# taz.de -- Stiftungsfinanzierter Journalismus: Dranbleiben am Thema | |
> Correctiv bekommt Konkurrenz: Ilan Greenberg, der Mitbegründer von Coda | |
> Story, recherchiert über Flüchtlingsbewegungen in Deutschland. | |
Bild: Flüchtlingskinder spielen Fußball im Hangar auf dem Tempelhofer Feld in… | |
Ilan Greenberg hat sich für drei Monate in Friedenau eingenistet. Der | |
Rechercheur motzt über den Berliner Winter. Der sei zwar genauso kalt wie | |
der in seiner Wahlheimat New York, aber viel düsterer. „Das ist richtig | |
deprimierend hier!“ Aber Greenberg hat eine Mission. Er arbeitet daran, | |
Ursachen und Folgen der Flüchtlingsbewegung nach Europa aufzuarbeiten, vor | |
allem am Beispiel Deutschland und damit nicht zuletzt am Beispiel Berlin. | |
Das klingt nicht originell, ist ihm aber wichtig. | |
„In deutschen Medien war das Thema natürlich lange groß“, sagt Greenberg, | |
„aber in den USA hat sich – zumindest bis zur Wahl – kaum einer richtig | |
dafür interessiert. Und auch in Deutschland gibt es inzwischen eine Lücke. | |
Die wollen wir füllen.“ Greenberg wird seine ersten Geschichten Ende dieser | |
Woche – vermutlich in der Nacht zu Freitag hiesiger Zeit – auf | |
[1][codastory.com] veröffentlichen. | |
Der US-Journalist, der zu Hause journalistische Schreibe lehrt und für das | |
Wall Street Journal ebenso gearbeitet hat wie für die New York Times, ist | |
Mitgründer von Coda. Das Versprechen der Plattform: „Stay on the story“ – | |
„Dranbleiben am Thema“. | |
Das neue Portal hatte bereits einen Testlauf. Wer die Seite besucht, findet | |
Hintergründe zur LGBT-Szene in Russland und anderen Ex-Sowjetstaaten – vom | |
hässlichen Einfluss des Kremls über die obskuren Positionen der orthodoxen | |
Kirche bis zum Informationskrieg, mit dem Homophobe die LGBT-Szene im | |
Digitalen attackieren. | |
## Spender gewinnen | |
„Wenn wir ‚Breaking News‘ liefern können, dann machen wir das natürlich | |
gerne“, sagt Coda-Mitgründer Greenberg zum Konzept. „Aber unser Fokus sind | |
hintergründige Geschichten – und wir setzen alles daran, dafür einen | |
interessanten Blickwinkel zu finden. Leute in Australien, New York oder | |
Kalifornien sollen sich auch dafür interessieren, wie Deutschland mit | |
Geflüchteten umgeht.“ | |
Das Modell von Coda ähnelt dem des Berliner Recherchebüros Correctiv: Auch | |
Coda setzt auf Fördermittel von Stiftungen und möchte zudem einzelne | |
Mediennutzer als Spender gewinnen. | |
Als Correctiv vor gut zwei Jahren an den Start ging, fragten sich viele, | |
wie nachhaltig das wird, doch dieses Projekt gedeiht tatsächlich: Neben der | |
Essener Brost-Stiftung als Großförderer finanzieren andere Institutionen | |
kleinere Projekte von Correctiv, dazu kommen immerhin 1.600 | |
Fördermitglieder, die im Schnitt 10 Euro im Monat geben. Tendenz: steigend. | |
Coda-Gründer Greenberg macht keinen Hehl daraus: Natürlich sei so eine | |
Patchwork-Finanzierung anstrengend. So wie er als freier Autor mit | |
Geschichten hausieren gehen müsse, komme das auf sein neues Projekt für die | |
Themenschwerpunkte auch zu. Und, ja, jeder Förderer bringe irgendeine | |
Agenda mit. | |
## Klare Interessen | |
Seinen ersten Schwerpunkt zu Migration finanziere beispielsweise im | |
Wesentlichen die Bosch-Stiftung. „Die hat ein klares Interesse an | |
Entwicklungen in Deutschland – also bin ich nicht in Paris, sondern in | |
Berlin“, sagt Greenberg, fragt dann aber auch: „Aber ist das schlimm? Ich | |
denke, nicht.“ | |
Auch bei einem anderen Ansatz ist Coda sehr ähnlich gelagert zu Correctiv: | |
Was Coda recherchiert, erscheint einerseits frei im Netz, andererseits aber | |
auch in den Zeitungen und Onlineportalen von Partnern. Darunter gehört | |
beispielsweise bereits der britische Guardian. | |
In Deutschland sucht Greenberg noch Partner. „Dann würden wir einzelne | |
Geschichten auch übersetzen“, sagt er, der derzeit einen Schreibtisch bei | |
der Berliner Journalistenschule hat, die anderweitig oft mit der | |
Bosch-Stiftung kooperiert. | |
Projekt Nummer drei steht ebenfalls bereits fest: Coda will sich mit der | |
Welle aus Desinformation beschäftigen, die vor allem von Osteuropa in das | |
Netz flutet. Eine andere Coda-Mitgründerin koordiniert das Projekt von | |
Georgien aus. | |
„Spätestens seit der Wahl von Trump ist das Thema relevant“, sagt | |
US-Journalist Greenberg. Er selbst kümmert sich allerdings erst mal um | |
Geflüchtete. Mit ihnen habe er vorerst gut zu tun. | |
30 Nov 2016 | |
## LINKS | |
[1] https://codastory.com/ | |
## AUTOREN | |
Daniel Bouhs | |
## TAGS | |
Journalismus | |
Correctiv | |
Lokaljournalismus | |
Correctiv | |
Journalismus | |
Journalismus | |
Krautreporter | |
Correctiv | |
Correctiv | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Initiative für Lokaljournalismus: Geflüchtete beim Kaninchenzüchter | |
Das Projekt „Newscomer“ möchte Menschen mit Fluchtgeschichte in den | |
Lokaljournalismus holen. Dafür gibt es nun ein Crowdfunding. | |
Journalisten und Internetkonzerne: Die falsche Story | |
Bei Kooperationen wie der von Correctiv und Facebook geht es um den | |
Anschein von Offenheit. Das untergräbt journalistische Glaubwürdigkeit. | |
Start Ups in der Medienbranche: Gekommen, um zu bleiben | |
Den Medien geht die Luft aus? Quatsch. Die Szene entwickelt immer neue | |
Projekte. Ein unvollständiger Überblick. | |
Ein Jahr Correctiv: Anleitung zum Piesacken | |
Nach einem Jahr hat das Recherchebüro Correctiv einen neuen Chefredakteur. | |
Markus Grill kommt vom „Spiegel“. Er setzt auf mehr Vernetzung. | |
Ein Jahr „Krautreporter“: „Gute Recherche ist Mangelware“ | |
Die Macher des Onlineportals sind zufrieden. Mit dem Berliner „Correctiv“ | |
sammelt die lokale Konkurrenz gerade Geld ein. | |
Klage gegen Auswärtiges Amt: Bei Schweigen Projektor | |
Das Recherchebüro „Correctiv“ wirft dem Auswärtigen Amt vor, sein Wissen | |
zum Abschuss der MH17 über der Ukraine zu verschweigen. | |
Journalist über rechten Terror: „Nazis lesen keine Comics“ | |
David Schraven hat über die Dortmunder Neonazi-Szene berichtet. Im Comic | |
„Weiße Wölfe“ wird seine Recherche nun nacherzählt. |