# taz.de -- Rolle eines Spitzels im NSU-Terror: Und der Ausschuss weiß von nic… | |
> War ein Verfassungsschutz-Informant an einem NSU-Anschlag in Köln | |
> beteiligt? Abgeordnete im Bundestag fühlen sich belogen. | |
Bild: Welche Rolle spielt Neonazi Johann H. beim Anschlag auf das Geschäft ein… | |
Berlin taz | Anderthalb Jahre tagte der NSU-Untersuchungsausschuss im | |
Bundestag, immer wieder durchleuchtete er die Taten der Terrorgruppe – auch | |
den Anschlag auf das Geschäft einer iranischstämmigen Familie in der Kölner | |
Probsteigasse im Januar 2001. Damals wurde die 19-jährige Tochter der | |
Ladenbetreibers schwer verletzt. | |
Eine möglicherweise wichtige Figur in diesem Fall spielte in dem Ausschuss | |
keine Rolle: der Kölner Neonazi Johann H. Am Wochenende wurde bekannt, dass | |
der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz den Neonazi bereits seit 1989 | |
als „geheimen Mitarbeiter“ geführt haben soll. Das berichtete die [1][Welt | |
am Sonntag] mit Berufung auf eine dienstliche Erklärung der früheren Chefin | |
des Landesamtes, Matilde Koller, vom Februar 2012. | |
Auch über eine andere Merkwürdigkeit informierte die | |
Verfassungsschutz-Chefin die Karlsruher Ermittlungsbehörde. Nach einer | |
„Überprüfung relevanter Personen der örtlichen neonazistischen Szene“ ha… | |
man festgestellt: Das Phantombild des Bombenlegers weise „Ähnlichkeiten“ | |
mit ihrem geheimen Mitarbeiter auf. Man halte Johann H. zwar nicht für | |
tatbeteiligt. „Gleichwohl scheint eine gewisse Affinität zu Waffen und | |
Wehrübungen erkennbar zu sein.“ | |
Von all dem erfuhren die NSU-Aufklärer im Bundestag offenbar: nichts. „Dem | |
Ausschuss sind alle Informationen zu Johann H. vorenthalten worden“, | |
versicherte Petra Pau am Montag der taz. Sie saß für die Linksfraktion in | |
dem Untersuchungsausschuss. Der gesamte Komplex hätte dem Gremium „gleich | |
von drei Stellen vorgelegt werden müssen“, kritisiert Pau. „Von | |
Nordrhein-Westfalen, vom Bundesamt für Verfassungsschutz und vom | |
Generalbundesanwalt.“ | |
Tatsächlich hatte die Bundesregierung der Linksfraktion im Sommer 2014 auf | |
Nachfrage bereits mitgeteilt: Die NRW-Verfassungsschutzchefin Koller habe | |
2012 zwei dienstliche Erklärungen zu Johann H. und dem Anschlag in der | |
Probsteigasse an den Generalbundesanwalt übermittelt. Die Karlsruher | |
Behörde wiederum habe dem Ermittlungsbeauftragten des | |
NSU-Untersuchungsausschusses „die Möglichkeit der Einsichtnahme“ gegeben. | |
Doch warum erreichte diese Information dann die Abgeordneten nicht? „Wir | |
haben Grund zu der Annahme, dass die Bundesregierung mit dieser Behauptung | |
lügt“, sagt Pau. | |
## „Intensiv unter die Lupe nehmen“ | |
Auch für die Grünen-Innenexpertin Irene Mihalic wirft der Fall Fragen auf – | |
die auch Stoff für einen neuen NSU-Untersuchungsausschuss auf Bundesebene | |
böten. Mihalic stellte den V-Leute-Einsatz in der rechten Szene generell in | |
Frage, „wenn dieser mehr schadet als nützt“. | |
Der NSU-Untersuchungsausschuss in NRW will jetzt Koller und Johann H. als | |
Zeugen laden. Man werde den Anschlag in der Probsteigasse „intensiv unter | |
die Lupe nehmen“, kündigte der Ausschussvorsitzende Sven Wolf (SPD) an. | |
Selbst die CDU sprach von einer „Reihe von Fragen“. | |
Auf den Ausschuss verweist auch der Sprecher des NRW-Innenministeriums: | |
„Dort ist nun der Ort, einen Zusammenhang zwischen dem Anschlag und dem | |
Rechtsextremisten zu klären.“ Den Druck wird das Ministerium aber vorerst | |
nicht los. Denn offen bleibt, warum es damals nicht direkt den Bundestag | |
über den Fall Johann H. informierte. Der Sprecher verweist auf den | |
Ermittlungsbeauftragen des NSU-Ausschusses: Der habe die Hinweise doch | |
damals dem Bundestag übermittelt. | |
Auch die Bundesanwaltschaft wiegelt ab. In den Ermittlungen hätten „sich | |
keine belastbaren Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine dem Phantombild | |
ähnliche Person an dem Anschlag beteiligt gewesen sein könnte“, sagt deren | |
Sprecherin Frauke Köhler. Tatsächlich versichern Ermittler, dass der Kölner | |
Neonazi zum Tatzeitpunkt anders ausgesehen habe als der Mann auf dem | |
Phantombild. Auch habe die Familie Johann H. auf Fotos nicht als Täter | |
erkannt. | |
Edith Lunnebach, Anwältin der Opferfamilie, behauptet, der Familie seien | |
nur untaugliche, verschwommene Fotos vorgelegt worden. Auch müsse geklärt | |
werden, ob und wie Johann H. direkt nach der Tat überprüft wurde. Bisher | |
rede man ja nur über Vorgänge aus dem Jahr 2012. „Für uns bleibt klar, dass | |
der NSU in Köln Helfer haben musste“, sagt Lunnebach. „Johann H. ist dafür | |
nun die erste belastbare Spur.“ | |
15 Jun 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://www.welt.de/politik/deutschland/article142469589/Die-dubiosen-Ermitt… | |
## AUTOREN | |
Astrid Geisler | |
Konrad Litschko | |
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