# taz.de -- Flüchtlinge in Italien: Renzi droht der EU mit Plan B | |
> Italiens Regierung verlangt eine gerechtere Verteilung der | |
> Bootsflüchtlinge. Doch die meisten ziehen ohnehin unkontrolliert gen | |
> Norden. | |
Bild: Gestrandet. Flüchtlinge wollen von Italien nach Frankreich weiterreisen. | |
ROM taz | Beim Treffen der EU-Innenminister am Dienstag über die Verteilung | |
der Flüchtlinge in Europa ist Ärger programmiert. Italiens Regierungschef | |
Matteo Renzi fordert größere Solidarität von den EU-Staaten und droht im | |
Falle eines Scheiterns der Gespräche mit einem „Plan B“. | |
Schon der bisherige Vorschlag der EU-Kommission, 24.000 Flüchtlinge von | |
Italien und 16.000 von Griechenland aus in anderen Staaten unterzubringen, | |
sei „fast eine Provokation“ angesichts der Tatsache, dass allein in Italien | |
im laufenden Jahr über 57.000 Menschen übers Mittelmeer gekommen seien. | |
Zudem stoße das Kommissionsvorhaben auf großen Widerstand zahlreicher | |
EU-Mitgliedsländer. | |
Zusätzlich spitzte sich in Italien die Situation in den letzten Tagen nicht | |
zuletzt deshalb zu, weil Deutschland rund um den G-7-Gipfel auf Schloss | |
Elmau für den Zeitraum vom 26. Mai bis zum 15. Juni das Schengen-Abkommen | |
ausgesetzt hatte. Dadurch wurden vor allem Eritreer oder Syrer an der | |
Weiterreise nach Norden gehindert. | |
Zugleich intensivierte Frankreich die Kontrollen an der Grenze zu Italien | |
und machte so einen weiteren Reiseweg dicht. Einige Dutzend Flüchtlinge aus | |
Eritrea, Sudan und anderen afrikanischen Ländern hängen deshalb an der | |
Grenze zu Frankreich fest. | |
Sie hatten am Wochenende die Felsen am Meer direkt vor dem Grenzübergang | |
besetzt, einen Hungerstreik erklärt und mit Transparenten und Sprechchören | |
gegen die Politik der geschlossenen Grenzen protestiert. Neben ihnen sind | |
jedoch weitere 350 Personen im nahen Bahnhof von Ventimiglia gestrandet. | |
## 800 Menschen kampieren im Freien | |
Dramatisch war die Situation auch am Hauptbahnhof von Mailand und am | |
Tiburtina-Bahnhof in Rom. In Rom kampierten Ende letzter Woche etwa 800 | |
Personen zumeist im Freien, da das nahe Aufnahmezentrum „Baobab“ mit seinen | |
190 Schlafplätzen schon völlig überbelegt war. | |
In einem Einsatz versuchte die Polizei zunächst, vor allem Eritreer | |
festzunehmen, um sie durch die Behörden identifizieren zu lassen. Insgesamt | |
18 Personen wurden aufgegriffen, um ihnen die Fingerabdrücke abzunehmen. | |
Für sie heißt es, dass sie bei einer Weiterreise nach Deutschland und | |
Schweden umgehend nach Italien zurückgeschickt würden, wie es das | |
Dublin-Abkommen der EU vorsieht. | |
Doch diese Polizeiaktion blieb ein isolierter Einzelfall. In den Folgetagen | |
errichtete das Rote Kreuz eine kleine Zeltstadt direkt hinter dem Bahnhof, | |
von Zwangsidentifizierung der insgesamt über 800 Flüchtlinge ist nun nicht | |
mehr die Rede. | |
Ähnlich ist die Lage in Mailand, wo der Bahnhof selbst zur prekären | |
Heimstatt von ebenfalls Hunderten Personen, die eigentlich den Zug Richtung | |
Norden nehmen wollen, geworden ist. Hier stellten die Bahn und die Stadt am | |
Ende leerstehende Ladenlokale im Bahnhof als provisorische Schlafstätte zur | |
Verfügung. | |
Eben die Abriegelung der Grenzen ist es, die die von Italien de facto schon | |
betriebene Flüchtlingsumverteilungspolitik in die Krise gebracht hat. | |
Letztes Jahr trafen 170.000 Menschen an den Küsten des Landes ein, doch nur | |
gut 64.000 von ihnen stellten vor Ort einen Asylantrag, während der große | |
Rest weiterreiste. Im Jahr 2015 stieg die Zahl der Ankünfte nur um gut 10 | |
Prozent gegenüber 2014, doch die Quote derer, die in Italien identifiziert | |
wurden und einen Asylantrag stellten, stieg auf 60 Prozent. Dies heißt aber | |
auch: Mehr als 20.000 machten sich seit dem 1. Januar Richtung Norden auf. | |
Deshalb fordert Renzi jetzt europäisches Entgegenkommen. Worin sein Plan B | |
besteht, enthüllte er bisher nicht. Doch die Drohung steht im Raum. | |
15 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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