Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Enthüllungen über Bundeswehr-Skandale: Sie haben sich aufgeführt…
> Speerspitze gegen Guttenberg will der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus
> nicht sein. Doch bei der Vorstellung seines Wehrberichts kratzt er weiter
> am Minister-Image.
Bild: Marine-Kadettin Jenny Böken steht an Bord der Gorch Fock. Am 03.09.2008 …
BERLIN taz | Wahrscheinlich hatte nie ein Wehrbeauftragter unter solcher
öffentlichen Beachtung seinen Jahresbericht vorgestellt. Dicht an dicht
drängelten sich die Kameras in der Bundespressekonferenz, vor der Tür
berichtete ein Fernsehsender live. Mit Spannung wurden neue Details von
Hellmut Königshaus (FDP) erwartet. Dem Mann, der erst seit einem Jahr im
Amt ist. Der seinen ersten Bericht vorstellte. Und der doch in den
vergangenen Wochen durch die Enthüllungen über die Skandale bei der
Bundeswehr in Afghanistan und auf dem Segelschulschiff "Gorch Fock"
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ins Wanken gebracht hat.
Dass der parteipolitische Streit nicht sein Ziel sei, stellte Königshaus
gleich klar. Er sei nicht die Speerspitze der FDP gegen CSU-Mann
Guttenberg. Dies sei abgeleitet aus dem Streit der beiden ums
Afghanistan-Mandat. "Damit habe ich nichts zu tun", sagte Königshaus.
Ein bisschen süffisant wirkte es aber doch, wie er sich zu den Vorfällen
äußerte, besonders rund um die "Gorch Fock" - dem Fall, der Minister
Guttenberg am gefährlichsten geworden ist, weil er dort unter fraglichen
Umständen den Kommandanten suspendiert hat. "Ich verstehe das als eine
Maßnahme der Fürsorge", kommentierte Königshaus, und: "Der Minister hat das
auch so zu verstehen geben wollen."
Königshaus musste in seiner Kritik am Minister gar nicht klarer werden.
Denn immer mehr Fälle kommen ans Tageslicht, die zeigen, dass besonders auf
der "Gorch Fock" ohne Guttenbergs Wissen seit längerem Umstände herrschen,
die nicht im Sinne des Ministers sein können.
Spiegel Online berichtet über ein neunseitiges Papier, in dem die Umstände
an Bord im Detail beschrieben werden. So sollen in der Nacht vor dem Tod
der Offiziersanwärterin Sarah Seele Alkoholexzesse an Bord des Schiffes
gefeiert worden seien. Ein Ausbilder wird mit den Worten zitiert, "dass er
Offiziersanwärter hasse und sie töten würde", während er lallend in den
Schlafraum stolperte.
Mannschaftssoldaten hätten sich "beinahe wie Könige" aufgeführt. Der
Kommandant sei "besonders häufig in Badehose gesehen worden" und habe sich
auf die nötigsten Termine konzentriert. In einem anderen Fall wird davon
berichtet, dass Offiziersanwärter auf dem Deck "Erbrochenes der Offiziere
wegputzen" mussten.
Bei der Vorstellung des Wehrberichts sagte Königshaus, dies seien momentan
noch subjektive Berichte, die es zu prüfen gelte. Im Wehrbericht selbst
findet sich davon nichts, da dieser von 2010 sei und die Beschwerden später
kamen.
Doch es sind nach dem Tod von Sarah Seele weitere Fälle, die die Bundeswehr
erschüttern. In der vergangenen Woche hatten zudem die Eltern der 2008
unter ungeklärten Umständen vor Norderney über Bord gegangenen und
gestorbenen 18-jährigen Offiziersanwärterin Jenny Böker angemahnt, den Fall
aufzuklären. Die "Gorch Fock" sei "ein Extraproblem", sagte Königshaus:
"Irgendwie ist so ein kleines Schiff eine Welt für sich."
Auch in den anderen Skandalen ließ er nicht locker. Bei den Fällen der
geöffneten Feldpostbriefe gab er sich nicht mit dem Ergebnis des
Untersuchungsberichts vom Montag zufrieden, in dem die Bundeswehr in
Afghanistan zum Schluss kommt, dass vor Ort keine Fehler festgestellt
werden konnten. "Das Wort systematisch hat eine gewisse Berechtigung",
sagte Königshaus zu den Vorfällen, "man kann nicht davon ausgehen, dass das
die Sortiermaschine war". Königshaus sagte, er wolle auch untersuchen
lassen, inwieweit die Post vom Zoll geöffnet werden durfte. "Ich möchte
meine privaten Fotos nicht von Oberzollamtmann Müller kontrolliert sehen",
sagte er. "Ich glaube nicht, dass der Sachverhalt geklärt ist."
Und auch im Falle des in Afghanistan getöteten Soldaten hakte er nach. Acht
Vorfälle von aus Versehen gelösten Schüssen habe es im vergangenen Jahr
gegeben. Neben dem tödlichen vom 17. Dezember zwei weitere, aus denen
schwere Verletzungen folgten. "Das sind Dinge, die die Dienstaufsicht
fordern", so der Wehrbeauftragte.
Fast vergessen schien an dem Tag, worum es in dem Wehrbericht eigentlich
gehen sollte: Um die Vereinbarkeit von Familie und Dienst, Auslandseinsätze
und die Lage im Sanitätsdienst.
25 Jan 2011
## AUTOREN
Gordon Repinski
## TAGS
Fremdenfeindlichkeit
Bundeswehr
Schwerpunkt Christian Ströbele
## ARTIKEL ZUM THEMA
Wehrbeauftragter legt Jahresbericht vor: Hitlergruß und „Sieg Heil!“-Rufe
Der Wehrbeauftragte Hellmut Könighaus warnt vor der Zunahme rechtsextremer
und fremdenfeindlicher Vorfälle. Er fordert mehr Maßnahmen.
Betrunkene Soldaten in Afghanistan: Zwei Promille am Hindukusch
Bundeswehrsoldaten in Afghanistan dürfen pro Tag nur zwei Dosen Bier
kaufen. Trotzdem steigt die Zahl derer, die wegen Trunkenheit diszipliniert
werden.
Tödlicher Unfall auf der Gorch Fock: Ermittlungen eingestellt
Die Staatsanwaltschaft in Kiel wird im Fall der Gorch Fock ihre
Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung einstellen. Es gebe nicht genügend
Anhaltspunkte dafür, hieß es aus Kiel.
Ermittlungen zu Gorch-Fock-Unglück: Kadettin war nicht diensttauglich
Die auf der "Gorch Fock" verunglückte Soldatin hätte die tödliche Übung
nicht absolvieren dürfen. Einem Medienbericht zufolge war sie wegen
Übergewicht dienstuntauglich.
Forschungsbericht "Truppenbild mit Dame": An der Waffe nicht gleichberechtigt
Frauen machen den Umgangston beim Militär zwar besser. Aber sie werden von
einem Drittel der männlichen Kameraden abgelehnt – und nicht selten sexuell
belästigt.
Kommentar Guttenberg: Es kommen härtere Zeiten
Der Minister ist nicht nur innerhalb der Koalition angreifbar geworden.
Weil er auf Zuruf der Boulevardmedien regiert, ist sein Strahle-Image auch
öffentlich beschädigt.
Bundeswehr-Reform: Guttenberg bleibt nichts erspart
Verteidigungsminister zu Guttenberg hat die Entscheidung des Kabinetts
mitgetragen, 8,4 Milliarden Euro einzusparen. Nun wird er zum Gefangenen
seiner Versprechen.
Guttenberg unter Druck: Verteidigung an der Heimatfront
Kabinett, Ausschuss, Bundestag: Der Mittwoch war für Minister Guttenberg
ein Tag voller Vorwürfe, unangenehmer Fragen und vieler Verteidigungsreden.
Christian Ströbele über Afghanistan-Einsatz: Ändert endlich die Strategie!
Die Rede, die ich für die Grünen im Bundestag halten will, die sie mich
aber nicht halten lassen. Doch wir können nicht einfach so weitermachen.
Kommentar Bundeswehr: Von wegen Staatsbürger in Uniform
Der Bericht des Wehrbeauftragten legt nahe: Bei der Armee sind
Entwürdigungen Alltag. Aufklärung wird versprochen, droht aber zu
verpuffen. Im Militär kann man vom Drill nicht lassen.
Untersuchungsbericht zur Feldpost: Alles prima bei der Bundeswehrpost
"Keine Manipulation der Umschläge". So lautet das Ergebnis des
Untersuchungsberichts über die Feldpost in Afghanistan, der der taz
vorliegt.
So kann's zugehen beim Miltär: Schweineleber, Totenschädel, Stromstöße
Das sind Zustände bei der Bundeswehr! In den vergangenen Jahren gab es
viele Skandale, Exzesse und Zwischenfälle. Hier eine Zusammenstellung der
spektakulärsten Vorkommnisse.
Todesfälle in der Bundeswehr: Gefährlich für Guttenberg
Der Untersuchungsausschuss zu Kundus hat seine Beweisaufnahme noch nicht
beendet. Jetzt soll er auch die jüngsten Skandale bei der Armee klären.
Guttenberg weiter unter Druck.
Todesfälle bei der Bundeswehr: Guttenberg regiert mit "Bild"
Der Verteidigungsminister entlässt den Kapitän der "Gorch Fock". Und zwar
kurz nachdem er mit dem Boulevardblatt telefonierte. Kein Zufall, vermutet
jetzt die SPD.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.