# taz.de -- NSU-Prozess in München: Zschäpe misstraut ihrer Verteidigerin | |
> Beate Zschäpe will ihre Pflichtverteigerin Anja Sturm mit einem | |
> Misstrauensantrag loswerden. Das dürfte nicht so einfach werden. | |
Bild: Die mutmaßliche NSU-Terroristin will sich nichts mehr von ihrer Anwälti… | |
BERLIN taz | Der Prozesstag hatte noch nicht richtig begonnen, da war er | |
auch schon wieder vorbei. Man starte heute eine halbe Stunde später, teilte | |
Richter Manfred Götzl am Mittwochmorgen im Saal A 100 mit. Wenig später | |
sagte er den ganzen Prozesstag ab: Die Angeklagte Beate Zschäpe habe einen | |
Misstrauensantrag gegen ihre Verteidigerin Anja Sturm gestellt. | |
Erneut ein Aufstand Zschäpes im Münchner NSU-Prozess also. Bereits im | |
letzten Juli hatte die Angeklagte gegen ihre Verteidigung aufbegehrt. | |
Damals wollte sie alle drei Anwälte entbinden – neben Sturm sind das | |
Wolfgang Stahl und Wolfgang Heer. Zschäpe ist des mehrfachen Mordes | |
beschuldigt. Sie sei mitverantwortlich für die zehn Morde, drei Anschläge | |
und mehrere Raubtaten des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU). | |
Laut Gericht hatte die Angeklagte bereits am Morgen, vor Sitzungsbeginn, | |
dem Senat einen schriftlichen Antrag gegen Sturm übergeben. Im Sitzungssaal | |
erschien sie zuerst allein, ohne ihre Anwälte. Als Götzl sie später zu den | |
Beweggründen ihres Antrags fragte, blieb Zschäpe stumm. Auch Sturm ließ den | |
Vorgang unkommentiert. Zum jetzigen Zeitpunkt, sagte sie der taz, äußere | |
sie sich dazu nicht. | |
Der Senat setzte darauf den Prozess für den Mittwoch aus. Am kommenden | |
Dienstag soll weiterverhandelt werden – falls dann noch keine Entscheidung | |
des Gerichts vorliegt, vorerst nur mit den Verteidigern Stahl und Heer. Der | |
Senat werde nun prüfen, sagte Gerichtssprecherin Andrea Titz, ob Zschäpe | |
„stichhaltige Gründe vorgetragen hat, dass das Vertrauensverhältnis zu | |
ihrer Verteidigerin endgültig und nachhaltig erschüttert ist“. | |
## Absolute Ausnahme | |
Das dürfte schwierig werden. Der Bundesgerichtshof hat dafür 2004 hohe | |
Hürden gelegt. Aber selbst bei einem Verteidigerwechsel würde der Prozess | |
nicht platzen. Ein Verteidiger muss – anders als ein Richter – nicht | |
während des gesamten Prozesses anwesend sein. Dem neuen Pflichtanwalt | |
müsste allerdings Zeit gegeben werden, sich in das komplexe Verfahren | |
einzuarbeiten. Normalerweise ist eine Unterbrechung von drei Wochen | |
möglich. Wenn der Prozess bereits länger als zehn Verhandlungstage läuft, | |
wie beim NSU-Verfahren, darf die Pause einen Monat dauern. | |
Gerichtssprecherin Titz machte wenig Hoffnung: Die Enthebung eines | |
Pflichtverteidigers sei eine „absolute Ausnahme. Nicht zuletzt um zu | |
vermeiden, dass ein Angeklagter ein Verfahren durch unbegründete Anträge | |
torpedieren könnte“. | |
Warum sich Zschäpes Unmut nur gegen Sturm richtet, ist unklar. Die | |
45-Jährige hatte zwar etwas defensiver verteidigt als ihr Kollege Stahl, | |
nicht aber anders als Heer. Sturm stieß allerdings als Letzte ins | |
Anwälte-Team dazu. Generell tritt das Trio im Prozess sehr zurückgenommen | |
auf. | |
## Allgemein unzufrieden mit Verhandlungsführung | |
Anja Sturm, zu Prozessbeginn mit Kanzlei in Berlin, ist von Anwaltskollegen | |
für ihr Mandat harsch angegangen worden. Ihr eigener Kanzlei-Chef | |
distanzierte sich: Man wolle sich nicht immer wieder für ein Mandat | |
rechtfertigen, das man „selbst niemals angenommen hätte“. Sturm wechselte | |
darauf zum Büro ihres Kollegen Wolfgang Heer nach Köln. | |
Möglicherweise ist Zschäpes Vorstoß auch der Versuch, Sturm gegen einen | |
anderen Verteidiger auszutauschen. Bereits seit Längerem hält sie Kontakt | |
zu einem Baden-Württemberger Anwalt. | |
Dass Zschäpe ihren Antrag gerade am Mittwoch stellte, könnte mit einem | |
geladenen Zeugen zu tun haben: Tom T., ein früherer Weggefährte, Mitglied | |
der Kameradschaft Jena – der auch das spätere NSU-Trio angehörte. Er hätte | |
Zschäpe eventuell belasten können. Auch vor ihrem letzten Misstrauensantrag | |
stand der Auftritt eines ehemaligen Gesinnungskameraden: Tino Brandt, einst | |
Chef des Thüringer Heimatschutzes. Er hatte Zschäpe im Prozess als | |
ideologisch gefestigte Aktivistin beschrieben. | |
Im Juli 2014 musste Zschäpe eine Stellungnahme für ihren Antrag | |
nachreichen. Die aber beschränkte sich auf wenige Passagen, in denen sie | |
sich allgemein unzufrieden mit der Verhandlungsführung ihrer Anwälte | |
äußerte. Der Antrag wurde von den Richtern abgelehnt: als „nicht | |
hinreichend“. | |
10 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
Christian Rath | |
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