| # taz.de -- NSU-Prozess in München: Ein Quartett für Zschäpe? | |
| > Beate Zschäpe scheitert mit einem Antrag, den Prozess zu stoppen. Als | |
| > Zeugin spricht die Ehefrau eines Verfassungsschützers. | |
| Bild: Keine Gespräche, kaum ein Blick: Beate Zschäpe meidet den Kontakt zu ih… | |
| München taz | Der 214. Verhandlungstag des NSU-Prozesses ist am Dienstag | |
| gerade eröffnet, da unterbricht Richter Manfred Götzl ihn schon wieder. Die | |
| Hauptangeklagte Beate Zschäpe habe am Morgen einen Antrag gestellt. Auf | |
| weitere Zeugenbefragungen sei zu verzichten. Erst solle ihr ein vierter | |
| Pflichtverteidiger zugeordnet werden: der Münchner Anwalt Mathias Grasel. | |
| Götzl wischt den Antrag nach kurzer Beratung beiseite. „Sie sind durch Ihre | |
| drei Pflichtverteidiger ja bereits vertreten“, sagt er zu Zschäpe. | |
| Ihr Wunsch könnte dennoch in Erfüllung gehen: Denn die Richter baten die | |
| Prozessbeteiligten bereits, sich bis Mittwochmittag zu Grasel zu | |
| positionieren. Warum sich Zschäpe gerade ihn wünscht, bleibt unklar. Grasel | |
| besuchte Zschäpe offenbar wiederholt in Haft. Ein rechter Szeneanwalt ist | |
| er aber nicht. Würde Grasel als Pflichtverteidiger auf eine Aussage | |
| Zschäpes drängen, die diese zuletzt als „Gedanken“ ins Spiel brachte? Er | |
| selbst schweigt zu seiner Strategie. Erst mal, so der Anwalt zur taz, solle | |
| das Gericht eine Entscheidung treffen. | |
| Seine Ernennung könnte ein Befriedungsversuch sein. Erst am Freitag hatten | |
| die Richter einen jüngsten Enthebungsantrag von Zschäpe gegen ihre | |
| Verteidigerin Anja Sturm abgelehnt: Zu unkonkret seien die Vorwürfe. | |
| ## Frostige Atmosphäre | |
| Gegenüber ihren derzeitigen Anwälten zeigt sich Zschäpe am Dienstag weiter | |
| frostig: Keine Gespräche, kaum ein Blick, einen Handschlag nur für den | |
| Vertreter des verhinderten Wolfgang Stahl. | |
| Das selbst, als eine bemerkenswerte Zeugin auftritt: die Ehefrau des | |
| Verfassungsschützers Andreas Temme. Der war beim neunten NSU-Mord an Halit | |
| Yozgat in seinem Kasseler Internetcafé 2006 am Tatort – rein zufällig, wie | |
| er beteuert. Von den Schüssen will er nichts gehört, den toten Yozgat nicht | |
| gesehen haben. | |
| Die Richter spielen ein Telefonat seiner Ehefrau mit ihrer Schwester ab, | |
| abgehört von der Polizei nach der Tat. Eva Temme ist aufgebracht, sie hat | |
| kurz zuvor einen Sohn zur Welt gebracht, jetzt steht ihr Mann unter | |
| Mordverdacht. Dass dieser unschuldig sei, „steht außer Frage“, sagt sie am | |
| Telefon. Vielmehr belaste sie, dass ihr Mann eingestanden habe, in dem | |
| Internetcafé auf Flirtseiten gesurft zu haben. „Du hast unsere Zeit | |
| verplempert in so einer Asselbude bei so einem Dreckstürken“, wiederholt | |
| sie am Telefon ihre Standpauke. | |
| ## Zeugin nimmt ihren Mann in Schutz | |
| Sie sei erschrocken über ihre „scheußlichen“ Worte, sagt Eva Temme nun vor | |
| Gericht. „Das ist nicht meine Einstellung.“ Sie sei damals „außer sich | |
| gewesen“. Dann nimmt sie ihren Mann in Schutz: Dieser sei „kein | |
| Verbrecher“, auch nicht ausländerfeindlich. Dass er mit dem Mord nichts zu | |
| tun habe, da sei sie sich so sicher, wie man es eben sein könne: „Ich sage | |
| das so, wie das jede Ehefrau sagen würde. Oder jeder Hundefreund, der sagt, | |
| dass sein Hund nicht beißt.“ | |
| Nach ihr wird auch Andreas Temme selbst angehört – bereits zum sechsten Mal | |
| im Prozess. Kein Zeuge wurde öfter vorgeladen. Zu dubios ist seine Rolle. | |
| Diesmal äußert er sich zu einer Zeugenaussage, er habe das Internetcafé mit | |
| einer Plastiktüte betreten, darin ein schwerer Gegenstand, eventuell eine | |
| Waffe. Das bestreitet Temme: Er habe weder eine Tüte noch eine Waffe dabei | |
| gehabt. | |
| Hinter Temme sitzen die Eltern von Halit Yozgat. Ihre Blicke sind | |
| versteinert. Dann bittet Ismail Yozgat um das Wort. „Dieser Mann lügt. | |
| Entweder Herr Temme hat meinen Sohn getötet oder er hat gesehen, wer ihn | |
| getötet hat.“ Die Leiche seines Sohns sei nicht zu übersehen gewesen. | |
| Yozgat bittet um eine Tatortbegehung des Senats. „Dann werden Sie die | |
| Tatsachen besser schätzen.“ Das Ansinnen bleibt von der Richterbank | |
| unbeantwortet, vorerst. | |
| 30 Jun 2015 | |
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| Konrad Litschko | |
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