, bevor das Schiff ablegt: Bärbel und Detlef Scharpen…
taz: Herr und Frau Scharpen, ist es nicht langweilig auf einer Kreuzfahrt?
Beide: Nein.
Was macht man denn den lieben langen Tag?
Bärbel Scharpen: Entweder das Schiff liegt im Hafen, dann ist man an Land
unterwegs. Oder, bei längeren Fahrten, hat man auch mal Seetage dazwischen.
Die kann man eigentlich nur genießen.
Das heißt?
Detlef Scharpen: Es gibt meistens eine Wellness-Oase, da kann man sich auf
die Liegen legen. Dann kriegt man aber vom Programm an Bord nicht viel mit.
Und was gibt’s da?
Detlef Scharpen: Es gibt mehrere Bühnen, wo was los ist. Man kann sein Geld
auch im Casino verspielen.
Bärbel Scharpen: Es gibt auch Tanzkurse, ein Show-Ensemble, das bei
Seetagen schon morgens am Pool-Deck spielt und jeden Abend mit einer
anderen Show auftritt, Schiffsrundgänge, eine Kunstauktion, wo man Bilder
ersteigern kann. Man kann Dart spielen, Volleyball, viel Sport machen. Es
gibt ein richtiges Fitnesscenter, mit Laufbändern und so, immer schön mit
Blick nach draußen. Da gibt es auch Kurse. Aber das haben wir noch nicht
gemacht.
Detlef Scharpen: Wer sich beschäftigen will, kann sich beschäftigen.
Freizeitstress?
Bärbel Scharpen: Kann passieren. Zwischendurch muss man ja auch immer noch
essen. Wenn man noch was von den Städten sehen will, wo man anlegt, wird es
schon eng.
Gibt es nicht dauernd Essen? Ich habe von sechs Mahlzeiten am Tag gehört.
Detlef Scharpen: Kann man haben, ja.
Wenn man irgendwo an Land geht und es einem gefällt, kann man nicht so
lange bleiben, wie man will. Fühlt man sich nicht fremdbestimmt?
Bärbel Scharpen: Eigentlich nicht. Man kann ja an Land machen, was man
will. Oder eben eine von Aida organisierte Tour mit dem Fahrrad oder
E-Bike, zum Golfspielen oder Tauchen. Dann hat man eine deutsche
Reiseleitung und versteht, was die sagen. Das war immer ganz gut.
Detlef Scharpen: Man muss sich um nichts kümmern.
Darum geht’s, oder? Dass man sich um nichts kümmern muss?
Bärbel Scharpen: Ja, zum Teil schon. Letztes Mal haben wir nette Leute
kennengelernt, die alles selbst organisiert haben, denen haben wir uns
angeschlossen.
Detlef Scharpen: Die beiden haben im Vorfeld alles rausgesucht. Auf Madeira
hat uns dann Miguel, ein Taxifahrer, der sehr gut deutsch sprach, über die
Insel gefahren. Der hat uns überall dahin gebracht, wo wir hinwollten. Also
man kann die Ausflüge auch in Eigenregie machen.
Bärbel Scharpen: Das ist auch sehr viel günstiger.
Denn billig ist der Spaß ingesamt nicht, oder?
Detlef Scharpen: Ja, das stimmt. Aber man weiß vorher, was man bezahlt. Bei
Aida ist alles inklusive, sogar Trinkgelder. Auf anderen Schiffen kommen
pro Tag zwölf Dollar an Trinkgeldern dazu.
Bärbel Scharpen: Nur die Getränke, die man nicht am Tisch trinkt, und die
Ausflüge sind extra.
Sie sind große Aida-Fans?
Bärbel Scharpen: Genau. Wir haben das vor sechs Jahren zum ersten Mal
gebucht. Heute haben wir eine persönliche Aida-Beraterin. Wenn wir uns für
ein Reiseziel entschieden haben, fragen wir sie direkt.
Detlef Scharpen: Man muss zum Essen nicht im dunklen Anzug erscheinen. Wir
haben mal eine Wochenendtour mit der „Queen Mary“ gemacht, da war abends
Gaderobe angesagt. „Informelle Kleidung“: Herren in Sakko und Schlips,
Damen im Kostüm.
Klingt nicht so nach Freizeit.
Detlef Scharpen: Für uns ist das nichts.
Bärbel Scharpen: Natürlich kann man sich auf der Aida auch schön anziehen,
wenn man möchte. Das ist kein Problem. Machen auch einige.
Wie würden Sie das Publikum bei Kreuzfahrten beschreiben?
Detlef Scharpen: Das geht von bis. Es gibt einen Kids-Club, einen
Teens-Club, junge Leute, alte Leute, Leute im Rollstuhl, die ganze
Bandbreite. Es kommt eher darauf an, wann man fährt. Wir waren mal an
Pfingsten auf Kreuzfahrt, da waren Kegelvereine und ich weiß nicht was für
Kränzchen an Bord. In den Ferien sind ganz viele Kinder dabei.
Bärbel Scharpen: Alle, die etwas erleben wollen. Wenn jemand nur seine Ruhe
haben will, ist er dort falsch. Weil man auf der Aida immer irgendwas
macht.
Detlef Scharpen: Dass sich jemand den ganzen Tag in die Kabine setzt, ist
eher die Ausnahme.
Bärbel Scharpen: Aber man wird nicht ständig animiert, sondern auch in Ruhe
gelassen.
Sind Sie schon immer auf Kreuzfahrt-Urlaube gegangen?
Bärbel Scharpen: Nein. Früher haben wir Camping-Urlaube gemacht, als unsere
Kinder noch im Haus waren.
Wie kamen Sie vom Camping zur Kreuzfahrt?
Bärbel Scharpen: Wir haben schon immer damit geliebäugelt. Dann kam mein
50. Geburtstag und mein Mann suchte ein schönes Geschenk. Die Fahrt hat uns
so gut gefallen, dass wir gesagt haben: „Komm, das machen wir wieder.“ Das
war eine Mittelmeerkreuzfahrt, sieben Tage, mit der „Aida“.
Detlef Scharpen: Gleich am Flughafen auf Mallorca haben wir ein Ehepaar aus
unserem Nachbardorf kennengelernt, das war sehr nett. Wir sind immer noch
befreundet.
Und campen gehen Sie jetzt nicht mehr?
Detlef Scharpen: Doch, der Wohnwagen steht vor der Tür, morgen geht’s los.
Bärbel Scharpen: Ja, morgen müssen wir damit los.
Keine Lust mehr auf Campen?
Bärbel Scharpen: Nicht so richtig, nein. Campen ist toll, wenn man jung ist
und kleine Kinder hat. Aber die Zeit ist für uns abgelaufen.
Also sind Kreuzfahrten was fürs Alter?
Beide: Nö.
Bärbel Scharpen: Das würde ich auch machen, wenn ich jünger wäre. Die
Urlaube sind einfach schön.
Detlef Scharpen: Man hat sein Hotel dabei, wacht jeden Tag in einer anderen
Stadt auf, meistens auch in einem anderen Land. Was will man mehr.
Ist die Kreuzfahrgeschichte nicht das Gegenteil von Individualurlaub?
Detlef Scharpen: Die letzte Kreuzfahrt war ja ganz individuell. In den
Häfen waren wir alleine unterwegs. Wenn man natürlich die Angebote vom
Veranstalter annimmt, ist es so: Man wird irgendwohin gekarrt, da sagen die
dann: „Hier ist es schön zum Fotografieren“, und alle raus, klack, klack,
klack, und dann geht es weiter. Man hat kurz Freizeit und muss wieder zum
Schiff. Das ist schon sehr durchorganisiert.
Bärbel Scharpen: Es kommt ja auch darauf an, wo das Schiff liegt. Manchmal
ist der Hafen weit weg von der Stadt, die man besichtigen möchte. Zum
Beispiel Paris, da sind wir nicht hingefahren: vier Stunden hin, zwei
Stunden Aufenthalt, vier Stunden zurück. Da könnten wir auch von Hamburg
nach Paris fahren.
Detlef Scharpen: Die Touren haben aber auch Vorteile: Wenn man auf eigene
Faust unterwegs ist und irgendwas passiert und man es nicht zum Treffpunkt
schafft, dann fahren die auch irgendwann ohne einen weiter. Wenn man
hingegen mit der Aida-Tour unterwegs ist, und der Bus verreckt, dann wartet
das Schiff natürlich. Es bietet also eine gewisse Sicherheit.
Es ist nicht besonders darauf ausgerichtet, dass man seine Tage individuell
verplant, oder?
Detlef Scharpen: Man kann, muss aber nicht. In Neapel waren wir den ganzen
Tag zu Fuß in der Stadt unterwegs. In Barcelona haben wir die Aida-Tour
mitgemacht: Da hatten die Busse organisiert, die im Kreis fuhren, man
konnte jederzeit rein und raus und sich so viel Zeit lassen in der Kirche
La Sagrada Familia, wie man wollte. Dann ging man wieder vor die Tür und
weiter ging‘s.
Geht es darum: Risikominimierung im Urlaub? Die Abläufe sind ja
reibungslos.
Detlef Scharpen: Ja. Das Schöne ist: Man fährt hier von Stade los, zum
Flughafen. Dann zum Hafen, da liegt der Rote Teppich, und ab dann geht
alles wie von selbst.
Um einen herum sprechen alle deutsch. Fehlt da nicht der Reiz des Fremden
für das Urlaubsgefühl?
Bärbel Scharpen: Nein, es sind mehrere Nationen vertreten. Aber die
Bordsprache ist deutsch. Die Restaurants haben Themenabende. Da gibt’s mal
italienisches, chinesisches oder spanisches Essen.
Aber um einen herum sitzen vielleicht die Leute aus dem Nachbardorf.
Detlef Scharpen: Ja, aber es gibt keine Tischordnung, man setzt sich hin,
wo man will. Wir setzen uns auch gerne an einen großen Achter-Tisch. Man
kommt dann automatisch ins Gespräch und lernt die Leute kennen.
Bärbel Scharpen: Das finden wir gut. Bei der „Aida“ zumindest. Bei der
„Queen Mary“ gibt es eine Tischordnung.
Detlef Scharpen: Am Eingang des Restaurants nimmt einen jemand in Empfang
und leitet einen direkt zum Tisch. In einer fließenden Bewegung kriegt man
dann direkt den Stuhl in die Kniekehlen geschoben und gleichzeitig die
Serviette übers Knie gelegt.
Bärbel Scharpen: Und alles ist auf englisch. Klar können wir das verstehen
und man gewöhnt sich auch daran. Aber auf der „Aida“ fühlen wir uns wohle…
Also wenn deutsch gesprochen wird, fehlt ihnen nichts?
Bärbel Scharpen: Nein, wir finden das besser.
Was macht man eigentlich, wenn man seekrank wird?
Detlef Scharpen: Bisher waren wir immer seefest, aber es gibt an der
Rezeption Tabletten, und der Arzt gibt einem eine Spritze – man ist
komplett versorgt.
Haben Sie schon die nächste Kreuzfahrt im Kopf?
Bärbel Scharpen: Nicht nur im Kopf. Die ist zwar erst im nächsten Jahr,
aber schon gebucht: Mit dem neuen Aida-Schiff, der „Aida Prima“, die
Metropolen-Tour. Die haben wir zwar fast genauso schon gemacht, aber wir
suchen uns dann andere Ausflugsziele aus. Wir wollen ja auch das Schiff
kennenlernen.
Also das Schiff ist das Ziel?
Bärbel Scharpen: Ja, in dem Fall schon.
Was ist denn anders?
Bärbel Scharpen: Es ist größer. Hat noch mehr Restaurants, mehr
Möglichkeiten, etwas zu machen.
Detlef Scharpen: Es gibt einen Currywurst-Stand. Das gab‘s vorher nicht.
12 Jul 2015
## AUTOREN
Katharina Schipkowski
## TAGS
Kreuzfahrt
Massentourismus
Umweltbilanz
Hamburg
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