# taz.de -- Beate Zschäpe im NSU-Prozess: Das letzte Gefecht | |
> Redet sie oder redet sie nicht? Zschäpe schreibt den Richtern, eventuell | |
> „etwas auszusagen“. Der Konflikt mit ihren Verteidigern wird immer | |
> heftiger. | |
Bild: Offenbar wissen die AnwältInnen selbst nicht genau, welche Rolle ihre Ma… | |
BERLIN taz | Gibt es im NSU-Prozess doch noch eine Wende? In einem | |
Schreiben an die Richter des Münchner Oberlandesgerichts bot die | |
Hauptangeklagte Beate Zschäpe nun eine Art Deal an: Sie könnte doch noch | |
„etwas aussagen“ – sofern sie ihre derzeitigen Verteidiger loswürde. | |
Bisher – 211 Prozesstage lang – hatte Zschäpe eisern geschwiegen. In einem | |
handgeschriebenen vierseitigen Brief an das Gericht deutet sie nun ein Ende | |
dieser Strategie an. Sie beschäftige sich „durchaus mit dem Gedanken, etwas | |
auszusagen“, schreibt Zschäpe darin. Für diesen Fall aber sei eine „weite… | |
Zusammenarbeit“ mit ihren Verteidigern „unmöglich“. Denn: Ihre Anwälte | |
hätten angekündigt, ihr Mandat niederzulegen, sollte sie „eine Aussage zu | |
einzelnen Vorwürfen machen“. Dadurch, so Zschäpe, „fühle ich mich gerade… | |
erpresst“. | |
Das Schreiben, datiert auf den vergangenen Donnerstag, liegt der taz vor. | |
Damit gibt es erstmals einen schriftlichen Beleg, dass Zschäpe zu einer | |
Aussage bereit wäre. Vor allem aber heizt die Angeklagte mit ihrem Brief | |
den Streit mit ihrer Verteidigung weiter an. Bereits vor zwei Wochen hatte | |
Zschäpe den Antrag gestellt, ihre Anwältin Anja Sturm zu entlassen. | |
Nun teilt sie auch gegen die Mitverteidiger Wolfgang Heer und Wolfgang | |
Stahl aus. Ersterer würde im Prozess „ständig twittern“ und sich mit „d… | |
Organisation seines Urlaubs beschäftigen“. Letzterer surfe „ständig im | |
Internet“. Und Anja Sturm, legt Zschäpe nach, „geht es nicht darum, mich zu | |
verteidigen, sondern darum, Pflichtverteidigergebühren zu kassieren“. Seit | |
zwei Wochen herrsche „Funkstille“ zu ihren Anwälten, beklagt Zschäpe. | |
„Jeder Gesprächsversuch läuft eher auf eine Konfrontation anstatt | |
Kommunikation hinaus.“ | |
Der Streit erneuert ein Zerwürfnis aus dem Vorjahr: Bereits im Juli 2014 | |
hatte Zschäpe beantragt, alle drei Anwälte zu entbinden – ohne Erfolg. Die | |
Verteidiger weisen in aktuellen Schreiben an das Gericht die neuen Vorwürfe | |
zurück: Diese erschlössen sich „nach wie vor nicht“. Man sei sehr wohl zu | |
Gesprächen mit der Mandantin bereit. Es sei vielmehr Zschäpe, die diese | |
verweigere. Auch, so die Anwälte, drohte man keinesfalls mit einer | |
Mandatsniederlegung im Falle einer Aussage. Genauere Angaben verböten sich | |
„aufgrund der anwaltlichen Verschwiegenheitsverpflichtung“. | |
Inzwischen richteten die Verteidiger auch ein gemeinsames fünfseitiges | |
Schreiben an Zschäpe – mit deutlicher Ansprache. Die Angeklagte selbst | |
zitiert den Brief gegenüber den Richtern; die Verteidiger bestätigten dem | |
Gericht die „korrekte“ Wiedergabe. Ein „anmaßendes und | |
selbstüberschätzendes Verhalten“ werfen die Anwälte darin ihrer Mandantin | |
vor. Dies werde man „nicht weiter akzeptieren“. | |
## Heikle Einblicke | |
Das Schreiben offenbart auch eine heikle neue Erkenntnis. Denn die Anwälte | |
werfen Zschäpe vor, dass „Sie uns aufgrund der nur fragmentarischen | |
Weitergabe Ihres exklusiven Wissens nicht in die Lage versetzen, Sie | |
optimal zu verteidigen“. Will heißen: Offenbar wissen selbst die | |
Verteidiger bis heute nicht, welche Rolle Zschäpe beim NSU spielte. | |
Dass all dies nun bekannt wird, nimmt die Angeklagte offenbar in Kauf, um | |
mit der Schlammschlacht nachzuweisen, dass ihr Vertrauensverhältnis zu den | |
Verteidigern „endgültig erschüttert“ ist – die Voraussetzung für einen | |
Pflichtverteidigerausschluss. Der scheint dennoch unwahrscheinlich, denn | |
mit gänzlich neuen Anwälten stünde die Beweisaufnahme vor einem Neustart. | |
Auch lässt Zschäpe völlig offen, zu was genau sie aussagen würde. | |
Die Richter wollen bis kommende Woche eine Entscheidung über Zschäpes | |
Antrag treffen. Ungeachtet dessen wird am Dienstag der Prozess fortgesetzt. | |
Dann ist ein früherer Jenaer Gesinnungsgenosse des späteren NSU-Trios | |
geladen. Befragt werden auch ein Zeuge und ein Polizist zu einem Überfall | |
auf einen Edeka-Markt 1998 in Chemnitz, der dem NSU zugerechnet wird. | |
22 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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