# taz.de -- Ein Jahr „Krautreporter“: „Gute Recherche ist Mangelware“ | |
> Die Macher des Onlineportals sind zufrieden. Mit dem Berliner „Correctiv“ | |
> sammelt die lokale Konkurrenz gerade Geld ein. | |
Bild: Zukunft ungewiss: Büromaterial der Krautreporter. | |
Wer so laut auftritt, muss auch liefern. „Wir kriegen das wieder hin“, | |
hatten vor einem Jahr recht großspurig ein paar Journalisten versprochen. | |
Sie sammelten Geld [1][für ihr Projekt] Krautreporter und empfahlen sich | |
als Retter des Onlinejournalismus, der – was stimmt – nur allzu oft von | |
Anzeigen abhängig sei und deshalb häufig Masse statt Klasse biete. Viele | |
klassische Medienmacher belächelten bis missachteten deshalb die Aktion und | |
hofften, dass die Aktion ins Leere laufen würde. | |
Vor genau einem Jahr [2][aber war klar]: Ein paar Leser wollten die | |
Alternative. Gut 15.000 Ein-Jahres-Abos zu je 60 Euro verkauften die | |
Krautreporter, bevor es überhaupt ihr Portal gab – die meisten davon | |
tatsächlich an Konsumenten, einige aber auch im dicken Bündel an | |
Institutionen wie die Rudolf-Augstein-Stiftung. | |
Seitdem bieten die Krautreporter eine bunte Mischung: Das Drama eines | |
Bergsteigers, der das Erdbeben in Nepal überlebte, ist ebenso Thema wie das | |
Gespräch mit einer Prostituierten, der Wandel im Einzelhandel, die Frage, | |
warum Lokführer vielleicht doch streiken sollten. Gerade geht es wiederum | |
um Öl und was daraus wird. | |
Manches, was die Krautreporter niederschreiben, ist ein echter | |
publizistischer Gewinn. Sebastian Esser, der das Projekt angeschoben hat | |
und heute Herausgeber ist, sagt, dass er sich das mit der Redaktion | |
„einfacher“ vorgestellt hat. Einiges fasere aus, es fehle mitunter eine | |
klare Richtung. Insgesamt seien die Krautreporter aber „auf dem richtigen | |
Weg. Es läuft gut“. | |
Die große Frage ist, ob das seine Leser auch so sehen. Obwohl nach dem Ende | |
der Crowdfunding-Phase 3.000 Mitglieder dazukamen, die also das Produkt | |
überzeugt hat, ist die Zukunft des Projekts ungewiss. Die Krautreporter | |
müssen ihre vielen Erstförderer dazu bringen, dass sie ihr auf ein Jahr | |
begrenztes Engagement in eine dauerhafte Mitgliedschaft ausdehnen. „Davon | |
hängt ab, wie hoch unser Budget fürs zweite Jahr ist“, sagt Esser. Diese | |
Überzeugungsarbeit sei „die große Hürde, an die wir jetzt ständig denken�… | |
## Vorbild „De Correspondent“ | |
Dass er weiter machen wird, daran zweifelt Esser allerdings nicht. Er will | |
sehr bald die ursprüngliche Funktion des Portals Krautreporter | |
wiederbeleben: die Möglichkeit, Geld für einzelne Recherchen und Produkte | |
zu sammeln. Das Ganze soll „Write that down“ heißen und nicht wie früher | |
nur auf deutsche Projekte beschränkt sein. Esser weiß, dass dieses Portal | |
Krautreporter-Ressourcen binden wird. „Das Magazin wird es weiter geben“, | |
sagt er, „möglicherweise in einer etwas niedrigeren Frequenz.“ | |
Beim niederländischen Vorbild De Correspondent war die Sache schnell klar: | |
Das Portal ist mit 18.000 Abonnenten gestartet, heute sind es gut 33.000. | |
Allerdings ist die dortige Presselandschaft übersichtlicher, Alternativen | |
haben es einfacher. Außerdem verlangt De Correspondent für das Lesen der | |
Texte Geld, Krautreporter etwa auch für die Möglichkeit, auf der Seite zu | |
diskutieren. Auf diese Weise fängt man viele Trolle ab. | |
Am Samstag wollen die Krautreporter mit einer Party in Berlin für sich | |
werben, zudem mit einem Rundschreiben. In ihrer werktäglichen „Morgenpost“, | |
dem erfolgreichsten Format der Krautreporter, gibt die schon angelaufene | |
Eigenreklame hingegen ein trauriges Bild ab: Die Macher interviewen sich | |
selbst. „Erzähl mal, wie wir uns kennen gelernt haben“, heißt es dann. | |
Besonders hart dürfte die Krautreporter treffen, dass ihnen nun ein anderes | |
Projekt die Show stiehlt. In der Kampagne tönten sie noch: „Was Mangelware | |
ist, ist gute Recherche.“ Die will schon seit ein paar Monaten das | |
ebenfalls in Berlin [3][ansässige Projekt Correctiv] bieten, das mit einer | |
gestern angelaufenen Kampagne 5.000 Unterstützer sucht, etwa für eine | |
„mobile Lokal-Redaktion“. Und genau hier klafft bei den Krautreportern auch | |
nach einem Jahr eine Lücke: Sie berichten zwar gerne opulent aus dem | |
Ausland, aber viel zu selten aus der deutschen Provinz. | |
13 Jun 2015 | |
## LINKS | |
[1] https://krautreporter.de | |
[2] /Online-Journalismus-der-Krautreporter/!5040083 | |
[3] https://correctiv.org/ | |
## AUTOREN | |
Daniel Bouhs | |
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